Verkehrte (Finanz)Welt
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Kommt jetzt die Weltwährung?

Mit dem Aufstieg von Kryptogeld und konkurrierenden Privatwährungen schwindet das staatliche Geldmonopol. Kommt jetzt eine neue Welt(leit)währung? Warum ein solches Projekt zum Scheitern verurteilt ist, erläutern Martina Bahl und Axel Apfelbacher in ihrer Kolumne.

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Die Debatte über eine Veränderung der weltweiten Währungssysteme hat zuletzt deutlich an Fahrt aufgenommen. Auslöser sind vor allem zwei Entwicklungen.

Erstens die Existenz neuer Technologien und Infrastrukturen, etwa Blockchain, die den Aufstieg von Kryptodevisen ermöglichten. Laut dem Branchendienst CoinMarketCap.com liegt die Gesamt-Marktkapitalisierung dieser Währungen derzeit bei rund 183 Milliarden Dollar. Zwar drückt die aktuelle Coronakrise den Kurs der bekanntesten Cyberwährung Bitcoin Ende März unter die 7.000 US-Dollar-Marke (Mitte März sogar unter die 5.000 US-Dollar-Marke). Von einem Absturz sind derzeit jedoch praktisch alle Assetklassen betroffen.

Zweitens das Aufkommen nicht-staatlicher Privatwährungsprojekte, allen voran die Ankündigung von Facebook, im Frühjahr dieses Jahres ein eigenes Digitalgeld mit dem Namen Libra einführen zu wollen. Nach jüngsten Meldungen will der US-Konzern parallel zur eigenen Kryptowährung auch digitale staatliche Fiat-Währungen wie Dollar und Euro über die Plattform verfügbar machen. Wohlgemerkt: Das soziale Netzwerk hat derzeit nach eigenen Angaben circa 2,2 Milliarden Mitglieder.

Angesichts dieses Innovationsschubs sehen einige Marktteilnehmer die Chance zur Schaffung eines (digitalen) Weltzahlungssystems. Andere entgegnen, die Digitalwährungen hätten ihre selbst gesteckten Ziele als unkorrelierte Alternative in der aktuellen Krisenphase nicht unter Beweis stellen können. Könnte eine gemeinsam getragene Weltwährung überhaupt funktionieren?

Die Vorteile der Weltwährung

Es sind vor allem die mit den staatlichen Währungen verbundenen Probleme, die die Bewegung befeuern. Dazu zählen Fremdwährungsrisiken und hohe Transaktionskosten, die Firmenbilanzen belasten. Täglich werden, zu einem Großteil mit dem Ziel, Fremdwährungsrisiken abzusichern und Währungen zu tauschen, weltweit Fremdwährungsgeschäfte in Höhe von 6,6 Billionen US-Dollar gehandelt, so eine Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich. Hinzu kommen hohe Wechselgebühren für Reisende und Urlauber. Geschweige denn die kurspolitischen Streitigkeiten zwischen Staaten, die zu Vertrauensverlusten bis hin zu Abwärtsspiralen aus Abwertung und Zahlungsunfähigkeit führen.

Wäre es da nicht einfacher, wir hätten eine große, gemeinsame Weltwährung? Neu ist die Idee nicht. Schon John Maynard Keynes träumte davon. Er argumentierte, dass eine Weltwährung keine Inflation kennt und der Ablauf des globalen Handels dadurch effizienter wäre. Mal abgesehen von der heutigen technischen Machbarkeit ist allerdings auch in der Gegenwart offen, wer das Sagen über solch ein Konstrukt haben sollte und unter welcher Leitung – Privatorganisationen oder staatliche Institutionen – das Geld den Menschen besser nutzen könnte.

Nationale Notenbanken stehen in der Kritik

Politikern die Entscheidung über Menge und Steuerung des Geldes ohne checks and balances in die Hände zu legen, ist meist keine gute Idee. Dies hat die Geschichte gelehrt. Es bedarf einer unabhängigen Instanz zur Wahrung der geldpolitischen Stringenz. Wahrscheinlich ist daher, dass auch eine Weltwährung eine Notenbank benötigt.

