Wechselkurse am Devisenmarkt Wie ein Brexit Pfund, Euro und Franken trifft

Der Devisenmarkt ist der größte Finanzmarkt der Welt, entsprechend dramatisch wäre ein Brexit. Wie die Notenbanken eingreifen können und warum Schweiz-Urlauber den Brexit besonders fürchten müssen.

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Euro, Dollar, Pfund: Wie Wechselkurse zustande kommen. Quelle: dpa Picture-Alliance

Wer in den Sommerferien einen Urlaub in der Schweiz geplant hat, der dürfte beim Frühstück am kommenden Freitag hektisch auf dem Stuhl hin und her rutschen. Kommt der Brexit? Verlässt Großbritannien die Europäische Union (EU)? Wenn ja, trifft das nicht nur das britische Pfund und den Euro. Ein Brexit würde den gesamten Devisenmarkt durcheinanderwirbeln. Und besonders hart trifft es eben die als sichere Häfen bekannten Fluchtwährungen, auch den Schweizer Franken.

Flüchten Anleger in den Franken, wertet die Schweizer Währung auf und der Urlaub in den Alpen wird noch teurer als gedacht - Reisende bekommen dann für einen Euro immer weniger Franken. Noch notiert ein Euro bei rund 1,08 Franken, im Fall eines Brexit dürfte der Kurs aber nah an die Parität zum Euro gehen.

Ein möglicher Brexit hänge wie ein Damoklesschwert über den Devisenmärkten, klagen Analysten. Sollte die Mehrheit der Briten am 23. Juni tatsächlich mit "Leave" stimmen, also die EU verlassen wollen, wäre das ein Schock für die Währungsmärkte, erklärt die DZ Bank in einer Studie.

Der größte Finanzmarkt der Welt

Der Devisenmarkt ist der größte Finanzmarkt der Welt. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) lag das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen am Devisenmarkt 2013 bei 5,3 Billionen US-Dollar. Zudem wird nicht über eine Börse gehandelt, sondern direkt zwischen den Marktteilnehmern, wie Zentralbanken, Banken, Hedgefonds oder Brokern. Durch das Internet geht alles blitzschnell. Angebot und Nachfrage einer Währung regulieren in Millisekunden den Preis, also den Wechselkurs.

Unser Währungsrechner rechnet ihnen jeden Geldbetrag in eine beliebige andere Währung zum aktuellen Wechselkurs um.

Kein Wunder, dass die Brexit-Gefahr für den Markt von Dollar, Euro und Pfund besonders groß ist, Experten rechnen hier mit den heftigsten Reaktionen. Einige, wie beispielsweise Nick Parsons, leitender Anlagestratege der National Australia Bank, erwarten gar die Wiederholung des "Schwarzen Montags". Damals, im September 1992, fiel das britische Pfund aus dem europäischen Wechselkurssystem heraus, weil es um 4,3 Prozent eingebrochen war. Käme es nach Bekanntwerden des Referendums zu Panikverkäufen, sind enorme Kurssprünge möglich. "Die Kurse am Devisenmarkt spiegeln das Risiko eines Austritts der Briten aus der Europäischen Union weiterhin nicht angemessen wider", sagt Sören Hettler, Devisenanalyst der DZ Bank. Folglich bestehe die Gefahr erheblicher Kursausschläge an den Devisenmärkten.

Pfund könnte bis zu zwölf Prozent verlieren

Auch am kommenden Freitag rückt das Pfund zu Recht in den Fokus der Händler, schon am Donnerstag fiel das Pfund im Vergleich zum Euro auf den tiefsten Stand seit zwei Monaten. Die Erwartungen sind eindeutig. Die Investmentbanker von Goldman Sachs erwarten im Fall eines Brexit, dass das Pfund gegenüber einem Korb aus Industriewährungen um elf Prozent einbricht. Im Februar hatte die Bank noch ein Minus von bis zu 20 Prozent erwartet.

Das zeigt zwar, dass ein Brexit aus Sicht von Goldman mittlerweile stärker eingepreist ist als noch zu Jahresbeginn. Ein Schock bliebe der Ausstieg Großbritanniens dennoch. Auch die Investmentgesellschaft Columbia Threadneedle rechnet beim Brexit mit einem Pfund-Rutsch von zwölf Prozent.

Aber wie hoch ist die Unsicherheit an den Märkten schon? Einer Umfrage der Bank of America Merrill Lynch zufolge ist die Nervosität groß - Investoren haben die Cash-Bestände ihrer Portfolios auf den höchsten Stand seit 15 Jahren getrieben. Offenbar wollen sie vorbereitet sein, trauen keiner Anlageform.

