Verlustrisiko abschätzen Wie moderne Risikomaße bei der Fondsauswahl helfen

Moderne Kennzahlen helfen dabei, die Verlustrisiken von Fonds besser einzuschätzen. Quelle: Getty Images

Kursschwankungen allein sagen wenig über das Verlustrisiko eines Fonds aus, moderne Kennzahlen schon. Wie Treynor-, Sharpe-Ratio und Co. bei der Wahl des richtigen Aktienfonds helfen, welche Vor- und Nachteile das hat.

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In Investmentfonds anlegen ist an sich simpel. Allerdings ist es auch möglich, dass ein solches Vorhaben böse ins Auge geht, sollte man den Versuch wagen, dies ohne eine gut durchdachte Strategie zu tun. Und wer eine Strategie entwickeln will, muss sich über seine Ziele im Klaren sein. Das gilt vor allem, was die erwartete Rendite und das maximal in Kauf zu nehmende Risiko angeht.

Viele Investoren verfolgen bei der selbst gesteckten Zielsetzung das Ideal, nicht nur das Finanzprodukt zu finden, das die höchste Rendite verspricht, sondern den Fonds zu ermitteln, der das vorteilhafteste Chance/Risiko-Verhältnis aufweist. Rating-Agenturen, die sich hierfür selbst als hervorragende Spezialisten anbieten, liefern leider nicht immer die besten Ergebnisse. Das liegt an ihren Bewertungskriterien, die mit der individuellen Risikoneigung des Anlegers nicht übereinstimmen müssen.

Anleger, die sich auf entsprechendes standardisiertes Expertenwissen verlassen möchten, sollten sich in jedem Fall über die jeweiligen Kriterien informieren und diese mit einiger Skepsis hinterfragen. Vergangenheitsperformance und die bisherige Volatilität eines Fonds sind jedenfalls wenig aussagekräftig, was die Zukunftsperspektiven eines Fonds angeht. Besser sind Fondsbewertungen, die sich die auf wissenschaftlicher Basis Kennzahlen der modernen Finanzmarktanalyse wie etwa die Treynor- und die Sharpe-Ratio verwenden. Diese ermöglichen auch weniger erfahrenen Anlegern den Zugang zu einem relativ verlässlichen Risikomanagement. Aber was genau verbirgt sich hinter diesen Begriffen?

Treynor-Ratio – für den Vergleich von Fonds eines bestimmten Anlageschwerpunkts

Die Treynor-Ratio geht auf den US-Wissenschaftler Jack Treynor zurück und wurde 1965 erstmals im Rahmen der Finanzmarkttheorie vorgestellt. Die Kennzahl bezeichnet die Relation der Überschussrendite zum so genannten Betafaktor. Dabei gibt der Betafaktor an, wie stark das Wertpapier im Vergleich zu einem Markt schwankt. Bei einem Wert unter eins ist der Fonds besser, bei Werten über eins ist er schlechter als der Markt. Negative Beta-Werte deuten auf eine gegenläufige Renditeentwicklung hin. Mit Überrendite wird der Prozentsatz bezeichnet, der den aktuell gültigen risikofreien Zinssatz übersteigt. Die Treynor-Ratio gibt also an, ob ein Fonds den Markt hinsichtlich Risikoprofil und Rendite übertrumpft. Je höher der Wert, umso besser ist der Fonds im Vergleich zum Markt.

Die Problematik der Treynor-Ratio besteht darin, dass diese lediglich das systematische Risiko, also das Risiko eines bestimmten Marktes, beleuchtet. Im Hinblick auf den Vergleich zweier Aktienfonds bedeutet dies, dass immer nur Fonds miteinander verglichen werden können, die sich exakt mit dem identischen Sektor beschäftigen.

In Bezug auf Investmentfonds ist ein solches Unterfangen jedoch nicht ganz einfach zu realisieren. Beispielsweise dürfen so genannte Dax-Fonds auch mehr oder weniger Mid- und Small-Caps oder andere Wertpapiere beimischen. Insofern sind die jeweiligen Anlageschwerpunkte zwar ähnlich aber kaum einmal zu 100 Prozent gleich.

