Hendrik Leber ist schon wieder schlauer geworden. Der Chef des Frankfurter Vermögensverwalters Acatis weiß jetzt, wie er künftig Geschäftsberichte von Unternehmen mithilfe künstlicher Intelligenz auswerten kann. Leber ist begeistert von dem, was ihm sein Mitarbeiter Oliver Rolle gerade demonstriert hat. Es sprudelt aus ihm heraus: „Wir werden kollektiv klüger durch die neue Technik.“
Die Kursturbulenzen an der Börse sind dem promovierten Ökonomen nur einen Nebensatz wert. Zwar rätselt auch er, wie in den USA verschuldete Privatleute mit höheren Zinsen klarkommen sollen. Bei Auto- und Immobilienkrediten gäbe es eine Blase. Es sei wahrscheinlich, dass manche Firmen, die billiges Geld für Aktienrückkäufe ausgegeben hätten, bei Gewinnrückgängen und Zinssteigerungen kollabieren. Im Moment sei aber alles noch im grünen Bereich. Darum rechnet er mit einem positiven Aktienmarkt im Jahr 2018, trotz kurzzeitiger Turbulenzen. „Bei dem Dip“, sagt er, habe er Calls gekauft – Finanzinstrumente, mit denen sich aggressiv auf Kursgewinne spekulieren lässt. Wer die kauft, rechnet sicher mit steigenden Kursen.
Einen „Dip“, einen Taucher, so nennt Leber die dramatischen Kursverluste am Aktienmarkt in der zweiten Februarwoche. Die begann mit einem Schwarzen Montag, zeitweise entfernte sich der Dax mehr als zehn Prozent von seinem Januar-Rekord bei 13.560 Punkten.
An der Börse macht die Angst vor Zinssteigerungen die Runde. Eine fatale Rolle spielten offenbar auch synthetische Produkte, Wettscheine auf eine niedrige Schwankungsbreite an den Märkten. Als die abstürzten, rissen sie die Aktienkurse mit. Automatische Handelssysteme, die Aktien verkaufen, sobald bestimmte Kursschwellen unterschritten werden, ließen die Kurse vor allem in den USA stark abstürzen. Der Kapitalmarkt zeigte mal wieder sein böses Gesicht, launisch und unberechenbar. Die Börse, das Biest.
Vermögensverwalter wie Leber senden beruhigende Botschaften an die Kundschaft. „Aktien sind ein besserer Schutz vor Staatsversagen und Krieg als Sparbücher und Bundesanleihe“, schreibt Leber. Die Botschaft der meisten Geldprofis hat diesen Tenor: Das wirtschaftliche Umfeld ist intakt, die Konjunktur läuft, die Notenbanken haben die Zinsen im Griff – und wir Vermögensverwalter eure Geldanlage.
Für einige, längst nicht für alle, gilt dies tatsächlich. Die besten Geldmanager hat das Fonds-Analysehaus MMD aus Arnsberg für die WirtschaftsWoche ermittelt. Analysiert wurden 1300 Fondsdepots von 400 Banken und unabhängigen Vermögensverwaltern. Leber ist mit seinem weltweit anlegenden Portfolio Acatis Datini Valueflex – wie auch schon im Jahr 2017 – der Sieger unter 562 Teilnehmern im Fünfjahresvergleich. Ein Plus von 163 Prozent zehrt so schnell kein Crash auf.
Unter den ausgezeichneten Geldmanagern ist Leber der mutigste. Das Motto des legendären US-Investors Warren Buffett, „sei gierig, wenn andere ängstlich sind“, beherzigt er wie kaum ein anderer. 2016, am Tag nach dem Brexit-Votum, als die Börse crashte, ist er ebenso aggressiv in den Markt eingestiegen wie aktuell mit den Calls. Auch an seinen Bitcoin-Zertifikaten hält er fest, die er schon 2016 ins Depot aufgenommen hat.
Nicht nur für Mutige und Millionäre
Derart heiße Wetten können schiefgehen. Bei Lebers Strategie müssen Anleger zweistellige Verluste aushalten können. Weil das nicht jedermanns Sache ist, haben MMD-Chef Klaus-Dieter Erdmann und Analyst Nicolai Bräutigam für die WirtschaftsWoche die besten Geldmanager in drei weiteren Gruppen ermittelt. Bei allen drei fließen Risiko-Komponenten mit in die Wertung ein. Gemessen wurden der Wertzuwachs der Portfolios innerhalb von drei Jahren sowie die Kursschwankungen jedes Portfolios (Volatilität). Als dritter Faktor wurden die zwischenzeitlich möglichen maximalen Verluste in die Wertung genommen. Alle im Ranking benoteten Verwalter haben eine Lizenz, um Depots speziell nach Kundenwünschen zu verwalten. Sie arbeiten aber auch mit Fonds, in die jeder einzahlen kann.
