Verkehrte (Finanz)welt

Kommunen spielen mit dem Feuer

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Optimistischer Umgang mit finanziellen Risiken

Doch wie sieht die Due Diligence, also die sorgfältige Risikoprüfung, bei den Kommunen aus, die sich auf „Carry Trades“ einlassen? Haben sie überhaupt die nötige Expertise, die Zeit und die Erfahrung, ganz zu schweigen von den Werkzeugen, die helfen, den Schuldner und sein Kreditansuchen risikomäßig zu beurteilen und vor allem auch zu bewerten? Je höher das Risiko, desto höher muss der Risikoaufschlag und damit der Zins ausfallen.

Um sich das Risiko vor Augen zu führen, genügt ein einfaches Beispiel. Nehmen wir an, eine Kommune hat Kredite bei ihrer Hausbank über insgesamt 100 Millionen Euro aufgenommen. Darauf bezahlt die Kommune einen Zins von zwei Prozent p.a. bei endfälliger Tilgung in zehn Jahren. Diese 100 Millionen Euro investiert die Kommune in zehn verschiedene Schuldscheindarlehen zehn unterschiedlicher Unternehmen, jeweils über zehn Millionen Euro und zehn Jahre.

Der Einfachheit halber nehmen wir an, die Kommune erhält auf jedes der Schuldscheindarlehen einen Zins von vier Prozent jährlich, ebenfalls mit endfälliger Tilgung in zehn Jahren. Macht also eine Zinsdifferenz von zwei Prozent auf 100 Millionen Euro, insgesamt also jährlich zwei Millionen Euro an Nettozinseinnahmen für die Kommune.

Und das über zehn Jahre. Jedes Jahr wieder und wieder zwei Millionen Euro für die kommunale Kasse. Wie schön, denken Sie jetzt, kann ich das auch machen? Aber halt, nicht so schnell! Denn was passiert, wenn einer der Schuldner der Schuldscheindarlehen plötzlich insolvent wird? Dann stehen den 100 Millionen Euro an Kredit plötzlich nur noch 90 Millionen Euro an Forderungen aus den Schuldscheindarlehen gegenüber. Zudem reduzieren sich die jährlichen Nettozinseinnahmen. Ab dem zweiten Ausfall sinken wir in unserem Beispiel bereits in den Bereich einer negativen Gesamtrendite ab, die Schuldscheindarlehen werden zum Minusgeschäft.

Hohe Qualitätsanforderungen an Schuldscheindarlehen gefordert

Ein warnendes Beispiel liefert uns der Markt für Mittelstandsanleihen, der aufgrund hoher Ausfallraten großteils zum Erliegen gekommen ist. Ein wenig erinnert die Situation an die Zeit der Zinsswaps, die viele Kommunen vor gut zehn Jahren als sogenannte „Zinsvergünstigungsstrategien“ eingegangen waren. Die großen Zeiten der kommunalen Zinsswaps sind heute vorbei.

Geblieben ist weiterhin die finanzielle Not vieler Städte und Kommunen. Und damit eine gewisse Anfälligkeit für schöne Versprechungen, wie man schnell, einfach und kostenlos zu einer kleinen Extraeinnahme kommen kann. Der Carry Trade ist aber alles andere als risikolos. Solange es keine Ausfälle bei den Schuldscheindarlehen gibt, läuft dieses Zinsspiel.

Die ersten, schönen Zinseinnahmen, die netto Geld in die leere Kasse spülen, motivieren zu weiteren Geschäften. Was aber, wenn die ersten Ausfälle kommen? Ein Spiel mit dem Feuer.

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