Wahlen in Italien Regierung und Schuldenberge lassen Investoren kalt. Noch.

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Mögliche Regierungs- und Kapitalmarkt-Szenarien

Erzieherische Maßnahmen durch Investoren, die auf Anleihen verzichten, um Politiker zum Sparen zu bewegen, sind ein frommer Wunsch. Zu viele Großanleger sind auf jedes Prozentpünktchen bei der Rendite angewiesen und blicken über die schwachen Wirtschaftsdaten lieber hinweg.

Die Marktexperten des Bankhauses Metzler hatten in ihrem Ausblick auf 2018 kaum ein gutes Haar an Italien gelassen. Italien ist das einzige Land der Eurozone, in dem das Pro-Kopf-BIP als Wohlstandsmaß  gegenüber dem Jahr 1999 gesunken ist. So schlecht schneide nicht einmal Griechenland ab. Italienische Banken hätten noch immer 17,4 Prozent faule Kredite, der Schnitt in der Eurozone liege bei 4,4 Prozent und ohne Italien wären es sogar nur 3,5 Prozent. Und obwohl die Eurozone dem Land hilft, seien italienische Bürger vielfach noch immer euroskeptisch. Bei der Korruption liegt Italien auf dem Niveau von afrikanischen Ländern. IT und Digitalisierung kommen ebenfalls kaum in Gang.

Langfristig muss die Politik also mehr tun. Etwas Rückenwind gibt es vom globalen Konjunkturaufschwung.  Italiens Wirtschaft legte 2017 mit 1,5 Prozent Plus so stark zu wie seit 2010 nicht mehr. Und auch 2018 will das Land diesen Zuwachs schaffen. „Es gibt eine gewisse Dynamik durch die Nachfrage aus dem Ausland und dem Inland, auch am Arbeitsmarkt“, sagt Willem Verhagen, Senior Economist bei NN Investment Partners, dem Fondsanbieter der ING. Zusammen mit bereits umgesetzten Strukturreformen könne das das Wirtschaftswachstum durchaus erhöhen. Deshalb entscheidet sich am Sonntag, ob die Ruhe an den Märkten auch langfristig Bestand haben wird, denn eine Regierung muss auf Dauer doch noch einige Reformen bieten.

Kempe hält drei Regierungs- und Kapitalmarkt-Szenarien für möglich.
1. Gewinnt eine nationalistische Koalition, gebildet aus der Fünf-Sterne-Bewegung, der Liga Nord und weiteren Kleinparteien (etwa der "Brüder Italiens") könnte die Koalition die Finanzmärkte belasten. Der Euro könnte schwächer werden, die Aktienmärkte ebenso, Renditen der Italobonds würden steigen.
2. Die Parteien haben eine Große Koalition aus Demokratischer Partei mit Berlusconis Forza Italia zwar ausgeschlossen. Aber so war es in Deutschland ja auch und sie kam trotzdem. Die Finanzmärkte könnten das nach Ansicht von Kempe positiv aufnehmen, weil die Demokratische Partei für Kontinuität stehe.
3. Wahrscheinlich ist, dass die seit Dezember 2016 bestehende Koalition unter Führung des Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni an der Regierung bleibt. Auch in diesem Fall blieben nach Ansicht von Kempe große Reaktionen der Finanzmärkte aus.

Dass viele Parteien allerdings noch die Steuern senken möchten, hält NN-Experte Verhagen für gefährlich. Italien riskiere dadurch Ärger mit der Europäischen Kommission und den Kernländern der Eurozone. Verhagen kann sich vorstellen, dass es einen Kompromiss geben könnte, der den Italienern mehr Flexibilität bei den Steuern lässt, dafür aber strukturelle Reformen fordert.

Auch wenn sich Großanleger wie der europäische Fondsriese Aberdeen nicht komplett aus den Anleihen zurückziehen, sie wollen „politische und ökonomische Indikatoren sehr gründlich beobachten“. Das klingt wie eine Drohung nach Rom. Die Unterstützung durch Investoren sollte man dort nicht für zu selbstverständlich halten.

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