Der gewichtigste Kritikpunkt, den Skeptiker derzeit gegen die Zentralbanken hervorbringen, ist die monetäre Staatsfinanzierung und der schleichende Übergang von Geld-, Fiskal- und Wirtschaftspolitik. Dieses Thema gewinnt angesichts der Coronakrise und der Frage, inwieweit es zu einer Neuauflage der „Whatever it takes“-Politik kommt, zusätzlich an Aktualität. Währungsinterventionen könnten sich die von Niedrigzinsen geplagten EU-Bürger im Rahmen einer Weltwährung besser entziehen: Zinspolitik als direktes Mittel, um das Wirtschaftswachstum in einem bestimmten Land anzukurbeln oder zu bremsen, würde im Falle einer Weltwährung wegfallen. Staaten können mit diesen Finanzmitteln ergo nicht mehr rechnen, was zur Folge hätte, dass sie unpopuläre, aber wesentlich transparentere Werkzeuge einsetzen müssen, etwa Steuern oder Strukturreformen.

Privatwährungen folgen eigenen Regeln

Geld ist historisch aus privaten Motiven zur Vereinfachung von Tauschgeschäften entstanden. Erst im Laufe der Geschichte hat sich eine Verzahnung zwischen Geld- und Machtsystem in vielen Ländern herausgebildet. Privatwährungen sind im Gefolge der Finanzkrise 2007/2008 angetreten, eine Alternative gegenüber entwertendem Staatsgeld zu bieten. Können gar Privatunternehmen, außerhalb staatlicher Souveränität, am besten für die Stabilität und weltweite Akzeptanz einer neuen Weltwährung sorgen?

Kritiker entgegnen, dass, rein rechtlich, allein die Institutionen einer Zentralbank gesetzliche Zahlungsmittel herausgeben dürfen. Entscheidend dürfte jedoch sein, inwieweit die „Weltgesellschaft“ ein solches Instrument annimmt. Jedem Gegenstand könnte theoretisch als „Token“ die Eigenschaft von Geld beigemessen werden. Hier kommt unseres Erachtens nach ein Punkt ins Spiel, der Zweifel an der Tragfähigkeit eines privatwirtschaftlich organisierten Weltwährungs-Modells hegen lässt.

Eine von privaten Unternehmen herausgegebene Währung folgt allein den Regeln, die sich der Emittent gibt. Im schlimmstmöglichen Szenario schert sich dieser nicht um die Effekte, die eine definierte Geldmenge auf einzelne Staaten haben wird. Marc Zuckerberg, CEO von Facebook, könnte sich in Umgehung jeglicher Verantwortung etwa immer darauf zurückziehen, dass er ja „nur Technologieanbieter“ sei.

Ausblick: Keine Weltwährung - aber Digitalgeld in einigen Ländern

Könnte ein neues Weltzahlungssystem auf den digitalen Währungen aufbauen, die derzeit in den Startlöchern stehen? Ein solches Konzept wäre aus unserer Sicht zum Scheitern verurteilt. Fehlende Unabhängigkeit bei der Geldmengensteuerung führt unweigerlich zu Fehlentwicklungen und trifft die wirtschaftliche Entwicklung der Länder, die dieser Geldpolitik unterliegen.

Gleichsam erscheint auch die Chance der Etablierung einer „Welt-Zentralbank“ äußerst unwahrscheinlich. Dies würde eine globale Einigung hinsichtlich der Weltwährungs-Steuerung und der zur Verfügung gestellten Geldmenge voraussetzen. Nicht zuletzt die Einführung des Euro hat gezeigt, dass eine geldpolitische Harmonisierung ohne einheitliche Wirtschafts- und Fiskalpolitik deutliche Verwerfungen zwischen befreundeten Staaten hervorbringen kann. Wahrscheinlicher ist, dass Zentralbanken weltweit die neuen Technologien nutzen, um einen leichteren Zugang und einen intuitiveren Umgang mit Länderwährungen zu ermöglichen. In die Diskussion über die Einführung einer digitalen Version des Euro, derzeit Zahlungsmittel für rund 340 Millionen Bürgerinnen und Bürger, kommt daher Bewegung.

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