Klare Ansage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kurz vor dem Jahreswechsel: Am 22. November erklärte die Behörde sogenannte „Dark Patterns“ im Wertpapiergeschäft und in Trading Apps für unzulässig. Die Nachricht, die von vielen Marktteilnehmern wohl eher nebenbei wahrgenommen wurde, dürfte nicht unerhebliche Konsequenzen auf das Online und Mobile Banking haben.
Worum geht es genau? Nach einer Studie im Auftrag der Europäischen Kommission vom Mai letzten Jahres verwenden 97 Prozent der populärsten Websites manipulative (Design)Techniken. Dazu gehört etwa das Ausgrauen bestimmter Schaltflächen mit dem Ziel, dass diese gegenüber anderen Schnittstellen schlechter wahrgenommen werden. Bei Trading Apps wirkt sich dies etwa so aus, dass Buttons zum Abbruch oder zur Stornierung einer Wertpapiertransaktion kaum oder gar nicht sichtbar sind. Die Schaltfläche für den Geschäftsabschluss ist hingegen besonders auffällig und kontrastreich gestaltet.
Die Debatte wird nicht exklusiv auf EU-Ebene kontrovers geführt. In den USA haben Regulierungsbehörden wie die Federal Trade Commission (FTC) teilweise empfindliche Strafen gegen ähnliche „irreführende“ Praktiken durchgesetzt, darunter eine Klage gegen einen Spielehersteller in Millionenhöhe.
Nudging und Gamification
Dass die BaFin das Thema in den Bereich der europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) hebt, wirft Licht auf einen größeren Kontext. Es geht um die Frage, inwieweit Anleger bei autonomen und informierten Entscheidungen bewusst beeinträchtigt werden. Zwei Phänomene sollen genauer beleuchtet werden: einerseits das sogenannte „Nudging“. Das auf die Ökonomen Richard Thaler (Chicago University) und den Rechtswissenschaftler Cass Sunstein (Harvard Law School) zurückgehende Konzept ist in Deutschland bereits während der Amtszeit von Angela Merkel in die Öffentlichkeit gerückt. Die ehemalige Kanzlerin setze auf „sanfte Schubser“, um bestimmte Verhaltensweisen zu incentivieren.
Das Konzept lässt sich auch in die Geldanlage übersetzen: Als Anleger kann es Ihnen durchaus passieren, dass Sie auf einer Trading-Plattform mit optischen oder auditiven Anreizen konfrontiert werden. Zu den Motivationselementen gehören etwa das Läuten von Kassenglocken bei erfolgreichen Käufen und Verkäufen oder gar Funkenregen und Konfetti-Animationen bei bestimmten (Bonus)Aktionen.
Eng verbunden mit diesem Trend ist die Tatsache, dass die Zahl jüngerer Aktionäre (Altersklasse der 18- bis 35-Jährigen) in Deutschland steigt, eine eigentliche erfreuliche Entwicklung. Sich diesen Zielgruppen mit Formaten und Mechanismen zu nähern, die aus dem Bereich von Computerspielen bekannt sind („Gamification“), erscheint aus Anbietersicht wirtschaftlich aussichtsreich. Die Idee: Spieltypische Elemente, übertragen auf Wirtschaft- und Finanzthemen, finden bei den jungen Erwachsenen eine besonders hohe Akzeptanz.
Von Ebitda bis US-GAAP: Kürzel, die Anleger kennen sollten
United States Generally Accepted Accounting Principles, der Bilanzstandard der Vereinigten Staaten.
International Financial Reporting Standards. Internationaler Bilanzstandard (Anwendung in 144 Ländern). Seit 2005 in Deutschland Pflicht für den Konzernabschluss aller Unternehmen, die Anleihen oder Aktien öffentlich notiert haben.
Handelsgesetzbuch. Nach wie vor Bilanzstandard für den Einzelabschluss aller Unternehmen in Deutschland. Der Einzelabschluss umfasst weniger Töchter als der Konzernabschluss, ist aber Bemessungsgrundlage für Ausschüttungen wie Dividenden.
