Nachhaltigkeit ist ein Megatrend schlechthin. Am Kapitalmarkt findet man unzählige Produkte, die diesem Trend folgen. Das Problem: Die Konzepte, etwa ESG-, Impact-, SDG- oder Ökofonds, sind nur schwierig miteinander vergleichbar. Die am 10. März in Kraft getretene Offenlegungsverordnung der Europäischen Union soll daher Abhilfe schaffen. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) gehört zum EU-Aktionsplan, mit dem die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verfolgt werden.
Grob lassen sich drei zentrale Nachhaltigkeitsziele unterteilen:
1. die Neuausrichtung der Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen,
2. die Einbeziehung der Nachhaltigkeit in das Risikomanagement sowie
3. die Förderung von Transparenz und Langfristigkeit.
Neben der Taxonomie (EU-Klassifizierungssystem für Nachhaltigkeit) werden mit der SFDR wesentliche regulatorische Leitplanken und Transparenzpflichten für Finanzmarktteilnehmer festgesetzt. Fondsgesellschaften wie auch Finanzberater müssen künftig angeben, wie sie - sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Produktebene - mit dem Thema Nachhaltigkeit umgehen. Marktteilnehmer, die weder die Risiken noch die negativen Auswirkungen von Investitionsentscheidungen berücksichtigen (Principal Adverse Impacts), müssen dies ausreichend begründen („comply or explain“-Prinzip).
Um Greenwashing zu unterbinden, sollen Anlageprodukte nur das enthalten, was auch draufsteht. Konkret: Jeder Produktanbieter muss darlegen, inwieweit Nachhaltigkeitsrisiken im Investmentprozess berücksichtigt und welche Daten zur Bewertung von ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) verwendet werden.
50 Shades of Green
Auswertungen des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) legen nahe, dass das Fondsvermögen nachhaltiger offener Fonds in Deutschland im Jahr 2020 um 29 Prozent auf 147 Milliarden Euro angestiegen ist. Zum Vergleich: Das Volumen konventioneller Fonds hat um drei Prozent zugenommen. Viele der nachhaltigen Produkte sind mit neuen Definitionen, Strategien und Anlagezielen ausgestattet. Die SFDR soll hier durch eine Harmonisierung ansetzen. Ab sofort wird daher unterschieden zwischen
a) „hellgrünen“ Produkten nach Artikel 8, die ökologische oder soziale Merkmale bewerben (ESG-Fonds),
b) „dunkelgrünen“ Produkten nach Artikel 9, die nachhaltige beziehungsweise zukunftsfähige Investitionen anstreben sowie
c) sonstigen Finanzprodukten gemäß Artikel 6.
Doch vieles bleibt noch im Unklaren. Beispiel: Wenn einige Artikel-8-Fonds auch wirkungsorientierte, nachhaltige Ziele verfolgen, gibt es dann folglich hellgrüne und noch etwas grünere Fonds dieser Kategorie? Oder müssten diese Fonds dann den Artikel-9-Fonds zugerechnet werden? Unklar bleibt ebenso, ob ein Artikel-9-Fonds automatisch ein Impact Fonds ist, also einer mit einer besonderen ethischen oder ökologischen Wirkung, und inwieweit sich diese tatsächlich bemessen lässt.
Die unterschiedliche Auslegung mag in der Übersetzung der SFDR aus der englischen Originalfassung in die vielen europäischen Sprachen begründet sein. Auf den Webseiten der Fondsgesellschaften und in den dort veröffentlichten Prospekten zeigt sich, dass der Raum für Interpretation (noch) sehr groß ist. Besonders auffällig ist das relativ niedrige Angebot an Artikel-9-Fonds: In dieser Kategorie finden sich bei den Anbietern einige ESG-Themenfonds, Green Bond Fonds sowie Impact Fonds mit Fokus auf SDG (Sustainable Development Goals), jedoch ist deren Anzahl gegenüber Artikel-8-Fonds klein.
Die Komplexität der Anforderungen, die fehlende Trennschärfe und die teilweise noch unklare Umsetzung treibt viele Fondsanbieter dazu, ihre Produkte vorerst als Artikel-8-Fonds einzustufen mit der Hoffnung auf baldige Klarstellungen. Zu diesen Herausforderungen zählt auch die Pflicht zur Messbarkeit der jeweiligen nachhaltigen Ergebnisse: Vielen Häusern fehlen schlicht die Daten und Kennziffern, um die Wirkung des Fonds abzubilden.
Per 10. März wurde der erste Teil der SFDR-Vorgaben verbindlich, der die skizzierten Artikel 6, 8 und 9 umfasst. Risiken und etwaige negative Auswirkungen von Investitionsentscheidungen müssen ab dem 30. Juni von den Anbietern offengelegt werden. Die regelmäßige Berichterstattung folgt zum 1. Januar 2022.
2022 und 2023 kommen weitere Maßnahmen hinzu, etwa eine Benchmarkverordnung sowie die Ergänzung von MiFid II um Nachhaltigkeitsvorgaben.
Anleger sollten damit rechnen, dass Neuklassifizierungen auch kurzfristig auf der Agenda stehen – die überwiegende Mehrheit der Produktanbieter kommt nicht daran vorbei, sich nach den erhofften Klarstellungen seitens der Politik mit diesem Thema zu beschäftigen. Auch wenn vieles noch unausgereift und verwirrend erscheint, so ist die Ausrichtung der Marktstrukturen auf langfristige, nachhaltige Investitionen nicht mehr aufzuhalten.
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