Wein als Wertanlage Flüssige Kostbarkeiten im Bunker

In einer ehemaligen britischen Mine lagern Investoren, Auktionshäuser und Millionäre Wein und Champagner. Wer die edlen Tropfen bestaunen will muss mit Gasmaske 30 Meter tief unter die Erde. Ein Besuch im Bunker.

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Die besten Flaschen unter 15 Euro
Alain Brumont Madiran Château BouscasséDie strammen Tannine und die Säure geben nach Ansicht des Wine Spectators dem Fruchtaroma genügend Halt, um den Wein nicht nur als Fruchtsaft erscheinen zu lassen. Herausgeschmeckt haben sie "getrocknete Erdbeeren, Rote Johannisbeeren, Schwarzen Tee, neues Leder und zuguterletzt auch Tabakblätter. Platz 51. bestvita.de Quelle: PR
Descendientes de J. Palacios Bierzo PétalosKräftige Schwarzkirsche, Lakritz, Rauch - das sind die Noten, die nach Ansicht des Wine Spectators dennoch einen sanften Wein auszeichnen, dessen Tannine, die im Gaumen ein beißendes Gefühl auslösen können, gut im Wein eingebunden sind. Sprich: Sie geben dem Wein ein Fundament, ohne sich in den Vordergrund zu drängeln. Platz 53.silkes-weinkeller.de Quelle: PR
Torre Rosazza Pinot Grigio Friuli Colli OrientaliDer Pinot Grigio, aka Grauburgunder, aka Pinot Gris, hat es dank seiner Beliebtheit dorthin gebracht, wo der Chardonnay einst landete: In die Missgunst derjenigen Weinliebhaber, die allzu oft mit schlechten Pinot Grigios konfrontiert wurden, weil sich die Traube gut verkauft. Dieser hier schafft es aber auf Platz 83 in der Top100 der Liste 2015 des Wine Spectator. Zu verdanken hat er das seinem cremigen Körper, der mit einer feinen Säure abschließt. Unter Fruchtaromen notieren die Tester: Guave, Sternfrucht, eingelegten Ingwer und Eiche. weinquelle.de Quelle: PR
Jean-Marie Brocard Quelle: PR
Domaine Terlato et Chapoutier Shiraz-Viognier Victoria 45 Cent über der 15-Euro-Schallgrenze - dafür eine der ungewöhnlichsten Mischungen aus zwei Rebsorten: Shiraz, der in Frankreich Syrah heißt, angereichert mit Viognier - einer Weißweintraube. Fünf Prozent hat die Domaine Terlato & Chapoutier davon dem Wein beigefügt. Das macht ihn "frisch und ausdrucksstark" schreiben die Tester des Wine Spectator. Schwarze Kirsche seien gut balanciert mit einer Mineralität, die "in ein langes Finish mit feinen Tanninen gleitet". vinatis.de Quelle: PR
Vina Montes Syrah Colchagua Valley AlphaDunkle Farbe mit würzigem Aroma und reichlich Noten von Schwarzer Kirsch, Blaubeeren und dunkler Pflaume. Dazu gesellt sich dunkle Schokolade und reichlich Mokka-Akzente, haben die Tester herausgeschmeckt. Platz 37. edelrausch.de Quelle: PR
d'Angelo Aglianico del VultureErdige Noten und die von Schwarzer Kirsche sind in diesem "harmonischen, mit mittelgroßem Körper" vereint. Herausgeschmeckt wurden ebenso noch schwarze Oliven, Feigenbrot und getrocknete Kräuter. Platz 74.weinhandel-italien.de Quelle: PR

Die Gasmaske am Gürtel drückt bei jeder Bewegung, aus dem Schacht dringt modrig-feuchte Luft. Noch zwei Schritte, dann ist endlich die 157. Stufe erreicht – und damit das Ende des Abstiegs. 30 Meter unter der Erdoberfläche empfängt den Besucher gedämpftes Licht und eine Temperatur, die niemals um mehr als ein Grad Celsius von 13 abweicht, weder nach oben noch nach unten. Auch die Luftfeuchtigkeit im unterirdischen Verlies ist kontrolliert, sie beträgt exakt 80 Prozent. Beladen mit hellen Kartons, ruckelt nebenan eine Lore schmale, dunkle Schienen hinab.

Menschen darf das Wäglein nicht transportieren, wohl aber edlen Wein – und den gibt es hier unter der Erde reichlich: Bordeaux und Burgunder, kostbare Flaschen der Châteaux Pétrus, Margaux und Haut-Brion. Hier ein Château Latour 1996, dort ein Château Lafite-Rothschild aus dem Jahr 2008 – und sogar einer aus dem Jahr 1945 ist dabei.

