Verkehrte (Finanz)welt
Private Debt: Fluch oder Segen für die Unternehmensfinanzierung? Quelle: dpa

Private Debt trifft einen Nerv bei Investoren

Private Debt ist eine der weltweit am schnellsten wachsenden Anlageklassen. Kritiker warnen bereits vor ruinösem Wettbewerb und einer Blase. Dabei bieten private Kreditfonds gerade kleineren Unternehmen Chancen.

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In den vergangenen zwei Jahren ist unter institutionellen Anlegern ein wahrer Hype um die Anlageklasse Private Debt entstanden. Damit sind Kreditfonds gemeint, die außerhalb des Kapitalmarkts anstelle von Banken Fremdkapital für die Unternehmensfinanzierung bereitstellen. Zur Zielgruppe zählen Unternehmen, die sich mithilfe von Banken nur schwer finanzieren könnten, also unter anderem solche mit schwächerer Bonität (Sub-Investment-Grade) und Restrukturierungsbedarf oder stark wachsende Firmen mit anstehenden Sprung-Investitionen. In diesen Situationen sind Bankkredite für die Firmen kaum zu bekommen, da sie den strengen Anforderungen der Institute nicht entsprechen.

Teurer als ein Bankkredit, aber zugänglicher

Private Debt kann in diesen Konstellationen Lösungen liefern, da sie häufig besichertes Fremdkapital mit einer Tranche unbesicherten Nachrangkapitals in einer sogenannten „Unitranche“ kombinieren. Freilich können diese Kredite aufgrund des vergleichsweise höheren Risikos mit einer klassischen Bankfinanzierung kostenmäßig nicht konkurrieren. Während Unternehmenskredite von Banken je nach Rating mitunter schon zu Zinssätzen von weniger als zwei Prozent gewährt werden, verlangen Kreditfonds in der Regel eine Zinsmarge von mehr als sechs Prozent von den Firmen. Trotzdem: Für ein Unternehmen, das etwa durch eine Restrukturierung eine zweite Chance erhält, stehen Kosten und Nutzen hier durchaus im Verhältnis.

Gesamtvolumen Corporate Private Debt-Fonds in DeutschlandQuelle: Preqin 2018, BAI 2019

Gleichzeitig trifft die Kombination aus einem attraktiven Rendite-Risiko-Profil, planbaren Mittelzuflüssen und einer niedrigen Korrelation mit anderen Anlageklassen im aktuellen Zinsumfeld einen Nerv bei den Investoren: Weltweit hat sich das investierte Kapital in dieser Anlageklasse seit 2008 von 242 Milliarden Dollar auf 665 Milliarden Dollar fast verdreifacht. In Deutschland sind die Kapitalzusagen im gleichen Zeitraum sogar um 360 Prozent von 3,8 Milliarden Dollar auf 17,5 Milliarden Dollar gestiegen. Dies macht Private Debt zu einer der weltweit am schnellsten wachsenden Anlageklassen.

Um das neue Produkt schnell im Markt zu etablieren, haben sich die Kreditfonds zunächst auf den Markt für Akquisitionsfinanzierungen fokussiert. Gerade im aktuellen Umfeld mit hohen Firmenbewertungen und hohen Kaufpreisen sind die Unitranchen hier für Beteiligungsgesellschaften interessant, weil die nachrangige, unbesicherte Komponente eine insgesamt höhere Verschuldung ermöglicht. Die Käufer müssen daher weniger Eigenkapital einsetzen und können so ihre Rendite maximieren. Schätzungen zufolge kam Private Debt 2018 in Deutschland bereits bei rund 50 Prozent der Firmenübernahmen im Mittelstand zum Einsatz.

