Verkehrte (Finanz)welt
Quelle: imago images

Vorsicht vor „Killer Acquisitions“

Venture Capital ist für zahlreiche Anleger eine spannende Assetklasse. Damit sie funktioniert, müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Problematisch wird es, wenn Innovationen verfrüht abgewürgt werden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Der Geschäftsklimaindikator für die Finanzierung von Start-ups, der von der Förderbank KfW und dem Branchenverband BVK erstellt wird, beendete das Jahr 2021 auf seinem bisherigen Höchststand. Und auch die Zahl der sogenannten „Einhörner“, also der nicht börsennotierten Firmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde US-Dollar, ist derzeit innerhalb Europas nur in Großbritannien höher als bei uns.

Scheint fast so, als sei es um den Innovationsstandort Deutschland und die hiesige Gründerkultur gar nicht so schlecht bestellt. Allerdings gibt es aus Anlegersicht und aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive weltweit auch ungesunde Entwicklungen. Dabei rücken sogenannte „Killer Acquisitions“ in den Fokus internationaler Aufsichtsbehörden.

Innovationshemmende Übernahmen

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht vor, dass sich Deutschland innerhalb der EU für eine Anpassung der Fusionskontrolle zur Unterbindung innovationshemmender strategischer Aufkäufe potenzieller Wettbewerber einsetzt. Gemeint sind mit diesen sogenannten „Killer-Acquisitions“ solche Aufkäufe, mit denen etablierte Firmen gezielt potenzielle Wettbewerber übernehmen, um ihre Produkte beziehungsweise Services einzustellen.

von Martin Gerth, Matthias Hohensee

Das Thema ist hochaktuell. Auslöser der Diskussion sind die zunehmenden Unternehmensübernahmen durch Internetgiganten wie Google, Apple, Facebook und Amazon. Marktbeobachter gehen davon aus, dass US-Big-Techs mehrere Hundert Akquisitionen in den vergangenen Jahren getätigt haben.

Bedenkliche Zahlen

In den USA sind die Wettbewerbsbehörden aktiv geworden. Bereits 2018 hat die Federal Trade Commission das Thema adressiert und ein Jahr später die Technology Enforcement Division gegründet, welche wettbewerbsfeindliche Verhaltensweisen in der digitalen Ökonomie untersucht. US-Präsident Joe Biden machte im vergangenen Jahr per Executive Order klar, dass seine Regierung das Wettbewerbsrecht auch bei Übernahmen gerade erst entstehender Konkurrenten durch dominante Internetplattformen durchzusetzen gedenkt.

Lesen Sie auch: 7 Antworten auf drängende Finanz-Fragen

„Killer Acquisitions“ verfolgen vornehmlich das Ziel, Start-Ups zu eliminieren, bevor diese überhaupt zu Rivalen werden. Oftmals werden diese Praktiken daher auch als „Shoot-out Acquisitions“ bezeichnet. Noch treffender dürften die Bezeichnung „Pre-emptive Mergers“ sein. Etablierte Unternehmen scheinen damit auf Herausforderungen reagieren zu wollen, die Innovationen durch Wettbewerber mit sich bringen.

Schumpeter hat dies bereits 1942 mit dem Begriff der „schöpferischen Zerstörung“ umrissen. Aus kartellrechtlicher Sicht können Killer Akquisitionen bedenklich sein, wenn sie zu horizontalen Effekten führen, indem sie einen potenziellen Konkurrenten eliminieren. Oder wenn sie als digitale Konglomerate nicht-horizontale Auswirkungen haben, wenn mit ihnen der Ausbau einer Plattform in einen benachbarten Markt erfolgt.

von Julia Groth, Niklas Hoyer, Heike Schwerdtfeger

Colleen Cunningham von der London Business School und weitere Forscher stellen in einer Arbeit aus dem Jahr 2021 fest, dass circa 5,3 bis 7,4 Prozent der von ihnen untersuchten Übernahmen pro Jahr dem Typ der „Killer Acquisitions“ entsprechen. Elena Argentesi von der Universität Bologna und ihre Forscherkollegen kommen in ihrer Analyse zu dem Schluss, dass das durchschnittliche Firmenalter der von ihnen untersuchten Akquisitionen von Amazon 6,5 Jahre beträgt. Im Falle von Google sind es 4 Jahre, bei Facebook sogar nur 2,5 Jahre.

Innovationstätigkeit (zu früh) gestoppt

Welche Konsequenzen hat dies nun für das Gründerland Deutschland? Was bedeutet es für potenzielle Exit-Kanäle von Private Equity- und Venture Capital-Investitionen? Und welche Implikationen hat dies für diejenigen, die sich mittels Wagniskapitals oder über andere Finanzierungskanäle am Wachstum und wirtschaftlichen Erfolg von Start-ups beteiligen möchten?

Zunächst einmal ist festzustellen, dass Fusionskontrolle nicht direkt mit einer Untersagung gleichzusetzen ist. Tatsächlich untersagte beispielsweise das Bundeskartellamt im Jahr 2020 keine einzige Fusion. Vielmehr kann eher angenommen werden, dass sich eine hohe Konzentration marktbeherrschender Player und vermachtete Marktstrukturen als hemmend für junge Entrepreneure und Start-Ups auswirken, wenn sich unternehmerisches Engagement und Investitionen von vornherein gar nicht erst lohnen.

Ausblick

Gerade Deutschland, als relativ rohstoffarmes Land, ist daran gelegen, die Innovationsfähigkeit seiner Volkswirtschaft zu fördern. Bereits im Jahr 2017 wurde hierzulande die sogenannte Transaktionswertschwelle im Rahmen der Fusionskontrolle eingeführt. Damit wird, unter bestimmten Voraussetzungen, die Kontrolle solcher Transaktionen ermöglicht, in denen umsatzschwachen Unternehmen relativ hohe Kaufpreise gegenüberstehen.

Baufinanzierung Die große Zinswette: So können Sie beim Hauskauf Geld sparen

Wer jetzt bei der Immobilienfinanzierung ins Risiko geht, kann mehrere Zehntausend Euro sparen. Es gibt aber auch eine Alternative für Vorsichtige. Ein Überblick.

Digital Industries Aufruhr in der Vorzeigesparte von Siemens

Bei Siemens Digital Industries wächst die Unzufriedenheit über Fehlentscheidungen des zuständigen Siemens-Vorstands Cedrik Neike. Profiteur ist der Rivale Schneider Electric, der immer mehr Siemens-Topmanager einsammelt.

Der große Gehaltsreport 2023 Jeder ist käuflich – doch der Preis variiert stark

Für viele Beschäftigte ist Geld das Wichtigste. Was Firmen ihren Talenten jetzt bieten müssen und wie Sie am meisten für sich herausholen.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Bei der jüngsten Aktualisierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (2021) hat der Gesetzgeber angeführt, dass Forschung und Innovation eng verbunden sind mit der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Es ist zu begrüßen, wenn Wettbewerbsbehörden weltweit zunehmend ein noch wachsameres Auge auf Transaktionen haben, die Innovationen behindern könnten.

Der Beitrag gibt die persönliche Auffassung des Autors wieder, die nicht notwendigerweise mit der des Bundeskartellamts übereinstimmt.

Lesen Sie auch: Wie die Regierung Innovationen „Made in Germany“ halten will

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%