Die Ergebnisse der besten Geldmanager der Risikoklasse "Offensiv & flexibel" (max. 100 Prozent Aktien), 562 Portfolios im Ranking (maximal 562 Punkte) | |||||||
Wertzuwachs in Prozent | Risiko | ||||||
Rang | Vermögens- verwalter | Fonds (ISIN) | 3 Jahre | 1 Jahr¹ | Vola- tilität² | Max. Verlust³ | Gesamt- punkte⁴ |
1 | SPSW Capital | DE000A0YJMG1 | 47,8 | 18,4 | 6,3 | -4,9 | 488,8 |
2 | Spirit Asset Management | LU0326961637 | 23,6 | 9,5 | 4,5 | -4,3 | 475,3 |
3 | Sigavest Vermögens- verwaltung | DE000A0MZ317 | 28,5 | 13,3 | 7,1 | -7,0 | 459,3 |
4 | SK Vermögens- verwaltung | LU0328547376 | 25,9 | 11,2 | 7,7 | -7,2 | 445,5 |
5 | Concept Vermögens- management | DE000A0Q8A07 | 23,9 | 13,6 | 7,4 | -6,3 | 444,5 |
6 | Büttner Kolberg und Partner Vermögens- verwaltung | DE000A1J3YJ9 | 28,8 | 11,5 | 8,3 | -8,4 | 433,8 |
7 | WBS Hünicke Vermögens- verwaltung | DE000A0DPZG4 | 22,2 | 13,2 | 7,2 | -7,8 | 426,3 |
8 | MS Finance Support | LU0288319352 | 26,7 | 4,1 | 9,3 | -6,8 | 420,5 |
9 | SMS & Cie. Vermögens- management | DE000A1CXUY2 | 18,5 | 10,9 | 6,1 | -7,7 | 415,0 |
10 | BRW & Co. Vermögens- management | DE000A1110J4 | 24,1 | 7,8 | 8,5 | -8,6 | 413,3 |
11 | WerteFinder Vermögens- verwaltung | DE000A0NEBA1 | 18,0 | 2,3 | 6,5 | -6,3 | 412,3 |
12 | R&M Vermögens- verwaltung | DE000A0MP243 | 22,5 | 7,4 | 8,0 | -8,5 | 410,3 |
13 | Heemann Vermögens- verwaltung | LU0368998240 | 41,6 | 17,9 | 10,5 | -8,5 | 399,5 |
14 | RBV , Gronau | DE000A0MY013 | 27,4 | 11,6 | 9,4 | -9,8 | 395,5 |
15 | FIVV | DE000A0NAAF0 | 28,9 | 11,3 | 9,4 | -10,2 | 395,3 |
16 | Werte Invest Fonds- beratung | DE000A0MS7F3 | 31,5 | 13,9 | 8,9 | -12,7 | 382,0 |
17 | DJE Kapital | LU0174656271 | 31,0 | 13,6 | 10,3 | -10,8 | 375,8 |
18 | Dr. Hellerich & Co. | LU0365982395 | 13,2 | 5,9 | 5,1 | -6,4 | 369,8 |
19 | UBS Asset Management | LU0033036590 | 18,6 | 11,5 | 7,8 | -10,6 | 367,5 |
20 | BLI - Banque de Luxembourg Invest. | LU0048293368 | 16,4 | 5,1 | 7,8 | -8,0 | 362,8 |
21 | Flossbach von Storch | LU0323578657 | 21,1 | 6,2 | 10,0 | -9,5 | 356,5 |
¹ nur zur Information, kein Ranking-Kriterium; beim Wertzuwachs sind jährliche Kosten der Portfolios bereits abgezogen; Portfolios ab 10 Millionen Euro Volumen ² monatliche Schwankungen des Fondskurses um den Mittelwert in Prozent: Je höher die Volatilität (Schwankungsintensität), desto höher ist das Risiko, dass der Anleger Verluste macht, wenn er zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkauft ³ gibt an, wie viel Anleger im schlechtesten Fall in den vergangenen drei Jahren verloren hätten, wenn sie zum Höchstkurs gekauft und zum Tiefstkurs verkauft hätten, ausgewertet für je einen Stichtag pro Monat ⁴ Hälfte der Gesamtpunktzahl für die Rendite aus drei Jahren, je ein Viertel der Punkte aus den beiden Risikokennziffern Volatilität und maximaler Verlust. Höchstpunktzahl ist die Anzahl der Portfolios in der jeweiligen Kategorie, theoretisch niedrigster Wert wäre 1. | |||||||
Quelle: MMD; BaFin; Stand: 31.12.2017 |