Angst vor der Blase

Diese Dominanz von Private Debt ist nicht allen geheuer. Angesichts des hohen Anlagedrucks durch immer mehr Marktteilnehmer sowie zig Milliarden Euro zugesagter Mittel warnen Kritiker bereits vor einer neuen Blase. Sie verweisen dabei auf die Risiken, die durch immer aggressivere Konditionen und Strukturen entstehen, mit denen Kreditfonds um Neugeschäft kämpfen. So erreichten die Fremdfinanzierungsquoten (Leverage) bei Akquisitionsfinanzierungen 2018 mit dem mehr als fünffachen des operativen Gewinns (Ebitda) bereits wieder ähnliche Sphären wie vor der Finanzkrise 2008.

Dies schürt die Sorge vor einem Anstieg der Kreditausfälle bei einer Abkühlung der Konjunktur. Zugleich fehlen historische Daten, wie Kreditfonds eine solche Krise durchstehen können. Allerdings ist das „systemrelevante“ Risiko dieser Anlageklasse immer noch gering. Denn trotz des rasanten Wachstums in jüngeren Jahren, sind allein die weltweiten Anleihemärkte nach wie vor mehr als hundertmal so groß wie der Private-Debt-Markt.

Außerdem halten sich die Übertreibungen in Deutschland, verglichen mit dem internationalen Umfeld, noch in Grenzen. Beispielsweise halten die Fonds hierzulande überwiegend an angemessenen Gläubigerschutzklauseln (Covenants) fest, wie zum Beispiel der Festlegung von Grenzwerten für den Verschuldungsgrad.

Zu klein für die Großen, zu groß für die Kleinen

Auf der anderen Seite spricht einiges dafür, dass Private Debt mehr ist als eine Eintagsfliege. Denn das Finanzierungsumfeld hat in den vergangenen Jahren einen drastischen Wandel durchlaufen: Als Konsequenz aus der Finanzkrise von 2008 gelten für Banken striktere Regeln (Basel III) sowie verschärfte Eigenkapitalvorgaben. Dies führt zu einem Rückzug der Banken aus riskanteren Geschäftsbereichen.

Gleichzeitig hat eine Konsolidierungswelle den Bankensektor erfasst und dafür gesorgt, dass inzwischen – auch ohne eine Fusion von Deutsche Bank und Commerzbank – deutlich weniger Kreditinstitute zur Verfügung stehen, um Unternehmen zu begleiten. Insbesondere bei Firmen mit geringerer Bonität entsteht dadurch schnell eine kritische Finanzierungslücke.

Es ist daher kein Zufall, dass es sich bei rund zwei Dritteln der Kreditnehmer im deutschen Private-Debt-Markt um „klassische“ Mittelständler mit einem operativen Jahresgewinn von fünf bis 25 Millionen Euro handelt. Diese Unternehmen sind in der Regel zu klein für die Großbanken, zu groß für regionale Kreditinstitute und ohne Zugang zum Kapitalmarkt als Bankenalternative. Und so positionieren sich Kreditfonds hier verstärkt als Problemlöser für Spezialsituationen: Unternehmensnachfolge, Wachstum oder Restrukturierungen. Denn in Konstellationen, in denen nicht allein der niedrigste Zinssatz entscheidet, kann Private Debt seine wahren Stärken ausspielen: Schnelligkeit durch kurze Entscheidungswege, eine effiziente Abwicklung sowie eine hohe Flexibilität bezüglich der Kreditlaufzeit und Tilgungsstruktur.

Also alle Ampeln auf Grün in Sachen Private Debt? Eher nicht. Denn ohne Wachstumsschmerzen an der einen oder anderen Stelle wird die Branche die derzeitige Professionalisierungsphase wohl kaum überstehen. Es steht eine spannende Zeit bevor, in der sich der Markt nach dem ersten Hype konsolidiert und die Kreditausfallraten steigen. Professionelle Anleger mit einem ausreichend diversifizierten Portfolio sollten eine etwaige Korrektur im Bereich Kreditfonds problemlos verkraften können. Wenn sie dann auch noch genügend Ausdauer mitbringen, um eine solche Durststrecke durchzustehen, sind die Aussichten gut, dass Kreditfonds sich langfristig als kleine Schwester des Anleihenmarkts und Finanzierungsspezialisten für besondere Fälle für den Mittelstand etablieren können.

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