Verkehrte (Finanz)Welt
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Lohnen sich jetzt Anleihen?

Lutz Röhmeyer Quelle: PR
Lutz Röhmeyer Finanzanalyst CFA

In den letzten vier Jahrzehnten fielen die Zinsen kontinuierlich und machten auch vor der Nullprozentmarke nicht halt. Zuletzt kletterten die Renditen von Bundesanleihen jedoch wieder. Lohnt sich ein Einstieg? Oder drohen Verluste?

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Einhergehend mit der Erholung der Wirtschaft von der weltweiten Coronapandemie entflammte unlängst eine Debatte über die sogenannte Reflationierung an den Kapitalmärkten. Gemeint ist damit ein Inflationsschub infolge der expansiven Konjunktur- und Notenbankprogramme. Auch wenn Leitzinsanhebungen und eine Rückführung der EZB-Anleihekäufe noch mehrere Jahre entfernt sind, haben die Zinsmärkte bereits mit steigenden Renditen auf die neue Situation reagiert. Insbesondere bei den zinssensitiven Langläufern bedeutete dies für zahlreiche Investoren im ersten Halbjahr 2021 vielfach fallende Anleihekurse. Hinzu kommt: Die finanzielle Repression, also die Reduzierung der Realverschuldung über die Geldentwertung, ist von vielen politischen Lenkern zur Krisenbewältigung durchaus gewünscht. Leider zu Lasten der Anleger.

Lange Laufzeiten besser meiden?

Jahrzehntelang war es möglich, mit Bundesanleihen trotz wegfallender laufender Zinseinnahmen über steigende Kurse Erträge zu erzielen. Dies wird angesichts der skizzierten Situation immer schwieriger. Vor allem Anleihen mit langen Restlaufzeiten sind betroffen: Anleger müssen sich damit auseinandersetzen, ob sie diese aus ihrem Portfolio verbannen oder zumindest über derivative Zinsinstrumente gegen drohende Kursverluste absichern. Das Thema Zinssensitivität, auch Duration genannt, und das aktive Management gewinnen an Bedeutung.


Bonitätsaufschläge liefern die Erträge

Die Erträge eines Anleiheinvestments kommen in diesem Szenario weniger aus dem für die Laufzeit entsprechenden Kapitalmarktzins, sondern aus dem Bonitätsaufschlag (Spread). Dieser bemisst das Risiko, dass der Emittent des Papiers in Schwierigkeiten gerät und vereinbarte Zahlungen nicht mehr vertragsgemäß leisten kann. Maßgeblich bestimmt wird der Spread durch Ratings, die von unabhängigen Agenturen wie Standard & Poor’s vergeben werden. Je schwächer das Rating, umso höher der Bonitätsaufschlag und damit die Rendite der Anleihe. Für die meisten Privatanleger ist es sehr aufwändig, einzelne Anleihen mit Einschätzungen des jeweiligen Ausfallrisikos für das Portfolio zu sondieren. Oftmals behindert zudem die sogenannte Mindeststückelung von mehreren hunderttausend Euro den direkten Erwerb. Hier können aktiv gesteuerte Investmentfonds mit breiter Streuung für Abhilfe sorgen und der Risikovermeidung dienen.

Ein Blick auf die Schwellenmärkte

Allerdings sind auch die Bonitätsaufschläge in den vergangenen Jahren sukzessive auf sehr niedrige Niveaus gesunken. Ein Ausweg könnte ein Blick auf Papiere aus Schwellenländern (Emerging Markets) sein, die in harten Währungen wie US-Dollar oder Euro ausgestellt werden. Hier beinhalten die Anleiherenditen noch immer einen Bonitätsaufschlag von rund 300 Basispunkten, was drei Prozentpunkten entspricht. Vor allem bei einer weiteren Erholung der Wirtschaft könnte es für Anleger lohnenswert sein, sich damit zu beschäftigen: Die Kurse der Anleihen profitieren dann mehr von einem weiteren Rückgang der Bonitätsrisiken, als sie weiter steigende Kapitalmarktzinsen belasten würden.

Diese gegenläufige Bewegung von Zinsen zu Bonitätsspreads wird mit dem statistischen Begriff der negativen Korrelation beschrieben.


Fazit und Ausblick

Nach einer Gewöhnung der Investoren an das durch expansive Notenbankmaßnahmen getriebene Umfeld kristallisiert sich nun eine herausforderndere Phase für Zinsanleger heraus. Trotzdem: Anleihen haben weiterhin ihre Berechtigung und bleiben ein wichtiger Bestandteil ausgewogener Portfolien. Vor dem Hintergrund der aktuell anziehenden Kapitalmarktzinsen funktioniert ein einfaches Kaufen und Halten von Anleihen jedoch nicht mehr. Zur Erzielung laufender Erträge, zur Vermeidung von Kursverlusten und zur Absicherung von Risiken ist aktives Handeln wichtiger geworden. Sparer müssen auf Erträge aus Zinspapieren jedoch nicht verzichten.

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