Verkehrte (Finanz)welt
Quelle: REUTERS

Gute Aussichten für Tech-Aktien

Analysten zweifelten zuletzt an Tech-Aktien wie Google, Facebook, Amazon oder Apple. Zu unrecht: neue Technologien schaffen immer neue Geschäftsfelder für die Konzerne.

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Nach dem die Aktienkurse der großen Technologieriesen, der sogenannten FAANG-Werte Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google, in den vergangenen Jahren so stark gestiegen waren, kam die Rallye Ende 2018 für einige der ‚Tech Highflyer‘ abrupt zum Ende. Facebook wurde bereits zuvor durch seine Praktiken zur Datensammlung in der Presse angeprangert, Apple verkaufte weniger iPhones als gedacht und Amazon enttäuschte im vierten Quartal 2018 mit einem schwächeren Ausblick für Wachstum und Marge. Und es stimmt: Einige Aktienanalysten haben ihre Wachstumserwartungen bereits reduziert. Was bedeutet das für die zukünftige Entwicklung im Tech-Sektor?

Marktsättigung nimmt zu

Als das Internet Anfang der Neunziger Jahre kommerziell wurde, dachten nur die Wenigsten an das Ausmaß und die Marktmacht der darauffolgenden Geschäftsmodelle. Inzwischen ist das Internet-Zeitalter schon relativ weit vorangeschritten: Mit über vier Milliarden Menschen sind bereits mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung online und verbringen im Durchschnitt sechs Stunden pro Tag im Netz. Hauptgrund für das rapide Wachstum in der vergangenen Dekade war das Smartphone, das Medium, das so stark wie kein anderes in den Alltag der Internetnutzer integriert wurde.

Aber der Markt steuert auf eine Sättigung zu: In den USA besitzen bereits 77 Prozent aller Verbraucher ein Smartphone und das Marktwachstum konnte zuletzt nur noch durch die Verkäufe kostengünstiger Geräte in den Schwellenländern aufrecht erhalten werden. 2018 war der globale Smartphone-Absatz zum ersten Mal rückläufig. Auch weitere Internetbereiche wie etwa die Online-Werbung erreichen bald die magische Sättigungsquote von 50 Prozent. Immer häufiger ist zu lesen, dass die Wachstumspotenziale der digitalen Ära damit bald ausgeschöpft seien. Doch der Eindruck täuscht.

Denn die Digitalisierung dringt in immer tiefere Teile der Wertschöpfungskette und Wirtschaft vor oder schafft sogar komplett neue Bereiche. Online-Werbung zum Beispiel, ist durch das Weiterleiten von Online-Traffic via Keywords und Werbebanner entstanden. Hinzu kamen neue Arten des Online-Konsums in Form von sozialen Medien und Videos, die wiederum die digitale Werbefläche stark vergrößerten. Doch ging es in der Vergangenheit nur um das Weiterleiten von Traffic, geht Online heute immer weiter in die eigentliche Transaktion über. In den USA können Konsumenten mit dem Google Assistant über Voice Ordering direkt Waren bestellen, auch Instagram Shopping ermöglicht einen reibungslosen Bestellvorgang über die Instagram App. Die Trennlinie zwischen Werbung und Transaktion löst sich langsam auf.

Unterschätztes Wachstumspotenzial

Auch Online Shopping ist nur punktuell an der Schwelle zur Marktsättigung: In den USA werden zwar bereits 80 Prozent der Unterhaltungselektronik im Internet gekauft, doch bei anderen Warengruppen, etwa Lebensmittel oder Medikamente, deckt der Internet-Handel bisher nur Bruchteile des Marktes ab. Auch Auto- oder Hausverkäufe stehen erst ganz am Anfang der vollständigen Digitalisierung. So hat der Online-Einzelhandel insgesamt erst eine Penetrationsrate von zehn Prozent erreicht. Da ist Wachstumspotenzial durchaus noch vorhanden.

Zusätzlich werden bekannte Dienstleistungen zunehmend durch „on-demand“ Lösungen aufgebrochen. Taxifahrten, Essensbestellungen, Musik-, Film- und Videokonsum, Automiete – dies alles sind Bereiche, in denen solche Dienste auf Abruf den Markt aufgerüttelt haben. Auch hier ist aber noch Potenzial. Der Blick nach China zeigt bereits jetzt, wo die Reise hingeht: In manchen Städten können Konsumenten nahezu alles, von Blumen bis hin zu Lebensmitteln oder Kleidung, innerhalb von 30 Minuten ordern.

Schwache iPhone-Verkaufszahlen: Im Jahr 2018 war der globale Smartphone-Absatz zum ersten Mal rückläufig. Quelle: dpa

Neue Geschäftsmodelle in Sicht

Es sind aber besonders neue Technologien und Softwareanwendungen wie Machine Learning, Augmented Reality und Blockchain, die voraussichtlich komplett neue Geschäftsmodelle erschaffen werden. Cloud-Infrastruktur-Anbieter wie Google demokratisieren bereits heute Machine Learning-Anwendungen für eine Vielzahl an Kunden durch Bild- und Spracherkennung sowie Text- und Videoanalyse, um Anwendungen smarter und effizienter zu machen. Beispiele hierfür sind in der medizinischen Bildgebung zu finden, um Behandlungsergebnisse zu beschleunigen, oder in der Medienbranche, um Untertitel im Handumdrehen in 80 Sprachen zu übersetzen.

Augmented Reality könnte für Anwender durch Hilfsmittel wie Brillen oder Handys virtuelle Gegenstände in den Raum projizieren. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, virtuelle Informationen in der Realität zu verankern. Bei der industriellen Instandhaltung wird dies bereits für Bedienungsanleitungen von Maschinen und Anlagen verwendet. Spiele wie ‚Pokémon Go‘ haben bereits einen Vorgeschmack auf erste Konsumentenanwendungen gegeben und man kann auf mögliche zukünftige Anwendungsfelder gespannt sein. Auch die Blockchain bietet neue Möglichkeiten. Derzeit sind Blockchain-Anwendungen unter anderem im Finanzsektor zu finden, beispielsweise als Transaktionsprotokoll für verschiedene Kryptowährungen. Aber auch Einsatzfelder wie Smart Contracts für das Internet der Dinge, öffentliche Register oder Supply-Chain- Management bieten zukünftige Wachstumschancen.

Gigant heißt nicht unbedingt Gewinner

In Anbetracht der Entwicklungen des vergangenen Jahres prophezeien manche Analysten schon das Ende des Tech-Hypes. Doch auch wenn es immer wieder Phasen gibt, in denen der technologische Fortschritt langsam erscheint, ist dies zumeist nur der Anfang einer neuen Wachstumskurve. Für einige dieser neuen Geschäftsfelder sind die großen Technologiekonzerne in einer sehr guten Ausgangslage. Zugleich hat die Geschichte gezeigt, dass junge Firmen oftmals schneller und flexibler beim Finden des ‚Product/Market-Fit‘ sind und dass Regulierung den Tech-Giganten zum Verhängnis werden könnte. Es ist also nicht gewiss, dass die Tech-Giganten auch die größten Gewinner werden. Sicher ist aber, dass wir noch nicht am Ende der Tech-Ära sind, sondern erst am Ende vom Anfang.

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