Geschäfts- und Firmenwerte (Goodwill) sind eine Vermögensposition in der Bilanz, die die Prämie auf die erworbenen Vermögen übernommener Unternehmen widerspiegeln
Ergebnis vor Steuern, Zinsen, regelmäßigen Abschreibungen und Sonderabschreibungen auf aufgekaufte Unternehmen (Firmenwerte/Goodwill). Schönwetterkennzahl, die keinem Bilanzstandard unterliegt. Wird von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich errechnet. Wird zudem oft auch noch bereinigt. Gewisse Aussagekraft im Verhältnis zum Schuldenstand (je geringer die Relation zwischen Ebitda zu Schulden, desto besser steht das Unternehmen da).
Ergebnis vor Steuern, Zinsen, regelmäßigen Abschreibungen. Ebenfalls eine Schönwetterkennzahl (siehe Ebitda).
Ergebnis vor Steuern und Zinsen. Kann als operatives Ergebnis (Betriebsergebnis) herhalten, falls keine außerordentlichen Zinsausgaben oder -einnahmen anfallen. Auch hier bereinigen Unternehmen gerne.
Ergebnis vor Steuern, nach Steuern ergibt sich der Nettogewinn (Jahresüberschuss) als Kernkennzahl für den Aktionär. Aus dem Jahresüberschuss errechnet sich das EPS: Ergebnis je Aktie (Earnings per Share), wenn die Anzahl der Aktien eines Unternehmens durch den Nettogewinn geteilt wird. Der aktuelle Aktienkurs geteilt durch das EPS wiederum ergibt das KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis). Irrelevant, weil oft schwierig nachvollziehbar und/oder gewinnpolitisch motiviert, sind für Aktionäre sogenannte Pro-forma-, bereinigte Gewinne oder Pro-forma-, bereinigte EPS.
Kritik und Ausblick
Unser Verbandsmitglied Florian Wedlich von der CFA Society Germany hat in einem aktuellen Kolumnenbeitrag darauf hingewiesen, dass Finanzinstitute beispielsweise die neuen ESMA-Anforderungen als Chance nutzen können, um mittels interaktiver und spielähnlicher Elemente entsprechendes Finanzwissen zu vermitteln. Genau darauf kommt es aus meiner Sicht künftig an, nämlich: Wird damit ein Beitrag zur Finanzbildung geleistet, also Financial Literacy nahbarer gemacht? Oder stellen die Initiativen auf Ergebnisse ab, von denen vor allem Finanzintermediäre profitieren und die die Idee des mündigen Anlegers eher unterminieren?
Dies passiert dann, wenn die Technologie nicht neutral, sondern mit einer bestimmten Absicht eingesetzt wird. Dann bewegen wir uns im Bereich schädlicher, rechtlich zumeist unzulässiger (psychologischer) Manipulation. Wie Verbraucherschützer, Politik und Regierungsbehörden damit künftig umgehen und ob es zu Verboten einzelner Gamification-Techniken kommen wird, dies bleibt abzuwarten. Sicherlich werden Angebote mit komplexen und hochriskanten Trading-Produkten – etwa Krypto, Devisen, Derivate – in den Fokus rücken, wenn anbieterseitig Warnhinweise fehlen oder Interessenkonflikte wissentlich intransparent gehalten werden.
Vielleicht hilft es jungen Leuten, hier in zwei (oder mehr) Kategorien von Konten zu denken. Einerseits ein Depot mit einem eher kleinen Betrag, welches von der Geschwindigkeit und Intuition moderner Brokerage-Angebote – bei hoher Trading-Frequenz – profitiert beziehungsweise deren Vorteile nutzt.
Das langfristig orientierte Portfolio und der Aufbau von Vermögen zur auskömmlichen finanziellen Absicherung im Alter sind hingegen kein Glücksspiel. Hier bedarf es Abwägungen, die selten mit einem Mausklick erfolgen. Anlegern sei empfohlen, darauf zu achten, ob die Überprüfbarkeit von Transaktionen und Risikoeinschätzungen auf einer Plattform stets gegeben sind. Übereilte oder gar mittels der Oberflächengestaltung einer Website in eine bestimmte Richtung gelenkte Entscheidungen laufen den Bemühungen um Ehrlichkeit und mehr Vertrauen im Finanzsektor zuwider. Wünschenswert wäre, wenn seriöse Anbieter die skizzierten technischen Belohnungs- und Feedbacksysteme nicht allein für kurzfristige Erfolge, sondern entlang langfristiger Ziele programmieren, damit die nächste Generation erfolgreich an den Märkten partizipieren kann.
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