Verkehrte Finanz(Welt)
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Ist Europas Digitalisierungs- und Klimaschutzprogramm eine Chance für Anleger?

Inwieweit europäische Techwerte künftig eine größere Rolle in Anlegerportfolien spielen werden, wird maßgeblich von den politischen Rahmenbedingungen mitbestimmt. Sprich: Wie erfolgreich digitalisiert sich Europa?

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Der Finanzrahmen der EU, der die mittelfristigen Ausgaben des europäischen Haushalts bestimmt, wurde im Gefolge des Ausbruchs der Covid-19-Pandemie fast verdoppelt. Er beläuft sich für die Periode von 2021 bis 2027 nun auf zwei Billionen Euro. Herzstück der Aufstockung ist das knapp 800 Milliarden Euro schwere Aufbau-Instrument NextGenerationEU (NGEU), dessen Mittel zum Großteil in Digitalisierungs- und Klimaprojekte fließen. Kernelemente sind der Ausbau von Netzwerkinfrastrukturen wie 5G und Glasfaser, Mikroprozessor-Technologien und Cloud-Computing sowie die Digitalisierung des öffentlichen Sektors. Es lohnt sich daher, einen genaueren Blick auf die drei größten Agendapunkte der EU-Digitalisierungspolitik zu werfen.

Konnektivität: Die Basis einer digitalisierten Gesellschaft

Netzwerkstandards wie 5G und Glasfaser-Internetanschlüsse haben in der EU derzeit Priorität. Die Schere beim Ausbau von Glasfaser-Internetanschlüssen geht innerhalb der EU27 weit auseinander. Länder wie Schweden und Spanien waren Ende 2020 mit einem Anteil von 75 Prozent in Bezug auf alle Festnetz-Breitbandanschlüsse die Spitzenreiter. Deutschland ist mit nur 5 Prozent weit abgeschlagen. Dies ist bedauerlich, da ein Zusammenhang zwischen hoher Wirtschaftsproduktivität und schnellen Internetverbindungen längst nachgewiesen wurde. Während der Lockdown-Phasen der Covid-Pandemie wurden etwa die Bedeutung schneller Konnektivität für das Homeoffice sichtbar.

5G-Netze sollen künftig darüber hinaus gehen: Neben dem stationären Internetanschluss sollen nicht nur Personen, sondern auch Objekte in Echtzeit miteinander verknüpft werden: Dies ist insbesondere für neue Anwendungen der automatisierten Mobilität, e-Health und im Energiemanagement unerlässlich. In diesen Bereichen gibt es in der EU noch einiges an Nachholbedarf. Zugang zu schnellen 5G-Netzen hatten Ende 2020 gerade einmal 25 Prozent aller EU-Bürger. Zum Vergleich: In den USA waren es 76 Prozent und in Südkorea sogar 93 Prozent.

Mikroprozessoren und Datenwolken

Neben dem Thema Konnektivität rücken vor allem zwei Schlüsseltechnologien und -themen für das Internet der Dinge (IOT), für neue Anwendungen wie Künstliche Intelligenz (KI) und die Digitalisierung bestehender Industrien in den Fokus: Mikroprozessoren und Cloud-Computing. Aufgrund der derzeitigen Knappheit im Halbleitersektor wurde der europäischen Wirtschaft und Politik erstmals bewusst, dass 70 Prozent der globalen Halbleiter in Taiwan gefertigt werden. Europäische Marktteilnehmer haben sich an die Vorteile dieser Auslagerungen (Skaleneffekte, Produktivitätsverbesserungen) gewöhnt und zugelassen, dass ein Großteil der Wertschöpfungskette nach Asien abgewandert ist.

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Tatsächlich finden nur noch etwa 10 Prozent der Fertigung in der EU statt. Aus wirtschaftsstrategischen Überlegungen und in Anbetracht politischer Spannungen (der USA) mit China ist dies eine Herausforderung. Halbleiter sind zu einem wichtigen Baustein für die gesamte Wirtschaft geworden. Hier möchte die EU gegensteuern und die lokale Halbleiterproduktion bis 2030 verdoppeln. Erste Gespräche mit den globalen Mikroprozessor-Herstellern laufen, um Fertigungsanlagen in Europa aufzubauen.

Im Bereich Cloud Computing sind die USA der unangefochtene globale Innovationsführer, der mit den drei größten Playern (Amazon Web Services, Microsoft, Google) allein 75 Prozent der weltweiten Marktanteile auf sich vereint. Um die Dominanz der US-Anbieter zu reduzieren, versucht die EU mit dem europäisch geführten Konsortium Gaia-X entgegenzusteuern. Allerdings mit mäßigem Erfolg. Der Knackpunkt: Eben jene US-Firmen sind auch Teil dieses Konsortiums. Sie werden vermutlich auch in Zukunft einen Großteil der Basis-Rechenkapazität zu Verfügung stellen, auf denen europäische Firmen ihre Anwendungen bauen.

Die digitale Behörde

Der öffentliche Sektor steht in vielen Ländern Europas noch am Anfang der Digitalisierung. Spitzenreiter Dänemark, Finnland und Estland zeigen den Weg nach vorne. Jeder dänische Staatsbürger besitzt eine digitale persönliche ID, welche für Online-Services im öffentlichen und privaten Sektor verwendet werden kann. Die ID ermöglicht den Zugang für die Bereiche Gesundheit, Steuern und Altersvorsorge sowie e-Commerce und e-Banking. Die EU plant, ihre Angebote im öffentlichen Sektor für Bürger und Unternehmen zu verbessern und alle wichtigen Funktionen bis 2030 online zugänglich zu machen. Schlüsselfaktoren sind dabei neben einer elektronischen ID das digitale Dokumentenmanagement, eine einheitliche Datenbasis und die digitale Kommunikation mit den Behörden.

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Fazit und Ausblick: Die EU hat sich für die Digitalisierung in der kommenden Dekade wichtige Ziele gesetzt und muss als Wegbereiter für Basistechnologien wie Konnektivität und Halbleitertechnik fungieren. Ihr Investitionsrahmen ist für einen längeren Zeitraum gedacht. Nicht alle Investments werden (unmittelbar) die gewünschten Resultate erzielen, jedoch sind diese für eine prosperierende Wirtschaft und die regionale Versorgungssicherheit unerlässlich. Europäische Halbleiterunternehmen, Ausrüster für Konnektivität als auch Softwareanbieter dürften zu den Profiteuren der Veränderungen zählen. Dies bietet für langfristige Anleger in diesen Branchen attraktive Chancen. .

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