Wie reagiert Peking im Handelskrieg mit den USA? Um Chinas Antwort auf Donald Trumps Strafzölle zu prognostizieren, lohnt zunächst ein Blick in die bisherige Steuerung der Wirtschaft durch die Regierung.
Den Grundstein für Chinas Aufstieg gelegt haben die Wirtschaftsreformen von Deng Xiaoping Ende der 1970er Jahre, also Privatisierungen, Liberalisierungen oder Deregulierungen. Die Reformen haben dazu geführt, dass sich das Wirtschaftswachstum beschleunigt. Das wiederum hat ausländisches Kapital angezogen, die chinesische Währung wertete auf. Um den Export zu stützen, hat sich die People’s Bank of China gegen die Aufwertung gestemmt. Sie hat permanent inländisches Geld gedruckt und dafür Fremdwährungen gekauft. Das führte zur Schöpfung von Liquidität im heimischen Banken- und Kreditsystem und hatte den Konjunkturboom noch befeuert. Bis Mitte 2014 hatte China 3993 Milliarden Dollar Währungsreserven aufgebaut. China erlebte den größten kreditfinanzierten Wirtschaftsboom, den die Welt je erlebt hat.
China sucht die Kreditbremse
Dieser Boom ist inzwischen vorbei. Selbst die offiziell gemeldeten Wachstumsraten fielen bis 2016 im Tief auf 6,7 Prozent, aktuell liegt die Rate bei 6,8 Prozent. Große Renditen sind seither in China nicht mehr zu holen. Die Immobilienpreise in den Metropolen sind überhitzt, die Festlandsbörsen haben den Crash von 2015 noch nicht verdaut. Chinesen haben zudem viele Kredite in Dollar aufgenommen, weil die Zinsen im Dollar-Raum niedriger waren als in Renminbi.
Durch den 2014 einsetzenden Anstieg des Dollar hatten sich diese Kredite verteuert, Gelder flossen aus dem Renminbi ab in den Dollar. Folge: Der Renminbi geriet unter Abwertungsdruck. Damit die Abwertung nicht aus dem Ruder läuft und sich dadurch die Kapitalflucht nicht weiter verstärkt, hatte Peking damit begonnen, Teile seiner Währungsreserven zu verkaufen. Doch durch den Kauf heimischer Währung wird dem heimischen Kreditmarkt Liquidität entzogen. Geld wird knapper, die Zinsen für kurzfristige Kredite steigen, die Kreditvergabe und damit das Wachstum werden gebremst.
Abwertung, Kapitalflucht und Kapitalverkehrskontrollen
Um den Aderlass der Reserven zu stoppen, ließ die Regierung Mitte 2015 eine gewisse Abwertung zu. Doch offenbar war die Kapitalflucht so groß, dass weiter massiv interveniert werden musste. Die Währungsreserven schrumpften bis Januar 2017 auf 2998 Milliarden Dollar. Gegenüber seinem Hoch von 2014 wertete der Renminbi von 6,01 auf 6,98 Yuan pro Dollar ab.
Doch die große Krise im Reich der Mitte sollte noch nicht kommen. Verzockt haben sich berühmte Hedgefondsmilliardäre wie Kyle Bass, Stanley Druckenmiller und George Soros. Ihre Wetten auf einen großen Knall in China gingen nicht auf – zumindest noch nicht.
Peking reagierte damals mit einer Straffung der Kapitalverkehrskontrollen – mit Erfolg. Die Währungsreserven stabilisierten sich und stiegen bis Anfang dieses Jahres wieder an auf 3162 Milliarden Dollar. Auch der Renminbi erholte sich. Die chinesische Währung wertete auf bis zum 27. März dieses Jahres auf 6,23 Yuan pro Dollar. Geholfen haben auch wieder anziehende Exporte aufgrund der guten Weltkonjunktur.
Gigantische Verschuldung
Derweil hat Peking versucht, die Kreditexzesse der Vergangenheit, vor allem im Unternehmenssektor, durch eine straffere Geldpolitik und schärfere Kreditvergabeauflagen zurückzufahren. Neben dem starken Anstieg der Bankausleihungen war es vor allem die Expansion der Kreditvergabe durch unregulierte Schattenbanken, die zum enormen Schuldenwachstum in China beigetragen hat. Standard & Poor‘s warnte schon vor Jahren, dass etwa 4000 bis 5000 Milliarden Dollar Unternehmensschulden den Risiken des Schattenbankensystems ausgesetzt sind.
Neben den Exzessen im Finanzsektor nahm sich Peking auch andere Problembereiche vor, etwa die Überkapazitäten in der verarbeitenden Industrie und die Umweltverschmutzung. Diese Maßnahmen sind gewollt und eigentlich wünschenswert, aber wegen der gigantischen Verschuldung im Unternehmungssektor auch ein Drahtseilakt.