Fässer mit Cognac Quelle: Orde Eliason für WirtschaftsWoche

Rund sechs Millionen Flaschen Wein, Champagner, Portwein und Sherry im Wert von etwa 1,5 Milliarden Dollar lagern in Holzkisten oder Pappkartons in den Regalen, die die Wände des ehemaligen Steinbruchs säumen. „Unser Depot in der Eastlays-Mine ist etwa so groß wie 22 Fußballfelder“, sagt Vincent O’Brien, der Geschäftsführer von Octavian Vaults.

„Willkommen in der Botschaft des Weins“

Einer der größten Weinkeller Europas versteckt sich unter einer idyllischen Hügellandschaft in der Nähe der englischen Kleinstadt Chippenham, etwa zwei Stunden westlich von London. Mit Alarmanlage, Überwachungskameras und Wachpersonal, das rund um die Uhr präsent ist. Der mit Stahlgitter, Bewegungsmeldern und Sensoren gesicherte Eingang befindet sich auf einem Feld. Dorthin führt lediglich ein schmaler Weg, der von einer geteerten Landstraße abzweigt.

Nur wer eine persönliche Anmeldung vorweisen kann, erhält Zutritt. Minderjährige müssen draußen bleiben. „Willkommen in der Botschaft des Weins“, begrüßt Geschäftsführer O’Brien Besucher nach dem langen Abstieg. Tatsächlich ist der überdimensionale Weinkeller als „Bonded Warehouse“ steuerlich gesehen exterritoriales Gebiet. Bei Kauf und Verkauf der flüssigen Kostbarkeiten fallen somit weder Zoll noch Mehrwert- oder Kapitalertragsteuer an. Ein Aspekt, den ausländische Investoren wie Fondsgesellschaften und Hedgefonds, die ihren Wein als reine Geldanlage betrachten, durchaus schätzen. Voraussetzung für einen hohen Verkaufswert ist eine exzellente Lagerung in fachgerechten Lagerräumen.

Wein für mehr als 13.000 Euro pro Flasche

Wer ihre Kunden sind, wollen weder O’Brien noch Depotverwalter Andrew Wadsworth verraten. Diskretion ist in diesem Geschäft Ehrensache, es geht um viel Geld: Die teuerste Kiste im Lager – bestückt mit zwölf Flaschen – ist 120.000 Pfund wert, umgerechnet 160.000 Euro. Macht etwa 13.300 Euro pro Flasche.

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Immerhin erzählt O’Brien, dass 30 Prozent der Kunden aus dem Ausland stammen, neben Kontinentaleuropa aus den USA und Asien, etwa Singapur oder Hongkong – einige Pappkartons sind mit chinesisch klingenden Namen beschriftet. Zu den Kunden gehören aber auch britische Restaurants, Auktionshäuser und mehr als 130 Weinhändler. Einige von ihnen beliefern den Buckingham Palace. Gut möglich also, dass auch die Weine von Königin Elisabeth hier streng gesichert in einem verborgenen Winkel ruhen.

Gut gelagerter Wein vervielfacht seinen Wert

Dem Vernehmen nach haben auch der ehemalige Trainer des FC Manchester United, Sir Alex Ferguson, und der Musical-Komponist Andrew Lloyd Webber hier teuren Wein liegen, ebenso wie der auch in Deutschland aktive Finanzinvestor Guy Hands. Der hatte sich 1999 für umgerechnet knapp 135 Euro eine Flasche Champagner der Marke Salon aus der Lage Le Mesnil aus dem Jahr 1976 gekauft. An Weihnachten 2014 wollte er sich den edlen Tropfen anlässlich eines Jubiläums mit seiner Frau gönnen. Doch dann entdeckte er, dass der Wert des Champagners seit dem Erwerb um das 18-Fache gestiegen war. Die Flasche blieb verschlossen und wanderte zurück ins Depot.

Dort haben sich die Bestände in den vergangenen fünf Jahren um etwa ein Drittel vermehrt. Sie bleiben im Schnitt achteinhalb Jahre hier, zwei Jahre mehr als noch 2011. O’Brien führt die längeren Lagerzeiten auf die wachsende Popularität alternativer Anlageformen nach der Finanzkrise zurück. Statt in Aktien oder Anleihen werde vor allem Geld in Luxusgüter investiert. Außerdem waren die Preise für Spitzenweine in den vergangenen Jahren rückläufig, viele Investoren warten weiterhin auf eine Erholung. Immerhin ging es 2015 nicht weiter abwärts.

