Wagnisfinanzierer „2023 wird ein guter Jahrgang für Silicon-Valley-Start-ups“

Quelle: Illustration: Marcel Reyle

Scheuere Investoren und die Pleite der Silicon Valley Bank: Jungunternehmen in Kalifornien haben Grund für Pessimismus. Warum dieses Jahr für sie trotzdem gut werden könnte, erklärt Wagniskapitalgeber Martin Rudigier.

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WirtschaftsWoche: Herr Rudigier, befindet sich die US-Wagniskapitalbranche wie viele Start-ups in einer frostigen Phase?
Martin Rudigier: Im Winter ist sie schon eine ganze Weile. Vor allem Ende vergangenen Jahres ging die Aktivität der Wagnisfinanzierer steil nach unten. Jetzt gibt es wieder neue Finanzierungsrunden. Der Unterschied ist, dass nun die Latte für finanzierbare Start-ups weit höher hängt und damit weniger Jungunternehmen mit Kapital ausgestattet werden. Das macht sich auch in den Bewertungen bemerkbar.

Wie tief geht es denn bei den Bewertungen runter?
Frühfinanzierungen sind etwas weniger betroffen, weil Start-ups noch mehr Zeit haben, ihr Geschäft auszubauen, bevor Kapitalgeber eine Rendite erwarten. Bei den späteren Runden hingegen müssen einige Unternehmer schon so genannte Down Rounds mit niedrigeren Bewertungen hinnehmen, teilweise 50 Prozent weniger als in früheren Finanzierungsrunden. Wohlgemerkt sind das oft keine schlechten Unternehmen. Aber das Makroumfeld hat sich stark verändert und Investoren sind vorsichtiger geworden.

Wo ist es besonders schwierig, Anschlussfinanzierungen zu sichern?
Generell bei Unternehmen, die noch keine Umsätze haben. In der Hochphase von SPACs (börsennotierte Mantelgesellschaften, die Firmen aufkaufen – die Redaktion) in den Jahren 2020 und 2021 waren solche Firmen heiß begehrt. Sie hatten in vielen Fällen eine große Vision und versprachen Anlegern hohe Renditen, waren aber sehr kapitalintensiv und hatten teilweise doch eher fragwürdige Geschäftsmodelle. Also hohes Risiko. Solche Firmen haben es momentan schwierig.

Quelle: PR

Zur Person

Sind die Zeiten von Börsengängen über SPACs damit erst mal vorbei?
Ich höre von Start-ups, dass sie immer noch Anfragen von SPACs bekommen, die ja nur zwei Jahre Zeit haben, um eine Übernahme abzuschließen. Inzwischen ist diese Alternative zum klassischen Börsengang für Start-ups aber nicht mehr attraktiv. Zum einen ist das Vehikel vom Image her verbrannt. Und dann ist das Risiko hoch, dass die SPAC-Investoren ihre Option nutzen und ihr Kapital wieder herausziehen. Im schlimmsten Fall ist man dann an der Börse gelistet, von dem versprochenen Kapital ist kaum etwas übrig geblieben, und man hat noch die ganzen Kosten für Anwälte und Banker am Hals. 

Hat der ganze SPAC-Boom also nichts gebracht?
So würde ich das nicht sagen. Es gibt durchaus Unternehmen, die sonst nicht in dem Umfang finanziert worden wären und sich den kurzzeitigen Hype um SPACs zunutze gemacht haben. Ich denke da zum Beispiel an den Lidar-Hersteller Luminar, der inzwischen sehr bekannt im Markt ist und neben Volvo mittlerweile auch Mercedes zu seinen Kunden zählt.

von Daniel Goffart, Julian Heißler, Bert Losse, Christian Ramthun, Dieter Schnaas, Hendrik Varnholt, Lukas Zdrzalek

In welchem Bereich ist es noch sehr schwer für Start-ups, Geld einzuwerben?
Bei Krypto und Web3. Gerade bei Web3 wurde in der Pandemie fast alles finanziert, da haben 19- oder 20-jährige Studenten mit nicht viel mehr als einer Idee mehrere Millionen Dollar einsammeln können. Das ist erst mal vorbei, die Leute reden auch gar nicht mehr über Web3. Und Krypto hat es wiederum durch die Skandale nicht leicht. Generell wird wieder mehr auf grundlegende Metriken geschaut. Sind nachhaltige Umsätze und Gewinne überhaupt möglich oder gleicht das vermeintliche Geschäftsmodell vielleicht doch eher einem Schneeballsystem? Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber wenn man ehrlich ist, war das bei einigen Unternehmen leider so.

Fließt das Geld jetzt in Künstliche Intelligenz?
Generative Künstliche Intelligenz hat meiner Beobachtung nach Web3 als Investmentthema abgelöst. Da hat man jetzt als Geldgeber das Problem, dass die Bewertungen sehr hoch sind. Beim Brutkasten Y Combinator gibt es derzeit eine Menge Start-ups, die Anwendungen rund um generative Künstliche Intelligenz entwickeln. In Zeiten von ChatGPT ist das sicherlich spannend. Ich persönlich investiere ungern in derart gehypte Themen.

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