Verkehrte (Finanz)welt

Keine Angst vorm Robo-Advisor

Die digitale Disruption der Finanzwelt ist in vollem Gange, Anleger können auf Apps und Software zugreifen, um ihre Finanzentscheidungen zu treffen. Brauchen wir in Zukunft keine menschliche Beratung mehr?

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Deutsche mögen Gold, halten aber am Sparbuch fest
Fragt man die Deutschen nach attraktiven Anlageformen, sind sie sich weitgehend einig: Das Eigenheim, die betriebliche Altersvorsorge und Gold. Trotzdem setzt das Gros immer noch auf renditearme Sparbücher, Tages- und Festgeldkonten, wie das Investmentbarometer der GfK zeigt. Hier erfahren Sie, wie groß die Diskrepanz zwischen Einschätzung und Umsetzung ausfällt.Zur Studie: Seit 1999 untersucht das GfK-Investmentbarometer, wie sich Privatanleger in den USA und Europa verhalten. Für die aktuelle Studie haben die Konsumforscher im November 2016 in Deutschland, den USA, Italien, Frankreich und Großbritannien rund 5000 Menschen danach befragt, welche Finanzanlagen die Menschen besitzen und wie attraktiv sie verschiedene Sparmöglichkeiten und Finanzprodukte finden. Allein in Deutschland wurden 2000 Menschen befragt. Quelle: dpa
Rang 1: ImmobilienDie attraktivste Form der Geldanlage ist für die Deutschen die eigene Immobilie. 76 Prozent der Befragten gaben an, dass Investitionen in eine private Wohnung oder ein Haus attraktiv oder sehr attraktiv seien. De facto haben hierzulande aber nur 46 Prozent ihr Geld in eine Immobilie investiert. Auch für die Franzosen, Italiener und Briten sind Immobilien die attraktivste Form der Geldanlage. Quelle: dpa
Rang 2: Betriebliche AltersvorsorgeUm sich auf dem Altenteil nicht auf die gesetzliche Rente verlassen zu müssen, sorgen Millionen Bundesbürger vor. Die beliebteste Form: die betriebliche Altersvorsorge, auf die seit 2002 jeder Arbeitnehmer qua Gesetz Anspruch hat. Arbeitnehmer können einen Teil ihres Gehalts oder Sonderzahlungen als Beiträge in ihre betriebliche Altersvorsorge einzahlen. Der Arbeitgeber wiederum legt diesen Betrag für die Arbeitnehmer an – der Arbeitnehmer spart zudem Steuern und Sozialabgaben. 42 Prozent der Befragten gab an, die betriebliche Altersvorsorge für attraktiv oder sehr attraktiv zu halten. Die Realität zeigt: Aktuell nutzt sie nicht einmal jeder Fünfte. Nur 18 Prozent sind es. Quelle: obs
Rang 3: GoldGold gilt vor allem in unsicheren Zeiten als sichere Anlageform. 38 Prozent der Deutschen finden es als Anlageform attraktiv. Allerdings sind es nur 6 Prozent, die ihr Geld wirklich in Gold anlegen – nirgendwo ist die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität so groß. Quelle: REUTERS
Rang 4: BausparvertragDer Bausparvertrag ist insbesondere bei den Deutschen beliebt – was laut den Autoren das Bedürfnis der Deutschen nach sicheren Anlagen unterstreicht. 32 Prozent geben an, Bausparen attraktiv oder sehr attraktiv zu finden – und 29 Prozent legen ihr Geld auch wirklich so an. Quelle: dpa
Rang 5: Private RentenversicherungDie private Rentenversicherung sagt immerhin 28 Prozent der Deutschen als Form der Geldanlage zu. 21 Prozent der Befragten sorgen tatsächlich privat für ihre Rente vor. Quelle: dpa
Rang 6: Private KapitallebensversicherungDie private Kapitallebensversicherung ist eine Kombination aus Kapitalaufbau und Hinterbliebenenschutz. 21 Prozent der Befragten empfindet sie als eine attraktive Geldanlage – genauso viele legen einen Teil ihres Geldes auch dort an. Quelle: dpa

In vielen Branchen wächst die Hoffnung, aber auch die Angst, dass Algorithmen die Aufgaben von selbst hoch-ausgebildetem Personal übernehmen könnten. Diese „neue Industrialisierung“ könnte zu einem enormen Wandel in der Wirtschaft sowie der Gesellschaft führen.