Ein bei Anlegern beliebter Fonds wie der Flossbach von Storch Multiple Opportunities des bekannten Kölner Vermögensverwalters landet in der Kategorie Offensiv & Flexibel auf Rang 22 von 562 Portfolios. „Er wird noch immer sehr gut verwaltet“, sagt MMD-Analyst Bräutigam, „aber eine höhere Volatilität verhinderte eine bessere Platzierung.“ Wie schon 2017 ist der Sieger der Kategorie SPSW Capital aus Hamburg. Mittlerweile ist dem Team um Markus Wedel aber das Volumen des Portfolios zu groß geworden, um ihre Strategie, die auf unterbewertete Nebenwerte setzt, noch gewinnbringend umzusetzen. Neue Anleger können in dieses Depot nicht mehr investieren.
Nervenschonend austariert
Starfondsmanager Luca Pesarini nimmt mit seinem Portfolio Ethna Aktiv ebenfalls am Vergleich teil. Er schafft es aber nur ins untere Mittelfeld in der Kategorie Ausgewogen. Durch Verluste 2015 und 2016 ist der Wertzuwachs seit drei Jahren mit unter einem Prozent zu niedrig.
Jan Ehrhardt, letztjähriger Sieger bei den ausgewogenen Depots mit maximal 60 Prozent Aktienquote, schafft in diesem Jahr den dritten Platz. 2017 hatte er einen Wertzuwachs seines Fonds von fünf Prozent für möglich gehalten und mit 4,9 Prozent nur knapp verfehlt. Auch in diesem Jahr hält er fünf Prozent für machbar. Die Börsensituation sehe nicht nach dem klassischen Beginn einer Baisse aus, so Ehrhardt.
Was ihn optimistisch macht: Zehnjährige US-Staatsanleihen werfen schon 2,8 Prozent Rendite ab, Unternehmensanleihen seien häufig noch attraktiver. Darüber hinaus sei der Dollar gegenüber dem Euro nicht mehr so überbewertet wie zu Beginn des Jahres 2017. Es sei also 2018 attraktiv, in US-Anleihen zu investieren. Grob berechnet er aus der Durchschnittsrendite der Anleihen und der Gewinnrendite von Aktien das Plus von fünf Prozent. Vereinzelt will er von teuren Branchen wie Industrie und Technologie auf defensivere wie Versicherungen, Pharma oder Nahrungsmittel wechseln.
30 Kilometer von Ehrhardts Firmensitz Pullach entfernt, liegt im Münchner Südosten ein Schatz der Deutschen Bank, das Deutsche Oppenheim Family Office. Die Vermögensverwalter haben sich zurückgezogen an den Ortsrand von Grasbrunn, in einen modernen Trakt des Guts Keferloh. Hier findet im Frühjahr der Antik- und Raritätenmarkt statt. Doch wer mit seinem Auto in die Tiefgarage einfährt und die Sicherheitstüren passiert, der kommt nicht, um Trödel zu kaufen, sondern um Geld anzulegen. Das hat hier Tradition. Die Vermögensverwaltung der Familie Wilhelm von Finck ist in der Deutsche-Bank-Tochter aufgegangen, ebenfalls ein Teil des früheren Bankhauses Sal. Oppenheim. Von Finck steht für die Gründung von Allianz und auch der Münchner Rück sowie einer Vielzahl an Beteiligungen. Die Nachfahren machen vor allem durch Erbstreitigkeiten von sich reden.
Anleihen mit kurzer Restlaufzeit
An einem verschneiten Februartag herrscht in den Büros in Keferloh eine klösterlich anmutende Stille. Kaum jemand der hier stationierten 40 Mitarbeiter wird bedauern, dass er fernab der Frankfurter Deutsche-Bank-Zentrale arbeitet. Der höchste Turm gehört hier zur Kapelle St. Aegidius, direkt neben den Büros.
