Verkehrte (Finanz)welt

Start-ups, Anleger und die Welt post-Corona

Seite 2/2

Krise legt Aufholbedarf offen

Wir haben hervorragende Start-ups in Deutschland und zunehmend auch solche, die in den Rang von „Unicorns“ (diejenigen, die von Investoren mit mindestens einer Milliarde US-Dollar bewertet werden) aufsteigen. Mit der Pandemie wird vielen Marktteilnehmern schmerzlich bewusst, dass einige Industrien, in denen Deutschland in der Vergangenheit erfolgreich war, künftig anders aussehen werden.

Beispiele sind die Automobil- und Luftfahrtbranche sowie solche Industrien, die auf fossile Energien setzen. Gleichzeitig gewinnen neue Sektoren beziehungsweise solche, die den digitalen Wandel vorantreiben, an Wichtigkeit. Die Krise hat dies besonders stark für den Bildungs- und Gesundheitsbereich aufgedeckt, sowie für die Transformation von Arbeitswelten.

So funktionierte an einigen Schulen trotz Schließung der Unterricht, an anderen passierte dagegen wochenlang wenig bis nichts. In Ländern, die mit der Digitalisierung schon weiter sind, gibt es dagegen erfolgreiche Beispiele wo der Unterricht online ablief – nach Stundenplan mit Lehrern, etwa in der Schweiz oder Norwegen.

Auch unser Gesundheitssystem zeigt Schwächen. Wir kommen mit Corona bisher klar, weil wir große Kapazitäten und Krankenversicherung für (fast) alle haben, aber wie kann es sein, dass sich Menschen mit schwerwiegenden, nicht Corona bedingten Krankheiten nicht mehr zum Arzt trauen? Wie kann es sein, dass sich unser Versicherungssystem im Jahr 2020 noch immer windet, digitale Sprechstunden anzuerkennen?

Und letztlich haben wir gesehen, dass die Infrastrukturen für neue Arbeitswelten, übrigens auch in Behörden, und Home-Office noch keineswegs überall gegeben sind.

Startup-Förderung und Anlagechancen

Wir sollten daher jetzt sorgfältig hinschauen und dort fördern, wo es für unsere Zukunft wichtig ist. Viele Start-ups sind hochqualifiziert im Dienstleistungssektor, in KI (künstliche Intelligenz) oder Prozessoptimierung sowie den Bereichen der digitalen Ausbildung und Digital Health. Bisher sind vornehmlich internationale Investoren bereit, für neue Geschäftsmodelle entsprechende Summen in die Hand zu nehmen. Die Gefahr: Ein Abwandern von Substanz und Technologie aus Deutschland. Dies sollten wir vermeiden. Sich auf den deutschen Staat als Investor zu verlassen, kann nicht die zukunftsweisende Lösung sein. Es braucht marktwirtschaftliche Impulse und Bereitschaft seitens privater und institutioneller Anleger.

Ausblick: Nicht als Verlierer aus der Krise gehen

Die derzeitigen Profiteure der Krise sind diejenigen, deren digitale Geschäftsmodelle global skalierbar sind. Dazu zählen etwa Amazon oder der Streaming-Anbieter Netflix, dessen Aktienkurs seit Jahresbeginn um fast 40 Prozent zugelegt hat. Bereits vor der Krise zeigte sich, dass Deutschland im Vergleich mit den USA und China digital abgehängt ist. Die gesamte Marktkapitalisierung des DAX 30 lag vor der Pandemie bei knapp über 1,2 Billionen Euro – Apple alleine war mehr wert.

Mehr Offenheit und Neugier für die Themen Digitalisierung und Start-ups sollten jetzt Rückenwind bekommen. Dafür bedarf es Anlagechancen auch für kleinere Anleger sowie strategische Kooperationen mit etablierten Unternehmen. Damit können wir auch verhindern, dass SAP unser einziges – börsennotiertes – Top-Tech-Unternehmen bleibt.

Mehr zum Thema:
Profitieren statt spekulieren: Unser wöchentlicher Anlegerbrief BörsenWoche liefert Ihnen auch in der Coronakrise konkrete Anlageempfehlungen und Updates zu unseren Musterdepots. Jetzt abonnieren!

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%