Grundlegende Umwälzung

Die Vermögensverwaltung – lange ein sicherer Hafen, dem Maschinen, Roboter und Computer wenig anhaben konnten – steht nun vor einer grundlegenden Umwälzung. Seit etwa 2008, als sich in den USA die ersten entsprechenden Firmen gründeten, gibt es bereits sogenannte Robo-Advisor oder Algorithmen-gesteuerte Vermögensverwalter. Dabei handelt es sich um Vermögensverwalter, die automatisiert eine vom Kunden angegebene Risikobereitschaft in eine spezifisch angepasste Anlagestrategie umsetzen. Statt persönlicher Berater steuern Algorithmen die Allokation, die auf historischen Daten sowie fixen Regeln beispielsweise zur Steueroptimierung basieren und das Portfolio kontinuierlich anpassen. Einige Anbieter nutzen dazu Modelle, welche die Allokation taktisch anpassen und etwa den Aktienanteil reduzieren, wenn Risikoindikatoren hoch stehen.

Boris Bernstein, CFA, ist Director Principal Investments bei Goetzpartners sowie Vizepräsident der CFA Society Germany. Quelle: Presse

Die zusammengesetzten Portfolien der Robo-Advisor bestehen meistens aus Indexfonds oder ETFs und die Gebühren sind üblicherweise deutlich geringer als bei traditionellen Finanzberatern. Laut Goldman Sachs werden inzwischen schon 40 Prozent der US-Aktien in dieser Form passiv gemanagt und Bloomberg meldete zuletzt, dass es in den USA bereits mehr Indizes als Aktien gibt. Der Trend geht zu möglichst kostengünstigen Geldanlagen – eine Marktbewegung, die in Zeiten niedriger Zinsen noch zusätzlichen Schwung bekommt. Robo-Advisor sind hier nur der nächste logische Schritt. Für die Anleger bieten sie erhebliche Vorteile wie Effizienz sowie (zumindest oberflächlich) Freiheit von Interessenkonflikten oder menschlicher Befangenheit.

So zeigen auch Venture Capital-Investoren zunehmendes Interesse an den neuesten Innovationen in Sachen Robo-Advice. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben über 100 Robo-Advisor weltweit 1,3 Milliarden US-Dollar an Wagniskapital eingesammelt, knapp unter 20 Prozent davon in Europa.

Robo-Advisor in Deutschland: Asset Under Management

Kannibalisierung des Marktes?

Werden Robo-Advisor also die traditionelle Vermögensverwaltung ablösen? Werden wir in der Zukunft riesige, eigenständige Robo-Advising Firmen sehen? Noch ist es zu früh, um bereits ein Urteil über die weitere Entwicklung des Marktes zu fällen. Dennoch gibt es bereits Anzeichen, dass Robo-Advice eher neue Marktsegmente erschließen wird als einfach existierende Märkte zu kannibalisieren.

Robo-Advisor in Deutschland: Nutzer

Robo-Advisors haben bisher Kunden angeworben, die unter der Schwelle der traditionellen Vermögensverwalter liegen. So bietet Scalable Capital in Deutschland Portfolien ab einem Einsatz von 10.000 Euro an. Die meisten Wettbewerber bieten vergleichbare Mindestsummen an. Laut Statista hat der durchschnittliche Anleger im Jahr 2017 bei deutschen Robo-Advice-Vehikeln knapp unter 15.000 Euro im Depot. Zum Vergleich: Laut dem Institut für Vermögensverwaltung der Hochschule Aschaffenburg liegt der Wert für traditionelle Vermögensverwalter bei knapp über 1 Million Euro. Es scheint sich daher ein neues Marktsegment zu öffnen für Kunden, die entweder noch gar nicht investiert hatten oder ihr Geld bis jetzt selbst verwaltet haben.