Die Ergebnisse der besten Geldmanager der Risikoklasse "Defensiv" (max. 40 Prozent Aktien), 336 Portfolios im Ranking (maximal 336 Punkte) | |||||||
Wertzuwachs in Prozent | Risiko | ||||||
Rang | Vermögens- verwalter | Fonds (ISIN) | 3 Jahre | 1 Jahr¹ | Vola- tilität² | Max. Verlust³ | Gesamt- punkte⁴ |
1 | Andreas Meißner Vermögens- management | DE000A0M8WT7 | 7,3 | 3,8 | 2,2 | -2,9 | 258,0 |
2 | Raiffeisen Capital Management | DE000A0B7JB7 | 11,4 | 4,1 | 3,7 | -3,9 | 253,8 |
3 | Deutsche Oppenheim Family Office | DE000DWS0XF8 | 11,5 | 5,4 | 4,1 | -4,4 | 239,3 |
4 | ODDO BHF Asset Management | DE000A0D95Q0 | 7,6 | 2,4 | 3,8 | -2,9 | 234,8 |
5 | Landert Family Office | DE000A1WZ0S9 | 15,0 | 5,5 | 4,8 | -3,9 | 233,0 |
6 | CSR Beratungs- gesellschaft | DE000A1J3067 | 5,6 | 1,4 | 3,1 | -2,2 | 224,8 |
7 | Ringelstein & Partner Vermögens- betreuung | DE000A0M7WN2 | 6,1 | 1,0 | 3,4 | -3,5 | 222,5 |
8 | DVAM Vermögens- verwaltung | DE000A1J3WK1 | 10,5 | 2,7 | 4,3 | -5,2 | 218,8 |
9 | Berenberg Bank | DE000A0MZ309 | 4,6 | 2,2 | 1,9 | -2,7 | 217,5 |
10 | SK Vermögens- verwaltung | LU0328541502 | 5,3 | 1,7 | 2,8 | -3,6 | 214,8 |
11 | Merck Finck Privat- bankiers | DE0008483983 | 6,3 | 1,4 | 4,0 | -4,0 | 207,8 |
12 | Walser Privatbank Invest | LU0327378385 | 4,1 | 1,6 | 2,8 | -3,2 | 204,0 |
13 | Bankhaus Schelhammer & Schattera | AT0000A07HT5 | 5,5 | 3,0 | 3,5 | -4,2 | 204,0 |
14 | LGT Capital Management | LI0008232162 | 8,7 | 4,0 | 4,2 | -5,7 | 203,8 |
15 | DJE Kapital | DE000A0NFZJ8 | 8,2 | 4,4 | 4,3 | -5,4 | 200,3 |
16 | Bethmann Bank | DE000DWS08Y8 | 6,4 | 2,1 | 4,0 | -4,7 | 198,3 |
17 | UBS Asset Management | LU0033040782 | 8,8 | 5,7 | 4,4 | -5,9 | 197,8 |
18 | Sydbank A/S | DE0002605334 | 3,6 | 0,9 | 2,6 | -3,3 | 192,3 |
19 | Do Investment | LU0785378091 | 5,7 | 0,6 | 3,8 | -4,8 | 191,8 |
20 | National-Bank | DE000A1H44D5 | 3,1 | 1,8 | 2,1 | -3,2 | 189,8 |
¹ nur zur Information, kein Ranking-Kriterium; beim Wertzuwachs sind jährliche Kosten der Portfolios bereits abgezogen; Portfolios ab 10 Millionen Euro Volumen ² monatliche Schwankungen des Fondskurses um den Mittelwert in Prozent: Je höher die Volatilität (Schwankungsintensität), desto höher ist das Risiko, dass der Anleger Verluste macht, wenn er zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkauft ³ gibt an, wie viel Anleger im schlechtesten Fall in den vergangenen drei Jahren verloren hätten, wenn sie zum Höchstkurs gekauft und zum Tiefstkurs verkauft hätten, ausgewertet für je einen Stichtag pro Monat ⁴ Hälfte der Gesamtpunktzahl für die Rendite aus drei Jahren, je ein Viertel der Punkte aus den beiden Risikokennziffern Volatilität und maximaler Verlust. Höchstpunktzahl ist die Anzahl der Portfolios in der jeweiligen Kategorie, theoretisch niedrigster Wert wäre 1. | |||||||
Quelle: MMD; BaFin; Stand: 31.12.2017 |
Grasbrunn hat den eigenen Turm und auch eine eigene Hausmeinung. Anders als die Deutsche-Bank-Spezialisten hat das Team die Schwäche des Dollar 2017 rechtzeitig vorhergesagt. Währungspositionen konnten sie dadurch vor Verlusten schützen. Fondsmanagerin Doris Märzluft hat Rendite und Risiko nervenschonend austariert. Ihr Depot FOS Rendite und Nachhaltigkeit schwankte nach MMD-Zahlen in drei Jahren nur um 4,1 Prozent um seinen Mittelwert, bei weltweiten Aktien liegt dieser Wert bei 12. Märzlufts Kunden musste in der vergangenen Woche nicht bange werden. „Die Bewegungen am Markt waren nicht so stark, dass wir Kunden angerufen haben“, sagt die Schwäbin.
