Verwirrung um Corona-Soforthilfen Solo-Selbständigen drohen Rückforderungen

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Private Lebenshaltung: Mal ja, mal nein, mal jein

Die Bundesländer handhaben die Soforthilfen offenbar sehr unterschiedlich. Beispiel Baden-Württemberg: Die Landesregierung teilte am vergangenen Mittwoch mit, dass Solo-Selbständige in Baden-Württemberg wie bislang auch Kosten des privaten Lebensunterhalts in Höhe von 1180 Euro pro Monat geltend machen könnten. Der Bund springe zu kurz, wenn er diese Personengruppen zur Sicherung des privaten Lebensunterhalts allein auf den erleichterten Zugang zur Grundsicherung (Hartz IV) verweise, erklärte die Wirtschaftsministerin von Baden-Württemberg, Nicole Hoffmeister-Kraut.

In Nordrhein-Westfalen sind hingegen viele Solo-Selbständige und Freiberufler nachhaltig verunsichert. Denn anfangs war auf der offiziellen Info-Seite des Landeswirtschaftsministeriums NRW noch die Rede davon, dass diese Gruppe durchaus ihren Lebensunterhalt mit dem Geld bestreiten dürfe. Am 1. April wurde dieser Passus jedoch von der Seite entfernt. Die unterschiedlichen Webseiten liegen der WirtschaftsWoche in archivierter Form vor. Auf Nachfrage im NRW-Wirtschaftsministerium gab es zunächst keine Begründung für diesen Vorgang. Die Info-Seite werde schrittweise ergänzt und aktualisiert, hieß es lediglich. Und das für die ausgezahlten Bundesmittel sowie für die Landesmittel ein einheitliches Antragsformular und -verfahren gelte.

Kein Wunder, dass sich Einzelunternehmer und Freiberufler wie etwa der Musikjournalist Bjørn Woll aus Köln fragen, welche Regelung nun gilt. „Ich hatte im März einen hundertprozentigen Verdienstausfall, alle Aufträge wurden kurzfristig gestoppt. Auch im April ist nicht viel los. Und was man in dem Job im Digitalen machen kann, ist alles nur Kleinkram. Davon kann man nicht leben“. Zunächst war er von der Soforthilfe begeistert. Seinen Antrag hatte er an einem Samstag gestellt, am Dienstag kam die Bewilligung, am Mittwoch war das Geld von der Landeskasse auf sein Konto überwiesen worden. „Das ging superschnell und ganz easy“, sagt er. Aber mit dem Geld verschwand auch die Information, die besagte, dass Solo-Selbständige mit der Soforthilfe ihr eigenes Gehalt bezahlen dürfen. Woll fragt sich, ob es nun eine Rolle spielt, wann der Antrag gestellt wurde. „Soll da nun eine Stichtagsregelung gelten? Ich warte nun auf Klärung und lebe von Ersparnissen. Zugleich beteilige ich mich an Online-Petitionen aus der Künstlerszene zu dieser Frage. Da haben die wenigsten Solo-Selbständigen ausreichende Rücklagen und bräuchten die Soforthilfe dringend zum Leben“, moniert Woll.

Bis zu einer endgültigen Klärung könnte es jedoch noch etwas dauern. Vorübergehend bietet NRW keine Antragsmöglichkeit mehr. Nachdem Betrüger über gefälschte Antragsseiten im Internet persönliche Daten abgefischt haben , offenbar um die Hilfen mit falscher Identität zu beantragen und auf eigene Konten umzuleiten, hat die Landesregierung die Antragsformulare aus dem Netz genommen. Im NRW-Wirtschaftsministerium heißt es, die Antragsseite soforthilfe-corona.nrw.de solle so schnell wie möglich wieder freigeschaltet werden. Erst müssten aber die noch offenen Anträge geprüft werden.

Deutliche Unterschiede in Bearbeitung, Tempo und Aufstockung mit Landesmitteln

Zudem vermischen viele Länder die Bundesmittel mit eigenen Subventionen, ohne die unterschiedliche Regulierung transparent zu machen. Von den Vorgaben des Bundes dürfen sie aber nur für die eigenen Mittel abweichen. Die Landesregierung NRW etwa hat die Soforthilfen aus Bundesmitteln beispielsweise mit Geld aus der Landeskasse aufgestockt, aber nur um Betriebe mit zehn bis 50 Mitarbeitern einmalig mit einem Zuschuss von 25.000 Euro unterstützen. Die sind von der Soforthilfe aus Bundesmitteln nicht abgedeckt. Auf Anfrage teilt das NRW-Wirtschaftsministerium mit, man sei bei Betrieben mit bis zu zehn Beschäftigten, den Solo-Selbständigen und Freiberuflern an die Vorgaben des Bundes gebunden. Das heißt, Geld gibt es nur für die Aufrechterhaltung der betrieblichen Existenz. Der private Lebensunterhalt würde über die Grundsicherung abgesichert, die im vereinfachten Verfahren ohne Vermögensprüfung gewährt wird. Zurzeit, so das Ministerium, sei nicht absehbar, ob hierzu noch Änderungen anstünden.

In anderen Bundesländern hapert es derweil offenbar schon bei der Geschwindigkeit, mit der Anträge bearbeitet werden. In Mecklenburg-Vorpommern kann ein Soforthilfe-Antrag nur per Post gestellt werden. In Rheinland-Pfalz haben die Behörden bis vergangenen Dienstag überhaupt nicht auf Anträge reagiert, geschweige denn Gelder ausgezahlt, berichten Betroffene in den sozialen Medien und im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Stattdessen gibt es seitdem aktualisierte und überarbeitete Antragsformulare und Informationsseiten. Anstelle einer Soforthilfe spotten die Antragsteller dort schon über die „Irgendwann-Hilfe“ des Landes.

Besteuerung im Blick behalten

Wer Soforthilfe erhält, muss diese auch versteuern. Grundsätzlich sind die Soforthilfen zwar von der Umsatzsteuer befreit, aber mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu versteuern. Abgerechnet wird die Steuerlast dann mit der Steuererklärung für 2020 im kommenden Jahr. Der persönliche Steuersatz kann dem Steuerbescheid des Vorjahres entnommen werden. Er liegt abhängig vom zu versteuernden Einkommen zwischen 14 und 42 Prozent, im Durchschnitt liegt der Satz bei etwa 30 Prozent. „Ohne Einnahmen während des Shutdowns sinkt aber natürlich auch der Steuersatz für 2020“, erklärt Brumbauer.

Dass Solo-Selbständige ohne weitere Rücklagen und ohne jegliche Einkünfte im Shutdown so lange nun die Soforthilfen auch für ihren privaten Lebensunterhalt nutzen, sollte die Behörden da nicht überraschen. Empfehlenswert ist in jedem Fall, die betrieblichen Kosten während des Shutdown zu sammeln und zu dokumentieren. Aber unter Umständen kann für die Betroffenen auch ein Antrag auf Grundsicherung nicht schaden.

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