Verkehrte Finanzwelt
Die Inflation steigt Quelle: imago images

Was Anleger gegen Inflation und Zinswende tun können

Wer langfristig anlegt, will des Ersparte erhalten und mehren. Die anziehende Inflation macht das zunehmend schwieriger. Für die aktuelle Anlegergeneration ist das eine neue Situation. Was sie dagegen tun kann.

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Offiziell darf die Inflation laut Zielen der europäischen Notenbank (EZB) jährlich zwei Prozent betragen. Die Teuerung liegt derzeit aber deutlich darüber. Drei bis sechs Prozent beträgt die Preisdynamik, je nachdem auf welchen Index man schaut. Schon bei zwei Prozent verlieren Ersparnisse oder Altersvorsorgegelder im Lauf von 35 Jahren die Hälfte ihres Wertes. Rechnet man mit einer Inflationsrate von drei Prozent, bleibt am Ende dieses Zeitraums nurmehr ein Drittel des ursprünglichen Vermögens. Anleger sollten sich für die Planung ihrer Altersvorsorge mit der katastrophalen Langzeitwirkung erhöhter Inflationsraten vertraut machen. Man hat es praktisch mit der Umkehrung des Zinseszinseffekts zu tun.

Gold als Alternative zu Aktien und Anleihen

Solide Aktienwerte sind daher ein unverzichtbarer Baustein für die Vermögensallokation. Jedoch werden Marktbeobachter aufgrund historisch hoher Bewertungen (gemessen an den KGVs) vorsichtiger. Zudem stützt sich die Aufwärtsbewegung auf immer weniger Titel. Und Staatsanleihen? Langlaufende Papiere sind bis auf weiteres keine gute Anlage, solange nicht klar ist, wohin der Inflationsanstieg führt und wie die Zinsen steigen.

(Wie Sie Ihr Aktiendepot fit für die Zinswende machen, erfahren Sie hier.)

Um ihre Ersparnisse vor der Inflation zu schützen, suchen Anleger daher verstärkt nach alternativen Sachwerten. Seinen Ruf als Krisengewinnler hat Gold sich verdient: Gegenüber dem breiten Aktienmarkt verzeichnete das Edelmetall in der Vergangenheit fast immer einen Anstieg, je mehr sich unter Investoren Unsicherheit ausbreitete. Diese negative Korrelation hielt jedoch meist nur ein bis zwei Jahre. Zudem verharrt der Goldpreis seit einigen Wochen und scheint auf die Inflationsdaten kaum zu reagieren. Dennoch ist Gold ein guter Stabilisator und Wertspeicher. In den USA allokieren große Pensionsfonds inzwischen gut ein Viertel in alternativen Vermögensklassen wie Gold und verbessern damit die risikoadjustierten Renditen ihrer Anlagegelder.

Kryptowährungen: Chance oder Risiko?

Von Kryptoinvestments versprechen sich Anleger ein neues Instrument gegen die Geldentwertung. Anhänger der als Währungen konzipierten Assets sehen in ihnen das digitale Äquivalent zu Gold. Dahinter steht die Idee einer Knappheit. Die Anzahl der Bitcoins im Umlauf ist auf 21 Millionen begrenzt, während die Menge umlaufender US-Dollars typischerweise im Laufe der Zeit steigt. Der gesamte Handelswert etablierter Digitalmünzen belief sich im vierten Quartal des vergangenen Jahres in der Spitze auf drei Billionen US-Dollar. Mit diesen Volumina werden Kryptowährungen auch von professionellen Investoren ernstgenommen. Die Frage, ob Bitcoin, Ether und Co. das eigene Vermögen tatsächlich vor Inflation schützen, ist bislang anhand der Praxis schwer zu beantworten. Tatsächlich schwanken ihre Kurse gegenüber dem US-Dollar noch extremer als spekulative Aktien. Als zentrales Kaufargument für Kryptowerte hört man immer wieder, sie böten eine private Alternative zum zentralbankgesteuerten Geldsystem. Während unser sogenanntes Fiat-Geld anscheinend beliebig vermehrt wird, stünde beispielsweise mit dem Bitcoin ein dezentral verwaltetes Zahlungsmittel zur Verfügung, das nicht von staatlichen Institutionen abhängig ist. Auf einen Zusammenbruch des herrschenden Finanzsystems zu setzen, ist eher eine Glaubensfrage als eine Investmententscheidung. Aber nur so lässt sich erklären, warum Käufer die enormen Kursschwankungen dieser neuen Anlagekategorie akzeptieren.

Ausblick: Zunehmende Bedeutung alternativer Sachwerte

In langfristige Szenarien sollten Anleger die Option einer Digitalisierung des Geldes miteinbeziehen. Sie ist sogar sehr wahrscheinlich. Alle wichtigen Notenbanken arbeiten mit Hochdruck an entsprechenden Projekten. Damit verbunden ist immer auch der Zweifel, ob private Zahlungsmittel wie Bitcoins im offiziellen Wirtschaftskreislauf überhaupt Platz finden. Es ist zu erwarten, dass ihre Funktion als Zahlungsmittel eingeschränkt wird. Als Vermögensklasse ist ihre Wertbestimmung komplex und von der Gestaltung des jeweiligen Coins abhängig.

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Privatvermögen sollten breit aufgestellt und über verschiedene Kategorien gestreut werden. Dazu könnte man Gold und seriöse Krypto-Coins zusammen mit anderen aktiven Sachwerten wie Aktien kombinieren. Exotische oder sehr neuartige Vermögenswerte taugen eher als Beimischung. Hier sollte man sich an der Umsicht professioneller Investoren orientieren. Die Erfahrung hat gezeigt: Diversifikation ist über lange Zeiträume der „Vermögensretter“ schlechthin. Geldanlage bedeutet nicht, ausschließlich Gewinner im Depot zu haben. Es bedeutet, die unterschiedliche Zyklik verschiedener Märkte für sich zu nutzen. Heutzutage haben auch private Anleger Zugang zu einer breiten Palette an Instrumenten. Sie sollten ihre Möglichkeiten ausschöpfen.

Zur Person: Carmen Weber, CFA, ist Mitglied der CFA Society Germany und Inhaberin der Beratungs- und Kommunikationsagentur Invest in Trust GmbH mit Fokus auf Assetmanager und börsennotierte Gesellschaften. Zuvor war sie über 25 Jahre im Portfoliomanagement bei der DWS und dem Bankhaus Metzler für internationale Aktien- und Balanced-Mandate verantwortlich.

Mehr zum Thema: Bald könnten auch die Löhne zum Inflationstreiber werden

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