Risiko für Kurssprünge

Eine Art Ebbe am Devisenmarkt sieht Thu Lan Nguyen, Devisenanalystin der Commerzbank, noch nicht. „Noch ist genug Liquidität im Markt“, sagt Nguyen. Kurz vor der Bekanntgabe des Referendums-Ergebnisses könnte es allerdings sein, dass der Markt so illiquide ist, so dass Risiko für überraschende Kurssprünge bestehe. Aus Finanzkreisen heißt es, dass viele Broker ihre Handelstische während des Referendums rund um die Uhr besetzt halten wollen.

Wie Währungen zu ihren Namen kamen
Dollar Quelle: dpa
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Rand Quelle: REUTERS
Yuan, Yen und Won Quelle: REUTERS

Kurssprünge wären zum Beispiel zu erwarten, wenn Investoren in den Tagen um das Referendum das britische Pfund massiv verkaufen würden. Noch ist das nicht in extremer Form der Fall. „Die Prämien für Optionen auf eine Aufwertung des Dollars sind zur Zeit sehr hoch“, sagt Nguyen. Ein Brexit würde zwar immer mehr eingepreist, Investoren sicherten sich mit Dollar-Optionen ab, so die Commerzbank-Analystin. Noch komme es aber nicht zu massenhaften Pfund-Verkäufen, welche im Fall einer ganz realen Brexit-Angst zu erwarten wären.

Fluchtwährungen gefragt

Auch der Euro gehört zu den Währungen, die im Fall eines Brexit gegenüber dem Dollar wohl stärker abwerten würden. Die Commerzbank rechnet kurzfristig mit einem Minus von vier bis fünf Prozent. Einige Analysten gehen sogar davon aus, dass die Gemeinschaftswährung relativ schnell die Parität zum Dollar erreichen könnte. Noch kostet ein Euro etwas mehr als 1,11 Dollar und verlor in der vergangenen Woche rund ein Prozent. Anders beim Greenback: "Der US-Dollar, der immer noch die weltweit bedeutendste und liquideste Währung darstellt, wird als sicherer Hafen gefragt sein", sagt Devisenexperte Hettler.

Die schwierige Beziehung der Briten zu Europa

Anleihen werden zum Verlustgeschäft

Noch sprunghafter dürfte das Referendum aber für als sichere Häfen bekannte Währungen wie den japanischen Yen und den Schweizer Franken verlaufen. Schon jetzt flüchten Investoren in den Franken, im Vergleich zum Euro hat dieser seit dem Start der vergangenen Handelswoche drei Prozent an Wert gewonnen. Das ist die stärkste Aufwertung seit Januar 2015, als die Schweizer Notenbank SNB überraschend die Kopplung des Franken an den Euro aufhob.

Das Interesse der Investoren an der Schweiz zeigt sich auch auf dem Bondmarkt. Am Donnerstag fiel die Rendite für eine 30-jährige Staatsanleihe erstmals auf null Prozent. Damit rentieren nahezu alle Schweizer Staatsschuldentitel mittlerweile im negativen Bereich. Zum Vergleich: bei deutschen Bundesanleihen fiel die Rendite für zehnjährige Anleihen am Dienstag erstmals in den negativen Bereich. Anleihen mit längerer Laufzeit haben allerdings eine positive Rendite.

Was Partnerländer über einen EU-Ausstieg denken
US-Präsident Barack Obama in London Quelle: AP
Die chinesische Flagge vor einem Hochhaus Quelle: dpa
Ein paar Rial-Scheine Quelle: dpa
Der russische Präsident Wladimir Putin Quelle: REUTERS
Das Logo des japanischen Autobauers Nissan Quelle: REUTERS

"Wir erwarten, dass es im Fall eines Brexit zu Turbulenzen kommen könnte", sagte deshalb SNB-Präsident Thomas Jordan nach der Verkündung des Zinsentscheids am Donnerstag. Wenn es zu einem Brexit komme, werde es in einer ersten Phase darum gehen, stabilisierend am Markt einzugreifen. Auch Analysten erwarten, dass die Schweizer Notenbank sofort eingreifen werde, um eine rasante Aufwertung des Franken zu verhindern. In der exportorientierten Schweizer Wirtschaft könnte ein starker Franken das Wachstum gefährden, da viele Unternehmen darunter leiden dürften, dass ihre Produkte im Ausland teurer werden.

