Verkehrte (Finanz)Welt
Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet an Plänen für eine eigene Digitalwährung, den elektronischen Euro (E-Euro). Quelle: imago images

Wem gehört die Zukunft: E-Euro oder Kryptowährung?

Die Europäische Zentralbank will noch vor der Sommerpause ihre Entscheidung zum E-Euro vorlegen. Dies kann als Antwort auf den Vormarsch nichtstaatlicher Kryptowährungen interpretiert werden. Verschiedene Interessen prallen aufeinander. Von einer Änderung des Geldsystems wären alle Marktteilnehmer betroffen.

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In den vergangenen Wochen haben die Kurse der Kryptowährungen, allen voran des Bitcoin, Kapriolen geschlagen. Von knapp 30.000 US-Dollar zu Beginn des Jahres stieg der Kurs, angefeuert unter anderem durch Tweets des Unternehmers Elon Musk, bis auf den bisherigen Höchstkurs von fast 65.000 US-Dollar Mitte April, um im Juni genauso schnell wieder auf unter 30.000 US-Dollar zurückzufallen.

Regierungen und Notenbanken betrachten die Entwicklung nichtstaatlicher Kryptowährungen sehr kritisch, während Geschäftsbanken ihre Services rund um Kryptowährungen auszubauen beginnen. Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet daher an Plänen für eine eigene Digitalwährung, den elektronischen Euro (E-Euro). Worin bestehen die wesentlichen Unterschiede der Konzepte? Und: Auf welches Zahlungsmittel werden Sparer und Anleger künftig setzen?

Wert als Tauschmittel

Währungen wie der Euro sind Zahlungsmittel, mit deren Wertsicherung staatliche Institutionen beziehungsweise Zentralbanken beauftragt sind. Bei Kryptowährungen ist dies anders: Genau genommen handelt es sich bei Bitcoin & Co nicht um Zahlungsmittel mit Wechselkurs, sondern um ein Asset, welches im Wert Schwankungen unterliegt. Für ein Asset bemisst sich dessen Wert nach dem Preis, der auf dem Markt gebildet wird und den ihm die Marktteilnehmer zuschreiben. Angebot und Nachfrage bestimmen die Kurse.

Das heißt: Externe Faktoren können die Bewertung von Krypto-Assets beeinflussen. Als Beispiel auf der Angebotsseite seien hier Blockchain-Rechenleistungen und hoher Energieverbrauch zu nennen. Zunehmende Grenzkosten verteuern den Bitcoin. Insofern wäre dies vergleichbar mit dem immer höheren Aufwand für den Goldabbau in Minen oder für die Erdölexploration. Daher ist auch oft von Inflationsschutz die Rede.

Auf der Nachfrageseite ist evident: Der Kurs wird auch von Spekulation getrieben (und nicht nur von der Nutzung der Kryptowährung als Zahlungsmittel). Nur so lassen sich die extremen Kursausschläge erklären und der große Einfluss der Mitteilungen des Tesla-Chefs über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Das Gegenmodell: Der E-Euro

Im Gegensatz dazu plant die EZB mit dem E-Euro eine Option, bei der es sich tatsächlich um ein Zahlungsmittel handelt. Der digitale Euro wäre damit eine direkte Forderung gegenüber der Zentralbank und im Wert identisch mit dem „analogen“ Euro. Einen Schutz vor Inflation kann er damit nicht bieten.



So, wie die Zentralbanken ihr Geldmonopol durch private Kryptowährungen bedroht sehen, fürchten die Geschäftsbanken bei der Frage nach der Ausgabe des neuen E-Euro allerdings, dass ihnen die Felle davonschwimmen. Theoretisch könnte die Zentralbank den E-Euro nämlich ohne Intermediäre direkt an die Nutzer ausgeben und annehmen. So weit will die EZB aber offensichtlich nicht gehen: Marktbeobachter gehen davon aus, dass das EZB-Direktorium um Christine Lagarde eher ein indirektes Modell verfolgen wird, bei dem die Geschäftsbanken den E-Euro verwalten und mit einer Obergrenze je Nutzer versehen ausgeben. Die EZB würde mit dieser integrativen Lösung einen weiteren Konflikt mit einer ohnehin unter Druck stehenden Branche vermeiden.

Ausblick: Sicherheit und Vertrauen werden entscheiden

Am Ende wird die Frage nach der Nutzung dieser Währungen auf die Kriterien Sicherheit und Vertrauen hinauslaufen. Wer Grundvertrauen in die EZB als Institution hat, der wird auch auf den E-Euro setzen. Konsequenterweise müsste die EZB den E-Euro dann aber direkt ausgeben.

Wenn sich der E-Euro allerdings nur wenig von heute bereits verfügbaren digitalen Bezahlverfahren unterscheidet, drängt sich bei den Verbrauchern kaum ein Anlass für einen Umstieg auf. Die Initiativen der EZB und anderer Zentralbanken zur Einführung digitalen Zentralbankgelds (CBDC) sind daher sicher auch ein Versuch, noch bestehende Argumente für nichtstaatliche Kryptowährungen für die digitale Wirtschaft und nutzungsabhängige Bezahlmodelle nachhaltig zu entkräften.

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Dass Kryptowährungen hoch spekulative Anlageklassen sind, ist nicht von der Hand zu weisen. Daher wird es auch zunehmend regulatorische Eingriffe der Staaten geben, die Transparenz und Besteuerung sicherstellen sollen. Anlegern, denen es allerdings primär um die Suche nach alternativen Renditequellen aufgrund eines Mangels an auskömmlichen Anlageoptionen geht oder um die Sorge vor Inflation und den Wunsch nach Absicherung, können natürlich über Gold und andere Edelmetalle genauso nachdenken, wie über Kryptowährungen. Man sollte sich jedoch der individuellen Risiken der jeweiligen Anlageklasse bewusst sein.

Mehr zum Thema: Immer mehr Menschen zahlen elektronisch, doch davon profitieren bisher vor allem große Konzerne. Nun bringt die EZB einen digitalen Euro auf den Weg. Damit er sich durchsetzt, muss die Bank mehr bieten als die privaten Player. Ein Gastbeitrag.

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