Beispiele für Fonds mit ähnlichem Anlageschwerpunkt:

Ähnlicher Anlageschwerpunkt, unterschiedliche Risiken

Sharpe-Ratio: besser geeignet für den Vergleich von Fonds mit unterschiedlichem Fokus

Die Kennzahl, die auf den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler William F. Sharpe zurückgeht, ist eine Weiterentwicklung der Treynor-Ratio. Für seine Arbeit auf diesem Gebiet erhielt der Forscher zusammen mit Merton S. Miller und Harry M. Markowitz 1990 den Nobelpreis in der Kategorie Wirtschaftswissenschaften.

Dabei ist die Sharpe-Ratio weniger als Konkurrenz zur Treynor-Ratio zu verstehen. Vielmehr entstand die Kennzahl auch im regen Austausch zwischen ihrem Entdecker Sharpe und Jack Treynor. Erst mit der Verbreitung des Internet - denn so erst wurde sie für viele Anleger überhaupt erst zugänglich gemacht – wurde ihre wahre Bedeutung für den Fondsvergleich sichtbar.

Von einigen Rating-Agenturen immer noch nicht entdeckt

Die Sharpe-Ratio setzt die geschilderte Überrendite ins Verhältnis zum Risiko (hier: die Volatilität der Renditen). Auf diese Weise misst diese Kennzahl das Gesamtrisiko, also neben dem systematischen auch das unsystematische Risiko, welches aufgrund einer weniger zufriedenstellenden Zusammenstellung des Portfolios besteht. Damit gibt die Sharpe-Ration unmittelbar Hinweise darauf, welcher der betrachteten Fonds (unter den genannten Aspekten) besser geeignet ist oder nicht. Auch hier gilt: Je höher die Sharpe-Ratio, umso besser ist der Fonds, allerdings unabhängig von einer Benchmark wie einem Marktindex.

Beispiel: Anleger Schmidt möchte zwei Aktienfonds miteinander vergleichen. Der risikofreie Zinssatz beträgt derzeit null Prozent. Fonds A weist eine jährliche Rendite von 15 Prozent und eine Volatilität von fünf Prozent auf. Fonds B weist eine jährliche Rendite von 20 Prozent und eine Volatilität von zehn Prozent auf. Damit beträgt die Sharpe-Ratio für Fonds A drei und für Fonds B zwei. Dadurch ist das Chance-Risikoverhältnis von Fonds A besser als das von Fonds B.

Grundsätzlich kann die Sharpe-Ratio im Gegensatz zur Treynor-Ratio marktübergreifend verwendet werden. Allerdings kommt dies wohl nur für wenige Anleger in Frage. Denn wer sein Portfolio thematisch nach den eigenen Vorstellungen ausrichten möchte, wird sich nicht davon abhalten lassen, bestimmte Anlageschwerpunkte (Länder oder Regionen) beziehungsweise Strategien (beispielsweise Value- oder Growth-Ansatz) zu bevorzugen.

Das Sparverhalten der Deutschen im Ländervergleich

Denn natürlich sind die Volatilitäten etwa bei Growth Fonds höher als bei Finanzprodukten mit Value-Strategie. Je nach Risikoneigung eines Anlegers kann dieser jedoch den Growth-Ansatz bevorzugen. Allerdings sollte die Sharpe-Ratio innerhalb der Schwerpunkte oder Strategien als äußerst hilfreiches Entscheidungskriterium hinzugezogen werden.

Wie modern die Sharpe-Ratio ist, zeigt der Umstand, dass sie von einigen Rating-Agenturen noch immer nicht entdeckt worden ist. Immerhin wird die Kennzahl durch die FWW Fund Stars in die Beurteilung der Qualität der Fonds miteinbezogen.

Weitere Kennzahlen zur Bewertung von Investmentfonds

Wer nur die Performance von Fonds betrachten möchte, kann auf die Kennzahl Jensens Alpha zurückgreifen. Eine Weiterentwicklung der Sharpe-Ratio ist die Sortino-Ratio, die im Gegensatz zur ursprünglichen Variante nur die negative Volatilität (Downside-Volatilität) berücksichtigt.

Kennzahlen wie die Treynor-Ratio oder ganz besonders auch die Sharpe-Ratio sind sinnvolle Unterstützungen bei den Einschätzungen von Investmentfonds. Vor allem letztere wird zukünftig vermutlich größere Aufmerksamkeit auf sich ziehen, da ihre Bedeutung selbst in der Fachwelt noch nicht in ihrer vollen Tragweite erkannt worden ist.

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