Dass das neue Angebot Mehrwert bringen kann, haben auch die Regulatoren erkannt. In einer öffentlichen Diskussion hat Steven Maijoor, Vorsitzender der European Securities and Markets Authority (ESMA), die Industrie ermutigt algorithmenbasierte Produkte anzubieten. Es wird sicher spannend zu beobachten, ob die Akzeptanz sich weiter ausbreitet von den ‘Early Adopters’ unter Technologie-affinen Akademikern auf ein breiteres Publikum. Wichtig wird sein, wie sich die Algorithmen generell und insbesondere in der nächsten Finanzmarktkrise schlagen werden. Bis jetzt fehlt hier die Erfahrung und Transparenz. Zudem ist die Qualität der Anbieter stark unterschiedlich.

Die neuen Riesen?

Aber werden aus der jetzigen Klasse von Wettbewerbern die nächsten Fidelitys und BlackRocks der Welt? Ein Blick hinter den Kulissen zeigt, dass es die wenigsten schaffen werden. Im Schnitt bekommen Robo-Advisors 0,75 Prozent der angelegten Gelder als Umsatz. Dazu kommen für den Anleger noch 0,25 Prozent Kosten für ETF-Drittanbieter. Für den Robo-Advisor bleiben nach Depotbank Gebühren etwa 0,50 Prozent hängen. Das heißt, für jede 100 Million Euro angelegter Gelder macht der Robo-Advisor 0,5 Millionen Euro Umsatz. Der Aufbau einer solchen Firma bringt jedoch bestimmte Minimalkosten mit sich, etwa für Programmierer und Vertriebsleute. Einer der führenden deutschen Robo-Advisor listet knapp unter 50 Mitarbeiter auf seiner Webseite. Der ‚Break Even‘, um die Kosten zu decken, dürfte also bei etwa 4 bis 5 Millionen Euro liegen. Der vorgenannten Kalkulation nach entspricht das gut 800 Millionen Euro verwaltetem Vermögen – doppelt so viel, wie in diesem Jahr im gesamten deutschen Robo-Advice Markt steckt.

Wie groß ist also der potenzielle Markt in Deutschland? Laut Statista werden Robo-Advisors im Jahr 2021 1.5 Milliarden Euro verwalten. Selbst wenn nur ein Robo-Advisor im Land aktiv wäre, würde dieser nur 8 Millionen Euro Umsatz machen beziehungsweise, bei einer Marge von 50%, 4 Millionen Euro Gewinn. Kurz gesagt heißt das: Entweder Experten unterschätzen den potenziellen Markt in Deutschland dramatisch oder Investoren, die auf den Sektor gesetzt haben, werden enttäuscht sein. In USA hat es der Platzhirsch Betterment in acht Jahren auf über 7 Milliarden US-Dollar gebracht und die Nummer Zwei, Wealthfront, auf über 5 Milliarden US-Dollar, allerdings ist der US-Markt auch um ein Vielfaches größer als der deutsche.

Robo-Advisor in Deutschland: AuM pro Nutzer

Erfolgsmodell Integration

Es gibt aber  auch ein anderes Szenario: Was den Robo-Advisors bis jetzt fehlt ist Vertriebskraft. Diese bieten etablierte Banken, Asset Manager und Vermögensverwalter. Im Gegenzug würde der Robo-Advisor dem Partner effizientere Prozesse sowie Zugang zu neuen Kundengruppen bieten. Mehrere Signale deuten darauf hin, dass es daher statt Verdrängungskampf eher in Richtung Kooperation gehen wird. Nachdem BlackRock  im Jahre 2015 in den USA FutureAdvisor  gekauft hat, hat die Firma in Europa 2017 auch in Scalable Capital investiert. Schon heute sind die größten Robo-Advisor in die Giganten der Branche integriert worden – Vanguard und Schwab Intelligent Portfolios. Ob als selbständige Firmen oder ergänzende Tools von Firmen, die alle schon kennen, Anleger werden sicherlich in den nächsten Jahren mehr Robo-Advisors sehen.

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