Mit den Kollegen, deren Expertise sie bei der Anlage nutzt, trifft sich Märzluft gern zum gemeinsamen Mittagessen im Sportpark Grasbrunn: zünftige bayrische Küche, drei Gänge mittags für 12,80 Euro. Das lebhafte Geplapper der Seniorenrunde am Nebentisch ist ein angenehmer Kontrast zur Ruhe im Büro. Normalerweise „ratscht“ Märzluft hier gerne über Kinofilme oder Reisen. Bei Turbulenzen ist aber auch der Markt Tischgespräch. „Wir haben hinterfragt, ob unsere Annahmen stimmen.“ Resultat: Den Rückschlag am Aktienmarkt hält man für ein temporäres Ereignis, gute Wirtschaftsdaten werden zu wieder steigenden Aktienkursen führen. Die Strategie bleibt wie sie ist, der Anteil von 25 Prozent Aktien konstant. Märzluft hat nur den Dollar-Kurs etwas abgesichert.
„Es wird noch etwas dauern, bis am Markt die wirtschaftlichen Daten und nicht mehr nur die Stimmung den Ton angeben“, vermutet Märzluft. Etwa dem neuen US-Notenbankpräsidenten wird sie in den nächsten Tagen aufmerksam zuhören. Sie traut ihm zu, dass er seine Aussagen vorsichtig abwägt, um die Märkte nicht weiter zu irritieren. Von der US-Steuerreform hält Märzluft wenig. „Sie heizt die unter Volldampf stehende Wirtschaft zusätzlich an.“ Das führe unwillkürlich zu steigenden Renditen und steigenden Zinsen. Märzlufts Anleihebestand droht wenig Unheil. Sie hat ihn teilweise vor Kursverlusten abgesichert und bekommt das Geld aus Anleihen im Schnitt schon in zwei Jahren zurück. Gegen leicht steigende Zinsen in Europa hätte Grasbrunn nichts einzuwenden. Gelder könnten dann etwas höher verzinst angelegt werden.
Nachhaltig und vorsichtig
Einen Trend pflegen sie in Grasbrunn seit 2009: Nachhaltigkeit. Investments in Atomkraft, Waffen oder Wetten sind in Märzlufts Depot ausgeschlossen. Den europäischen Kapitalmarkt sortiert der Münchner Nachhaltigkeitsspezialist Oekom für sie vor. Aus einer Liste mit 800, von Oekom als unbedenklich eingestuften Unternehmen, wählt Märzluft etwa 50 Aktien und 100 Anleihen aus. Dass sie nicht nur in ihrem Alltag mit dem Einkauf im Bioladen und der Müllvermeidung, sondern auch als Investor Akzente setzen kann, gefällt ihr. Zuletzt nahm sie Aktien der spanischen Banco Santander und die Metro-Abspaltung Ceconomy in ihr Depot auf. In Aktien oder Anleihen der Mutter Deutsche Bank darf sie nicht investieren. Die Bank ist im Wettgeschäft – als Eigentümerin eines Casinos in Las Vegas. Ein Kredit war geplatzt, und der Vergnügungstempel diente als Sicherheit. Grasbrunn kommt auch gut ohne die Mutterbank klar.