Chinas Reaktion auf den Handelskrieg
Für neuen Stress im Reich der Mitte sorgt nun der von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelskrieg. Seit heute erheben die USA auf chinesische Einfuhren im Volumen von 34 Milliarden Dollar einen Strafzoll von 25 Prozent. Die Zölle betreffen 818 Produkte, darunter Autos, Flugzeugteile und Festplatten. In zwei Wochen will Trump auf weitere chinesische Produkte im Volumen von 16 Milliarden Dollar Zölle erheben. China hat prompt Vergeltungsmaßnahmen angekündigt. Sollten diese tatsächlich kommen, droht Trump mit Handelsschranken auf weitere chinesische Waren im Wert von bis zu 200 Milliarden Dollar. "Und dann sind wir, wie bekannt ist, auf weitere 200 Milliarden eingestellt, und nach den 200 Milliarden sind wir auf 300 Milliarden eingestellt."
Konjunktur oder Währung stützen
Die USA sind für China als Absatzmarkt wesentlich bedeutender als umgekehrt. China erzielte mit den USA in den vergangenen zwölf Monaten einen Handelsbilanzüberschuss von rund 390 Milliarden Dollar. Trotzdem rutschte Chinas Leistungsbilanz im ersten Quartal 2018 erstmals seit 17 Jahren ins Minus. Kommt es durch den Handelskrieg zu größeren Exporteinbrüchen, wird sich die chinesische Leistungsbilanz weiter verschlechtern. Auch der zunehmende chinesische Auslandstourismus belastet die Leistungsbilanz. Entsprechend wird auch der Druck auf die chinesische Währung weiter zunehmen. Der Renminbi wertete seit März bereits stark ab von 6,23 auf zwischenzeitlich 6,73 Yuan pro Dollar. Zwar ist Kapitalflucht schwieriger geworden, aber chinesische Unternehmen versuchen über überhöhte Importrechnungen Gelder außer Landes zu schaffen.
Renminbi oder Rezession
„In den nächsten Monaten muss sich China entscheiden, ob es seine Konjunktur oder die Währung stützen soll. Beides geht nicht“, sagt der weltweit angesehene Schweizer Investor Felix Zulauf. Setzte China erneut seine Währungsreserven zur Stützung der eigenen Währung ein, bliebe das nicht ohne Folgen für den US-Anleihemarkt. Denn verkauft werden nicht Münzen oder Banknoten, sondern vor allem Fremdwährungsanleihen. Und der liquideste Teil der chinesischen Währungsreserven steckt in US-Staatsanleihen. Zuletzt gemeldet wurde für Ende April ein Volumen von 1182 Milliarden Dollar.
Wenn China in großem Stil verkauft, dann könnte das die US-Renditen tendenziell weiter nach oben schieben. Das wäre so gesehen ein probates Druckmittel gegen die USA – aber kaum umzusetzen. Denn durch den Kauf heimischer Währung wird dem heimischen Kreditmarkt Liquidität entzogen. Diese Maßnahme konterkarierte den jüngsten Schwenk der chinesischen Geldpolitik. Die People‘s Bank of China pumpt seit einigen Wochen wieder Milliarden in die Märkte. Um die Kreditvergabe der Banken an kleinere Unternehmen anzuregen, wurden die Mindestreserveanforderungen für die Banken jetzt erneut gesenkt, um 0,5 Prozentpunkte auf 15,5 Prozent für Großbanken und 13,5 Prozent für kleinere Geldhäuser. Damit stellt die Zentralbank etwa 108 Milliarden Dollar bereit. Angesichts der Höhe der Reservesätze besteht hier noch reichlich Raum zur Stimulierung, falls sich die Konjunktur weiter eintrüben sollte. Interventionen am Devisenmarkt konterkarierten zudem die Bemühungen der Regierung, den Renminbi als internationale Reserve- und Transaktionswährung zu etablieren.
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Schlechte Vorzeichen für Chinas Konjunktur
„Ich erwarte, dass sie die Währung laufen lassen. Tun sie dies nicht, dann gibt es in China eine Rezession“, sagt Investor Zulauf. Die chinesische Regierung wolle schließlich mit Blick auf das 100-jährige Jubiläum der Kommunistischen Partei 2021 eine gute Wirtschaft haben. Aber egal was die offiziellen Statistiken in den nächsten Monaten sagen: Auf Sicht von zwölf Monaten rechnet Zulauf mit einer schwachen Konjunktur in China und entsprechend negativen Rückkopplungen für die Konjunkturverläufe im gesamten Schwellenländer-Universum, in Asien und Europa.
Die Entwicklung der Spielumsätze in Macau, der Welthauptstadt des Glücksspiels, haben sich in der Vergangenheit oft als besserer Indikator für den chinesischen Konjunkturlauf erwiesen als die offiziellen Statistiken der Regierung in Peking oder der Kursverlauf an den chinesischen Festlandbörsen. Unter den Spielern in Macau sind viele chinesische Unternehmer – und die kennen ihre Auftragslage.
Im Juni setzten die Zocker in Macau zwar 12,5 Prozent mehr ein als im Vorjahresmonat. Das aber blieb weit zurück hinter den Prognosen. Gerechnet hatten Analysten mit einem Anstieg um 18 Prozent.