Zinsseitig ist der Spielraum der SNB nicht sehr groß. Schon jetzt liegt der Einlagezins, den Banken für Geld bei der Notenbank zahlen, bei minus 0,75 Prozent. Als wahrscheinlicher gilt daher, dass die SNB direkt am Devisenmarkt interveniert, um den Franken zu schwächen. In dem sie Euro mit Franken kauft, schwächt sie die heimische Währung. "Im Falle eines Brexit gehen wir davon aus, dass die Märkte 1,05 Franken je Euro testen werden", sagt Karsten Junius, Chefökonom der Bank J Safra Sarasin in Zürich. "Ein Niveau von dem wir erwarten, dass es die SNB erbittert verteidigen wird."

Zentralbanken in Lauerstellung

Die SNB ist nicht die einzige Notenbank, die dieser Tage besonders häufig den aktuellen Wechselkurs kontrolliert. Der Chef der dänischen Notenbank, Lars Rohde, erklärte Anfang der Woche, die Zentralbank werden „den Kurs der Krone mit allen nötigen Mitteln verteidigen". Dänemark gilt als Nicht-Euro-Land ebenfalls als sicherer Hafen. Allerdings hat das Land im Gegensatz zur Schweiz an seiner Euro-Bindung festgehalten, die dänische Krone ist fest an den Kurs des Euro gekoppelt. Entsprechend stark müssen die Dänen bei einer Aufwertung intervenieren.

Rohde ist dafür bekannt, klar zu kommunizieren, er hat bewiesen, dass die Aussagen der Notenbank glaubhaft sind. Eine Reaktion der Notenbank bei starker Aufwertung der Krone ist also zu erwarten. Anfang Juni hat die Zentralbank bereits Kronen im Wert von umgerechnet 470 Millionen Euro verkauft, im Mai wurden die Devisenreserven deutlich aufgestockt.

Auch der japanische Yen gilt als Fluchtwährung und hat zuletzt gegenüber Dollar und Euro deutlich aufgewertet. Angesichts des drohenden Brexit hat die Bank of Japan (BoJ) denn auch von einer weiteren Lockerung der Geldpolitik abgesehen und beließ den Leitzins am Donnerstag auf seinem Rekordtief von minus 0,1 Prozent. Auch ihr Anleihekaufprogramm weitete die Zentralbank nicht aus. Zudem kann die BoJ nicht so einfach am Devisenmarkt intervenieren, wie die SNB oder die dänische Notenbank das können.

Notenbanken haben sich verabredet

Die Notenbanken der große G7-Staaten haben eine Art Abkommen, welches eine Manipulation des Wechselkurses nicht erlaubt. Es soll unter anderem einen globalen Währungskrieg verhindern. „Die japanische Zentralbank würde nur im Verbund mit den anderen G7-Notenbanken eingreifen“, sagt Nguyen. Zu einer solchen gemeinsamen Intervention werde es aber wohl nur kommen, wenn die globale Finanzstabilität akut gefährdet wäre. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die BoJ haben aber bereits gegenseitige Liquiditätshilfen verabredet, um zu verhindern, dass es bei britischen Banken oder Instituten der Euro-Zone zu Liquiditätsengpässen kommt.

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Für Reisende, die in den Sommerferien ihren Urlaub außerhalb der Euro-Zone planen, wird es nicht nur auf das gewählte Ziel ankommen. Entscheidend wird sein, wie lange die Turbulenzen am Devisenmarkt nach einem Brexit anhielten. "Im günstigen Fall würde sich an den Finanzmärkten rasch die Einschätzung durchsetzen, dass die ökonomischen Bremsspuren größtenteils auf das Vereinigte Königreich begrenzt blieben", sagt DZ Bank-Experte Hettler. Dazu gehöre, dass auf politischer Ebene konstruktiv zusammengearbeitet würde.

"Im Worst-Case, in dem der Brexit eine Kettenreaktion auslöst, die sowohl für politische Unruhe in Großbritannien als auch in der Europäischen Union sorgt und die Euro-Krise neu entfacht, muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die Folgen des EU-Austritts nicht nur wesentlich dramatischer ausfallen, sondern auch wesentlich länger anhalten würden", sagt Hettler.

Das einzig Gute aus Sicht des Schweiz-Urlaubers: der Franken hat auch ohne Brexit schon stark gegenüber dem Euro aufgewertet. Bleibt also lediglich die Frage, ob der Urlaub teuer oder sehr teuer wird.

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