20 Prozent statt maximal 50 Prozent Aktien
Am Rosenmontag sieht es so aus, als hätten die Märkte das Schlimmste hinter sich. Die Dax-Aktien starteten stark, aber für Entwarnung ist es morgens immer zu früh. Wais Samadzada bleibt skeptisch. „Nach den Turbulenzen ist eine schnelle Rückkehr zur Normalität nicht zu erwarten.“ Der Kursschock setzte meist ein, wenn es vorbörsliche Kurse aus den USA gab. Zu Fasching blieb es ruhig. Samadzada, geboren in Afghanistan, lebt seit seinem dritten Lebensjahr in Deutschland und bezeichnet Börse und Fußball als seine Leidenschaften. Seit 2014 ist er der Stürmer und sein Partner Lars Rosenfeld der Verteidiger im Team, das den IP White-Fonds der Freien Internationalen Sparkasse lenkt. Die Tochter der Sparkasse Bremen gewann zum wiederholten Male einen Spitzenplatz im Vermögensverwalter-Ranking.
Rosenfeld ist in der DDR aufgewachsen und hat eine Lehre zum Schifffahrtskaufmann absolviert. Mit dem ersten Geld nach der Wende hatte er Aktien gekauft: Bayer, BASF, Daimler. Die DM-Kurse von damals kennt er noch heute. Klar, dass es ihn in die Finanzbranche zog. Nach einer Ausbildung bei der Bremer Sparkasse blieb er gleich dort und stieg in die Vermögensverwaltung ein. Seit 1997 arbeitet er in Luxemburg, gleicher Arbeitgeber, gleiches Büro, gleicher Arbeitsweg von Trier ins Großherzogtum. Weil die Abstände zwischen großen Krisen immer kleiner wurden, hat das Duo das Konzept des IP White konsequent auf Risikovermeidung ausgerichtet. Im Rosenfeld-Slang klingt das so: „Mit strategischer Asset- Allocation das Chance-Risiko-Profil optimieren.“ Vereinfacht geht es darum, ein Vermögen stabil anzulegen.
Die Ergebnisse der besten Geldmanager der Risikoklasse "Ausgewogen" (max. 60 Prozent Aktien), 400 Portfolios im Ranking, (maximal 400 Punkte) | |||||||
Wertzuwachs in Prozent | Risiko | ||||||
Rang | Vermögens- verwalter | Fonds (ISIN) | 3 Jahre | 1 Jahr¹ | Vola- tilität² | Max. Verlust³ | Gesamt- punkte⁴ |
1 | Freie Internat. Sparkasse | LU1144474043 | 28,3 | 3,5 | 3,1 | -1,0 | 364,8 |
2 | Fimax Vermögens- beratung | DE000A0M49S4 | 15,7 | 5,6 | 5,2 | -5,4 | 314,0 |
3 | DJE Kapital | LU0553164731 | 24,8 | 4,9 | 6,7 | -4,9 | 306,0 |
4 | Lombard Odier & Cie | LU0718509606 | 12,3 | 10,2 | 4,4 | -5,9 | 294,3 |
5 | Berenberg Bank | DE000A1C0UD3 | 12,5 | 13,2 | 4,2 | -6,7 | 293,5 |
6 | Deutsche Oppenheim Family Office | DE000DWS0TS9 | 19,8 | 8,7 | 6,7 | -8,5 | 269,8 |
7 | LGT Capital Management | LI0008232220 | 12,2 | 5,9 | 5,4 | -7,3 | 264,0 |
8 | Selection Asset Management | DE0002605037 | 10,9 | 7,6 | 5,3 | -5,7 | 262,5 |
9 | Honestas Finanz- management | DE000A1JZLG8 | 9,4 | 4,5 | 4,0 | -5,4 | 259,0 |
10 | Schoeller- bank Invest | AT0000820550 | 15,7 | 5,2 | 6,9 | -8,0 | 256,3 |
11 | Plutos Vermögens- verwaltung | LU0339449349 | 11,3 | 1,3 | 6,1 | -5,7 | 254,8 |
12 | UBS Asset Management | DE000A0M5183 | 14,2 | 6,8 | 6,2 | -8,7 | 253,8 |
13 | m4invest | LU0318108254 | 23,2 | 12,5 | 7,6 | -8,8 | 252,5 |
14 | Pictet Asset Management | LU0941349192 | 8,4 | 0,9 | 3,9 | -4,7 | 251,0 |
15 | Proaktiva | DE000A0NJGU7 | 25,5 | 7,5 | 7,9 | -8,8 | 249,8 |
16 | Flossbach von Storch | LU0323578145 | 18,3 | 5,2 | 7,8 | -8,2 | 247,8 |
17 | Acatis Investment | LU0278152516 | 17,6 | 8,0 | 6,9 | -9,2 | 246,5 |
18 | Huber, Reuss & Kollegen Vermögens- verwaltung | LU0352153018 | 10,7 | 6,5 | 5,2 | -7,5 | 243,5 |
