Nachhaltigkeit gilt als eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit. Seit der Pariser UN-Klimakonferenz (2015) nimmt das Thema über Fridays-for-Future-Demos (ab 2019), dem EU-Green Deal (ebenfalls 2019) und der UN-Klimawandel-Konferenz in Glasgow (2021) Fahrt auf. Aktuell wird uns zudem schmerzlich vor Augen geführt, wie wichtig eine umweltfreundliche, eigenständige Energieversorgung ist.
Für börsennotierte Unternehmen gewinnt in diesem Zusammenhang das sogenannte Nachhaltigkeits-Reporting an Bedeutung: Einerseits, um entsprechende, beispielsweise ökologisch motivierte Firmenaktivitäten korrekt zu dokumentieren. Andererseits kann es genau solch ein Reporting sein, das am Anfang steht. Sprich: Wer sich im Rahmen des unternehmerischen Berichtswesens mit Nachhaltigkeit beschäftigt, der schafft firmenintern Bewusstsein für das Thema und baut so sukzessive entsprechende Expertise auf.
Problem: Heterogene Regelwerke
Umfragen legen nahe: Viele Unternehmen bemängeln überbordende Regelwerke zu den Themen ESG (Environmental, Social und Governance-Kriterien) und CSR (Corporate Social Responsibility) sowie eine unübersichtliche Vielfalt neuer Initiativen zum Thema Nachhaltigkeit: Etwa vom Council for Inclusive Capitalism, dem International Sustainability Standards Board (ISSB), dem Network for Greening the Financial System (NGFS), der Task Force Climate Related Financial Disclosure (TFCD) oder der Value Reporting Foundation.
Bei der Implementierung von Nachhaltigkeitsstrukturen erschwert dies in vielen Fällen die Orientierung. Dabei gibt es in Deutschland mit dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) eigentlich bereits einen (wohlgemerkt: gesetzlich verankerten) Kompass, der auch bei der Unterscheidung zwischen Nachhaltigkeit und Greenwashing hilft.
Beispiel aus der Finanzpraxis
Der DNK umfasst pragmatische Empfehlungen für Unternehmen und Investoren. Der Kodex wurde vom deutschen Rat für Nachhaltige Entwicklung initiiert und deckt UN-Standards sowie absehbar verschärfte rechtliche Anforderungen (etwa CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz, EU-Taxonomie und das Lieferketten-Sorgfaltspflichten-Gesetz) ab. Dies wird in 20 Kriterien kondensiert, die vornehmlich Unternehmensstrategie, Umwelt, Arbeitsstandards und Gesellschaft betreffen.
Der DNK wird mithin jedoch zu selten von hiesigen Konzernen und Mittelständlern genutzt. Und dies, obwohl die Aussagekraft von Nachhaltigkeitsaktivitäten und -wirkungen auf dieser Grundlage signifikant erhöht werden kann. Etwas verkürzt: Entscheidend ist, dass Unternehmen auf ihre Organisation zugeschnittene Leistungsindikatoren und individuelle Ziele definieren.
Als Beispiel aus der Praxis sei hier Europas größter Finanzdienstleister im Bereich Kredit- und Forderungsmanagement genannt. Das Unternehmen mit Sitz in Stockholm hat im ersten Schritt, basierend auf den UN-Nachhaltigkeitszielen („SDG“), fünf (branchenspezifische) Nachhaltigkeitsbereiche für die eigene Geschäftstätigkeit identifiziert. Unter diesem Dach wurden dann firmenspezifische Ziele definiert, die unter anderem lauten: „Erstens: Nachhaltige Zahlungen ermöglichen“, „Zweitens: Vertraut und respektiert werden“ und „Drittens: Einen Unterschied machen und damit wachsen“.
Der Realisierungsgrad der Umsetzungspläne wird für die deutsche Tochtergesellschaft in einem DNK-konformen Bericht transparent abgebildet. Auf diesem Weg ist es gelungen, die Zielerreichung über die gesamte Wertschöpfungskette (inklusive Lieferanten) zu quantifizieren mit einem Ergebnis für das abgelaufene Geschäftsjahr 2021 zwischen 75 bis 125 Prozent. Im Unternehmen hat diese Fokussierung das Bewusstsein für das Thema geschärft und konkret zur Verankerung von Nachhaltigkeitskriterien in den Zielvereinbarungen der Führungskräfte geführt.
Fazit und Ausblick
Für Unternehmen wird die Offenlegung nachhaltiger Aktivitäten aus mehreren Gründen immer wichtiger: Sei es, um Zugang zu Kapital sichern. Oder, wie im Falle von Investmentfonds, bei der Berücksichtigung von ESG-Kriterien.
Transparenz, im Sinne eines gelebten Nachhaltigkeits-Reportings, kann oftmals ein erster Schritt sein, um das Themenfeld im Unternehmen zu verankern. Mithilfe des DNK ist dies strukturiert und mit relativ überschaubarem Aufwand machbar. Das Zusammentragen aussagekräftiger Fakten wirkt veränderungsinitiierend. Unternehmen schaffen so Bewusstsein für das Thema und bauen Know-how auf.
Dies zahlt sich nicht nur in Sachen Umwelt- und Arbeitsschutz, sondern auch (wiederholt wissenschaftlich belegt) ökonomisch aus: Durch geringere Risiken und Kosten (etwa deutlich sinkender Bedarf an teuren CO2-Zertifikaten) oder durch höhere Mitarbeiterzufriedenheit und bessere Kundenbindung. Und letztlich ist dies für Emittenten, institutionelle Investoren und Privatanleger gleichsam wichtig, wenn es um Nachhaltigkeitspräferenzen in der Geldanlage geht.
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