Verkehrte (Finanz)welt
Die Schaufenster-Taktik: Wie Fonds ihre Portfolios zum Jahresende aufpolieren. Quelle: Getty Images

Schaufenster-Taktik: Wie sich Fonds hübsch machen

Ab November werden viele Fonds ihr Portfolio optisch attraktiver machen, indem sie sich von Verlustbringern trennen und Börsenstars kaufen. Warum diese Kosmetik durchaus gut für Anleger ist und wie diese sie erkennen.

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„Die Welt urteilt nach dem Scheine“ – Was Johann Wolfgang von Goethe vor 200 Jahren schon feststellte, hat auch an den Kapitalmärkten von heute noch Bestand. Besonders deutlich zeigt sich das an der für Fonds gängigen Praxis des „Window Dressing“. Darunter versteht man das „Hübsch-Machen“ der jährlichen Rechenschaftsberichte und Einzeltitelausweise von Aktienfonds mittels gezielter, taktisch motivierter Käufe und Verkäufe zum Jahresende. Fonds lassen ihr Portfolio schöner aussehen, als es tatsächlich war, ist oder mittelfristig sein wird, indem sie strategisch die „Gewinneraktien“ des laufenden Jahres kaufen oder „Verliereraktien“ abstoßen. Denn wer kauft schon gerne einen Fonds, der zwei, drei der größten „Jahresverlierer“ im Portfolio hat?

Die Gewinner ins Töpfchen, die Verlierer ins Kröpfchen

Ein klassisches Beispiel für die „Gewinnerstrategie“ war die Hereinnahme der Lufthansa-Aktie im Jahr 2017. Nach drei sehr guten Quartalen mit über 92 Prozent Kursgewinn stieg die Aktie im Schlussquartal weiter und verzeichnete einen erneuten Wertzuwachs von 58 Proeznt gegenüber Jahresanfang. Der weitestgehend stetige Anstieg des Gesamtjahres lag somit bei 150 Prozent für die Lufthansa-Aktie.

Anders verhielt es sich beim deutschen Leitindex Dax: Er verzeichnete zwar vom 1. Januar bis zum 30. September 2017 ebenfalls einen respektablen Wertzuwachs von etwa 12 Prozent, im Schlussquartal aber gab es keinen weiteren nennenswerten Anstieg. Während die kumulierten Börsenumsätze der anderen Dax-Unternehmen also im Vergleich zu den drei Vorquartalen weitestgehend stabil blieben, stiegen die Umsätze der Lufthansa noch einmal weiter. Nach dem 15. Januar 2018 ging es mit der Lufthansa-Aktie jedoch wieder runter. Was steckt hinter diesem Jahresendspurt?

GewinnerstrategieLufthansa vs. DAX im Bullenjahr 2017Quelle: www.boerse-frankfurt.de, eigene Darstellung

Eine mögliche Antwort scheint im Window Dressing der Fondsgesellschaften zu liegen. Sie setzen am Jahresende bewusst auf Börsen-Überflieger, um den Ausblick des eigenen Portfolios attraktiver erscheinen zu lassen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Herauswerfen der Verliereraktien. Im schlechten Aktienjahr 2018 verlor der Dax im Jahresverlauf 18 Prozent. Am schlechtesten schnitten dabei die Papiere der Deutschen Bank und Polymer-Hersteller Covestro ab mit einem Jahresverlust von 56 bzw. 50 Prozent. Bei Covestro war ein ähnliches Phänomen zu beobachten wie bei der Lufthansa im Jahr zuvor, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: Während der Dax relativ betrachtet 45 Prozent seines Jahresverlusts im Schlussquartal einfuhr, waren es bei Covestro sogar 62 Prozent des Jahresverlusts im gleichen Zeitraum. Auch hier liegt die Schlussfolgerung nahe, dass einige Fondsmanager diese Aktie zum Stichtag lieber nicht im Portfolio sehen wollten – und das ganz unabhängig von der Einschätzung, ob eigentlich Potenzial darin steckt oder nicht.

Fokus auf das vierte Quartal

Diese Beispiele weisen darauf hin, dass der „Schaufensterputz“ im vierten Quartal durchaus gängige Praxis ist. Denn nicht zuletzt fällt das Vermarkten eines Fonds am Bankschalter deutlich leichter, wenn man unbedarften Kunden ein Portfolio mit den Börsen-Stars im Rechenschaftsbericht der Kapitalanlagegesellschaft unter die Nase halten kann. Nur bedeutet das eben nicht, dass diese Fonds schon von Beginn an den richtigen Riecher für die Gewinner hatten.

VerliererstrategieCovestro vs. DAX im Bärenjahr 2018Quelle: www.boerse-frankfurt.de, eigene Darstellung

Leider ist es indes nicht ganz einfach, die „Schaufenster-Taktik“ zu erkennen. Besonderes Augenmerk sollten Anleger dabei auf die Phase ab dem 30. Oktober legen, da die Berichtssaison der Konzerne für das dritte Quartal bis Mitte November weitestgehend abgeschlossen und damit auch die Wahrscheinlichkeit von Kursausschlägen aufgrund überraschender Zahlen der Konzerne geringer ist. Ein Ausstieg aus der Strategie wird logisch oftmals zum 15. Januar des Folgejahres erfolgen, da die entsprechenden Positionen dann in den Rechenschaftsberichten der Fondsgesellschaften festgehalten sind. Ihr Zweck ist also erfüllt. Außerdem kehrt bis dahin die über die Weihnachtsfeiertage generell deutlich abflauende Börsenliquidität zurück, und die ersten Jahresabschlusszahlen (der Aktiengesellschaften) werden veröffentlicht.

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