19 | Sydbank A/S | DE0002605326 | 15,6 | 5,2 | 7,6 | -8,5 | 236,8 |
20 | BLI - Banque de Luxembourg Investments | LU0048292808 | 9,4 | 1,9 | 5,7 | -5,4 | 233,8 |
¹ nur zur Information, kein Ranking-Kriterium; beim Wertzuwachs sind jährliche Kosten der Portfolios bereits abgezogen; Portfolios ab 10 Millionen Euro Volumen ² monatliche Schwankungen des Fondskurses um den Mittelwert in Prozent: Je höher die Volatilität (Schwankungsintensität), desto höher ist das Risiko, dass der Anleger Verluste macht, wenn er zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkauft ³ gibt an, wie viel Anleger im schlechtesten Fall in den vergangenen drei Jahren verloren hätten, wenn sie zum Höchstkurs gekauft und zum Tiefstkurs verkauft hätten, ausgewertet für je einen Stichtag pro Monat ⁴ Hälfte der Gesamtpunktzahl für die Rendite aus drei Jahren, je ein Viertel der Punkte aus den beiden Risikokennziffern Volatilität und maximaler Verlust. Höchstpunktzahl ist die Anzahl der Portfolios in der jeweiligen Kategorie, theoretisch niedrigster Wert wäre 1. | |||||||
Quelle: MMD; BaFin; Stand: 31.12.2017 |
Die hohe Bewertung vieler Aktien und eine gewisse Sorglosigkeit am Markt machte das Duo im vergangenen Jahr misstrauisch. Im Januar hatten sie sich noch gewundert, dass die Börse die ansteigenden Renditen in den USA ignorierte. Steigende Renditen machen Anleihen gegenüber Aktien wieder konkurrenzfähig. Auch die Bewertung der Aktien hätte klar auf ein hohes Risiko hingewiesen. „Das gab Abzüge in der B-Note, und deshalb haben wir Aktien abgesichert und nur noch 20 Prozent von möglichen 50 Prozent den Marktschwankungen ausgesetzt“, sagt Rosenfeld. Bei kleineren Aktiengesellschaften seien sie ebenfalls vorsichtig geworden. Teilweise seien sie zu teuer. „Wenn alle sie lieben, muss man immer jemanden finden, der sie noch mehr liebt. Wenn jeder drin ist, ist die Party vorbei“, meint Rosenfeld.
Er liest gerne Geschäftsberichte, konzentriert sich auf die Anleihen im Depot und behält am Computer alles unter Kontrolle.
Samadzada besucht die Unternehmen. Er hat zuvor bei Investmentbanken gearbeitet und Montega mitgegründet, die bankenunabhängige Aktienanalysen anfertigt. Dort hat er Rosenfeld als Kunden kennengelernt.
Entdeckt das Duo ein interessantes Unternehmen, läuft es wie beim Film: Sie schlüsseln nach Art eines Drehbuchs genau auf, was wann passiert: Wann meldet das Unternehmen Zahlen, wann läuft eine Konferenz, auf der es sich Investoren präsentiert, wann bringen Wettbewerber Zahlen. „Die Termine sind wichtig, um Kursschwankungen einordnen zu können“, sagt Samadzada. Beim Fotovoltaikspezialisten Meyer Burger etwa lief alles nach Plan. Schon im Mai 2017 – Solarwerte waren abgemeldet – heftete sich Samadzada an die Fersen der Vorstände, reiste in die Schweiz und nach Hohenstein-Ernstthal bei Zwickau, wo die Schweizer produzieren.
Visionen statt Value
Bei 88 Cent habe man begonnen, die Position aufzubauen. Nur der schnelle Kursanstieg auf 2,25 Euro im Januar passte nicht ins Drehbuch. Das eigene Ziel lag bei 2 Euro, sagt Samadzada, deshalb habe man Teile des Aktienbestandes wieder verkauft. Üblicherweise halte man länger an Positionen fest. Nach der vergangenen Woche können sie jetzt wieder einsteigen. Die nächste Story ist vorbereitet und könnte von der Brennstoffzelle handeln. In der Hauptrolle der Autozulieferer Elringklinger. Das Ende: offen.
