Vermögensverwalterin Nadine Heemann „Im Zweifel die Trading-App mal deinstallieren“

Nadine Heemann Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

In Deutschland gibt es so viele Aktionäre wie seit Jahrzehnten nicht, Smartphone-Broker erleben bei jungen Menschen einen Boom. Aber wie können die Neuen an der Börse langfristig erfolgreich bleiben? Im Interview gibt Fondsmanagerin Nadine Heemann Tipps.

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Nadine Heemann ist in der Heemann Vermögensverwaltung AG ihres Schwiegervaters Ernst Heemann mitverantwortlich für den 137 Millionen Euro schweren Mischfonds „FU Multi Asset“. Der Fonds gehörte im Vermögensverwalter-Ranking der WirtschaftsWoche 2020 und 2021 zu den besten seiner Kategorie und wird vom Fondsanalysehaus Morningstar mit der Höchstnote bewertet. Die Finanzexpertin arbeitete vor ihrer Zeit als Fondsmanagerin unter anderem für die US-Investmentbanken Morgan Stanley und Lehman Brothers.

WirtschaftsWoche: Frau Heemann, spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie wagen sich immer mehr junge Menschen an die Börse. Was raten Sie denen, die sich jetzt das erste Mal mit Geldanlage befassen?
Nadine Heemann: Viele fragen sich zuerst: Was soll ich kaufen? Das halte ich für falsch. Ich würde zuallererst Konsumschulden abbauen, wenn ich welche habe, und mir einen Finanzplan aufstellen. Also: Wie viel Geld brauche ich für mein tägliches Leben und meine Wünsche, zum Beispiel, um in den Urlaub zu fahren? Das rechne ich auf den Monat um. Dreimal diese Summe sollte ich auf einem Konto parken, auf das ich im Notfall immer zugreifen kann. Wenn ich das habe, kann ich überlegen, was ich mit dem Geld mache, das mir monatlich übrig bleibt.

Angenommen, ich will investieren, habe aber von der Börse keine Ahnung. Woher bekomme ich gute Informationen?
Zu Geldanlage gibt es im Netz viel Gutes, aber auch viel Schrott. Ich würde mich daran orientieren, was seriös klingt. Alle, die versprechen, dass man mit Methode XY schnell reich wird, sollte man aussortieren. Im Zweifel kann man sich bei Geldanlage-Themen auch an seriöse, klassische Medien halten.

Aktien, Immobilien, Gold: Fast alle Anlageklassen sind zuletzt stark im Kurs gestiegen und entsprechend hoch bewertet. Droht Neueinsteigern nicht enormes Rückschlagpotenzial?
Nein, das sehe ich anders. Einen idealen Zeitpunkt zum Einstieg zu erwischen, ist mit das Schwierigste beim Anlegen. Das sollten Anfänger erst gar nicht versuchen. Besser ist es, regelmäßig in den Markt zu investieren. So bekommt man einen Durchschnittskurs und läuft weniger Gefahr, zu besonders ungünstigen Zeitpunkten zu kaufen.

Und wie finde ich passende Wertpapiere?
Ich rate dazu, sich im eigenen Umfeld umzugucken und zu überlegen, was coole Firmen sind: Also, welche Produkte sind vielleicht bei meiner Familie oder meinen Freunden beliebt. Und: Wären sie auch bereit, dafür noch mehr Geld auszugeben? Wenn man das beherzigt und – ganz wichtig – seine Anlagen breit streut, ist das ein guter Ausgangspunkt. Meine erste Aktie zum Beispiel war die Allianz, weil meine Mutter dort gearbeitet hat und immer schwärmte, was das für ein tolles Geschäft ist. Ich finde wichtig, dass man die Unternehmen, in die man investiert, versteht und sich nichts aufquatschen lässt. Neben Einzelaktien würde ich ETFs und aktive Aktienfonds dazu nehmen.

Was ist mit sicheren Anlagen wie Anleihen?
Was ist denn sicher? Sicher ist bei Anleihen, dass ich nach Handelskosten, Steuern und Inflation im Minus lande. Meine Idee von Sicherheit ist eine andere. Ich möchte über längere Zeiträume mit hoher Wahrscheinlichkeit eine positive Rendite erzielen. Und dafür sind Aktien ideal.

Also gehören Anleihen nicht mehr ins Depot?
Nur, wenn der Kleinanleger es nicht selber versucht, denn attraktive Renditen sind derzeit nur bei recht aufwändig einzuschätzenden Unternehmensanleihen zu finden. Mit entsprechend spezialisierten Anleihefonds kann ich dagegen immer noch etwas verdienen.

Gerade junge Anlegerinnen und Anleger handeln statt mit langweiligen Anleihen ohnehin lieber mit Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether.
Ich denke, sie leben damit ihren Spieltrieb aus. Der Kurs vieler Kryptowährungen hat sich verzigfacht und das lockt viele an, die mitverdienen wollen. Ob sie aber auch wirklich verstehen, was sie kaufen, steht auf einem anderen Blatt. Für mich hat das eher was von einem Casino – was auch okay ist. Wenn man hingeht, nimmt man ein bisschen Bargeld mit, hat seinen Spaß und wenn es weg ist, ist es weg. Das ist aber eben Spekulation und hat mit Investieren nichts zu tun. Wer das tun will, sollte daher den spekulativen Part vom Investitions-Depot trennen; zum Beispiel indem man zwei unterschiedliche Broker für die beiden Bereiche nutzt.

Neben allzu unbedachter Risikofreude ist ein klassischer Anlagefehler, der viel Rendite kosten kann, in Krisen die Nerven zu verlieren und zu verkaufen. Wie kann man schlechte Börsenphasen besser überstehen?
Indem man sich nicht so oft mit seinem Depot befasst. Alle sechs oder zwölf Monate mal zu schauen, ob die eigene Strategie noch passt, reicht völlig aus. Im Zweifel kann man ja auch die Trading-App mal deinstallieren, wenn sie zu sehr zu Aktivität animiert. So mache ich das auch mit meiner Instagram-App, wenn sie mich zu viel Zeit kostet.

Börsen-Amateure schauen gerne zu erfolgreichen Profi-Anlegern wie Warren Buffett auf. Haben Sie auch ein Vorbild?
Tatsächlich schaue ich zu meinem Schwiegervater auf, in dessen Vermögensverwaltung ich ja auch arbeite. Seine große Qualität ist, dass er unfassbar flexibel im Kopf ist und bei neuer Faktenlage sein Urteil überdenkt. Er kann also erkennen und eingestehen, wenn er sich mal irrt. Wer dafür zu unflexibel oder eitel ist, steht sich an der Börse selbst im Weg. Bei Wirecard hat man das sehr gut beobachten können. Da haben sich auch schlaue Leute nicht eingestehen können, dass sie falsch liegen und am Ende gab es einen Totalverlust.

Sehen Sie hier das WirtschaftsWoche-Instagram-Interview mit Fondsmanagerin Nadine Heemann und Gründer Erik Podzuweit:



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