Bei so vielen privaten Lebensversicherungsverträgen kann man sich schon mal verzählen. Ob es acht oder neun sind – Maximilian Zimmerer weiß das nicht so genau. Nur eins steht sicher fest: „Ich bespare jeden einzelnen Vertrag weiter wie bisher“, sagt der Finanzvorstand des Versicherungskonzerns Allianz.
Von Panik ist der ehemalige Chef der deutschen Lebensversicherung trotz medialem Dauerbeschuss auf seine Branche weit entfernt. In den ersten neun Monaten konnte die Allianz Leben Geld zu 3,5 bis 3,6 Prozent neu anlegen. Das liegt immer noch über jenen rund 3,2 Prozent Zins, den Lebensversicherer ihren Kunden im Schnitt garantiert haben. Die schönen Anleihen, die Zimmerer in seiner Zeit als Leben-Chef gekauft hat, laufen auch noch um die 14 Jahre. Und, das habe er genauestens durchrechnen lassen, die Lebensversicherung könne mit bis zu 1,5 Prozent Zins in der Neuanlage „überleben, wenn auch nicht leben“.
Alles in Butter also, könnte man meinen…
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"Entspannt bin ich selten"
Nun, völlig unbekümmert ist selbst Zimmerer nicht. „Entspannt bin ich selten, weil mich an den Kapitalmärkten so manches nervös macht“, gibt der 54-Jährige unumwunden zu. Da sind viel zu niedrige Zinsen für sichere Geldanlagen, die Sorge vor weiteren Schuldenschnitten von Staaten und auch der Gedanke an eine Rückkehr zu nationalen Währungen treibt ihn um. Zimmerer muss an jedem Arbeitstag durchschnittlich 360 Millionen Euro neu und vor allem sicher anlegen. Auf den zarten Schultern des promovierten Juristen lastet die Verantwortung für 497,5 Milliarden Euro – so viel Geld legt die Allianz Gruppe an, rund 150 Milliarden davon gehören den deutschen Lebensversicherten.
Bloß: Wohin mit dem schönen Geld?
Aktien fasst Zimmerer erst mal nicht an. Unternehmensanleihen und die Baufinanzierung will er ausbauen, dafür lässt er die Finger von unbesicherten Bankanleihen. Er investiert mehr Geld in Anleihen aus den Schwellenländern („weniger Staatsschulden“), Immobilien findet er attraktiv (in den nächsten fünf Jahren soll das Portfolio von knapp 20 auf 30 Milliarden Euro steigen) und für Investoren von Infrastrukturinvestments baut Zimmerer gerade ein Team auf, das Fremdkapital verleihen soll.
Keine Staatsanleihen mehr
In Staatsanleihen kann Zimmerer eigentlich nicht mehr anlegen. Sichere Bundesanleihen bringen über zehn Jahre nur noch gut 1,3 Prozent Rendite. Die Blase an den Anleihemärkten, sagt Zimmerer, sei besonders gut bei Bundesanleihen zu erkennen: „Wenn der deutsche Finanzminister noch was obendrauf bekommt, damit er Geld verleihen darf, sehe ich das als echte Marktübertreibung an.“ Die deutschen Staatsschulden mag die Allianz also vorerst nicht mehr finanzieren. „Da haben wir nur noch wenige Prozent“, sagt der Finanzvorstand.
Rentierliche Bonds der Pigs-Staaten Portugal, Irland, Griechenland und Spanien aber kann er auch nicht kaufen – die Allianz hat die Quote auf 0,6 Prozent des Portfolios reduziert. Zimmerer muss aufpassen, dass nicht ein neuer Schuldenschnitt bei einem Staat plötzlich ein Loch in seinen Geldanlagetopf reißt, während seine Kunden weiter auf ihre Rentenzahlung warten. Das Dilemma: Die geplanten neuen Eigenmittelregeln Solvency II, nach denen Versicherer voraussichtlich ab 2016 hohe Sicherheiten für ihre Investments zur Seite legen sollen, damit sie mögliche Wertverluste für Kunden ausgleichen können. Je riskanter die Geldanlage, desto höherer Puffer wäre künftig gefordert. Nur Staatsanleihen von Euro-Staaten gelten unter Solvency II nach wie vor als sicher, selbst die von Griechenland – für sie sind bislang keine zusätzlichen Mittel geplant. „Das führt dazu, dass Versicherer bewusst in Staatsanleihen gedrängt werden“, schimpft Zimmerer auf die Politik.
Die Märkte sind zu klein
Seine nächste Bredouille: Die Märkte für alternative Anlagen sind zu klein. Zwar würde die Allianz gerne mehr in Infrastruktur investieren – doch fehlen oft schlicht die Anlagemöglichkeiten. Zuletzt schnappte die Allianz zu und beteiligte sich mit 14 Prozent am norwegischen Gastransportnetz (Gassled) oder sicherte sich über 75 Jahre einen Teil der Lizenz für den Betrieb von Parkuhren in Chicago. Zimmerer hofft jetzt, dass der Versicherer in diesem Bereich von der Staatsschuldenkrise profitieren könnte: „Ich hoffe, dass mit der steigenden Staatsverschuldung ein Ruck durch die Staaten geht und mehr privatisiert wird“, sagt Zimmerer. Staaten, sagt er, seien immer Initiator von Infrastrukturmaßnahmen – und nennt als Beispiel den Ausbau der Kabelnetze für die Energiewende.
Neue Modelle für Garantiezinsen
Für die Lebensversicherung sieht der Finanzvorstand langfristig neue Modelle für die Garantiezinsen. Die Anbieter könnten die Höhe der garantierten Verzinsung zum Beispiel nach der Vertragslaufzeit variieren. Wer heute neu abschließt, bekommt mindestens 1,75 Prozent auf den nach Kosten gesparten Anteil, egal wie lange sein Vertrag läuft. In besten Zeiten waren das mal bis zu vier – genau diese hohen Zusagen aus der Vergangenheit sorgen bei Versicherern heute für Kopfzerbrechen. Künftig also, schlägt Zimmerer vor, könnten Kunden bei bis zu 15 Jahren Vertragslaufzeit höhere Zinsen bekommen. Für Versicherer ist es bei kürzeren Laufzeiten einfacher, Zinsen zu kalkulieren.
Noch aber, versichert Zimmerer, könne die Allianz die Millionen jeden Tag gut unterbringen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir die letzten auf der Insel wären, wo die Fahnen noch wehen“, sagt er und entschuldigt sich – er müsse heute noch ein paar Dinge erledigen…