Sicherheitsnetz für den wirklichen Ernstfall
Nach der verlustreichen Woche am Aktienmarkt schleppt Christian Mallek Kisten mit Bananen und Äpfeln. Für den Mitgründer der Berliner Vermögensverwaltung Sigavest ein willkommener Anlass, „den Kopf freizubekommen“. Jährlich trommelt er am Ende der Berliner Obstmesse eine Jugendgruppe zusammen, die die Kisten zum Abtransport zu Berliner Tafeln verladen. Sein Sigavest-Kollege Christian Müller reagiert sich beim Faustball ab, dort ist er amtierender Senioren-Weltmeister. Der dritte im Bunde, Guido Hoheisel, betreibt in der Freizeit einen Internetradiosender.
Alte Kontakte konnten die ehemaligen Dresdner-Bank-Kollegen zum Start der eigenen Vermögensverwaltung vor 17 Jahren nutzen. Auch die Finanz- und Euro-Krise hat den Kundenbeziehungen nicht geschadet. Sigavest ist stetig gewachsen, weil das Trio vorsichtig an das Thema Geldanlage herangeht. Starke Wetten auf einzelne Aktien gibt es bei ihnen nicht, deshalb musste in den vergangenen Wochen auch nichts hektisch verkauft werden. Nur bei GK Software hat man Kasse gemacht. Der Entwickler von Programmen für den Einzelhandel aus dem Vogtland hatte aber auch nur ein Gewicht von 0,25 Prozent im Portfolio. Schade eigentlich, denn das Papier ist im Depot seit dem Kauf um 88 Prozent gestiegen. Andere Aktien, wie die US-Holding Berkshire Hathaway oder die Schweizer Beteiligungsgesellschaft BB Biotech sind Basisinvestments und liegen schon seit Jahren im Depot.
Vom Höchstkurs im Januar hat auch das Sigavest-Portfolio einen Rücksetzer gemacht. Der fiel jedoch nur halb so groß aus wie beim Aktienindex Dax. Ungewohnt aber war das allemal: „2017 gab es diese starke Verlustphase gar nicht, aber die Anleger dürfen nicht vergessen, dass wir aktienorientiert anlegen“, sagt Mallek. Einige Highflyer der Vergangenheit hätten in der Crashwoche nun mal „stärker ausgeatmet“. Die bei ihnen übliche Absicherung des Aktienportfolios, für die sie Spezialisten der Düsseldorfer Quant-Capital einspannen, war allerdings auch noch nicht nötig. Ein Ernstfall sieht also anders aus.
Hendrik Leber galt immer als deutscher Value-Papst, als Manager, der Unternehmen mit geringer Verschuldung, einem stabilen Geschäftsmodell zu günstigen Preisen findet. Doch das ist vorbei, outet er sich beim Fondsprofessionell-Kongress in Mannheim vor 400 Zuhörern aus der Branche. Überschrieben und eingeleitet mit dem Flower-Power-Song „New world coming“ von Mama Cass Elliott, offenbart er in seinem Vortrag, dass er sich von der jahrzehntelang praktizierten Lehre seines Vorbildes Warren Buffett entfernt. „Ich darf mich doch ändern“, sagt er trotzig. Die Zukunft liegt für ihn darin, Ideen in der Landwirtschaft, in Biotechnologie, Medizin, künstlicher Intelligenz und Mobilität zu identifizieren und früh zu investieren.
Dazu müsse er nicht den ganzen Auswahlprozess bei Aktien verändern, aber Bausteine hinzufügen. In seine neue Welt passen etwa Zoetis, das weltweit größte Pharmaunternehmen für Nutztiere, der französische Labor- und Analysespezialist Eurofins und der deutsche Enzymspezialist Brain sowie die Schweizer U-Blox, die Chips für das „Internet of Things“ entwickeln. Noch gebe es nicht für jedes Zukunftsthema passende Aktien, aber „man muss die Trends durcharbeiten“. Leber verabschiedet sich mit dem Song „Wake up everybody“ und dem Bild eines empathischen Pflegeroboters in Form einer Robbe. Bewegend, aber auch verstörend. Manche seiner Kunden seien irritiert, gibt Leber zu. Aber sie lassen ihn machen. Kein Wunder. Mit den Ergebnissen konnten sie immer zufrieden sein.