Der Klimawandel verändert den Weinanbau
Bei vier Grad Erwärmung lägen die Bedingungen der Champagne in England.
An der Südküste Australiens würde die Weinqualität leiden.
Auch in den USA würden sich die idealen Anbaugebiete verlagern.
Und in Neuseeland würde es für Weinanbau im Norden zu heiß.

„Nach vier Jahren fallender Preise hat sich der Markt für Spitzenweine zwar wieder stabilisiert“, schrieb etwa der britische Wine Investment Fund kürzlich, „der erhoffte Aufschwung blieb aber aus.“ Der von Bordeaux und Burgund dominierte Edelwein-Index Liv-Ex Fine Wine 100, eine Art Dax der Weinwelt, legte im Dezember um immerhin 0,6 Prozent zu. Dennoch notiert er noch etwa ein Drittel unter seinem historischen Hoch vom Herbst 2011.

Fachgerechte Lagerung verlängert das leben des Weins

„Wein ist wie ein lebendiges Wesen“, sagt Octavian-Verwalter Wadsworth. „Sein Lebenszyklus umfasst Jugend, Reife, Alter und Tod.“ Umso wichtiger ist Investoren und Gourmets, dass der Tod nicht vorzeitig durch ungünstige Umwelteinflüsse eintritt. Luftfeuchtigkeit, UV-Einstrahlung und Temperatur müssen genau kontrolliert, Erschütterungen auf ein Minimum reduziert werden. Aufgrund der tiefen Lage gibt es in der Mine kaum Vibrationen, der unterirdische Keller gilt sogar als bombensicher – ideale Bedingungen also für die Weinlagerung und -reifung.

Weintipps der Sommeliers für unter 10, 20 und 30 Euro

Wo heute edle Tropfen lagern, befand sich im 18. Jahrhundert ein riesiger unterirdischer Steinbruch. Hier wurde einst Bath Stone abgebaut, honiggelber Kalkstein. Noch heute prägt er die Fassaden des englischen Kurorts Bath, der bereits seit der Römerzeit für seine heißen Quellen berühmt ist. Im Jahr 1900 war mit dem Abbau Schluss, ab 1936 übernahm das britische Verteidigungsministerium den Steinbruch und nutzte ihn fortan als Munitionslager und Luftschutzbunker.

Aus dieser Zeit stammen die Betonfußböden ebenso wie das raffinierte Belüftungssystem: Schächte und riesige Ventilatoren, denen die Soldaten den Spitznamen „Brüllender Hai“ verpassten, sorgen für den notwendigen Luftaustausch. Nach dem Ende des Kalten Krieges kaufte der britische Geschäftsmann Nigel Jagger 1989 das unterirdische Labyrinth. Der Selfmademan aus Nordengland beschäftigt dort heute 110 Mitarbeiter.

Sherry aus dem 18. Jahrhundert

Einige Flaschen sind schon seit einem Vierteljahrhundert da, ein Privatmann hat gar 10.000 Kisten eingelagert. Bei diesen Dimensionen wundert es nicht, dass manche Sammler ihren Wein nicht mehr selbst in Augenschein nehmen. Stattdessen versorgt Octavian sie auf Wunsch regelmäßig mit Bildern ihrer flüssigen Schätze. Dafür hat das Unternehmen sogar unterirdische Fotostudios errichtet, ein neues ist gerade in Vorbereitung. Denn nicht nur der Wein selbst, sondern auch Etiketten und die Verpackung dürfen nicht beschädigt werden – sonst droht Wertminderung.

„In Zukunft werden wir 6000 Bilder im Monat produzieren können, 2012 waren es nur 500“, sagt O’Brien. Sie dienen nicht nur der Kontrolle der Bestände, sondern sind auch ein Marketinginstrument für Händler oder Privatleute, die direkt vom Depot weiter verkaufen wollen. Der Bilderdienst richtet sich allerdings nicht nur an die Investoren, sondern ist auch Teil des Services für die verwöhnten Superreichen, die ihre Schätze gut betreut wissen wollen. Die Kunden haben heute eben andere Ansprüche. Manche wünschen sich sogar eigene Räume für ihre Bestände, wo sie sich beim Besuch inmitten ihrer edlen Tropfen ungestört aufhalten können. Aus Versicherungsgründen erlaubt der Betreiber seinen Kunden das bislang aber nicht.

Wo die Deutschen ihren Wein kaufen

Offiziell handelt es sich bei dem Weinkeller immer noch um eine Mine, Brandschutzbestimmungen schreiben daher die Mitnahme unförmiger Gasmasken vor. Komfort oder Luxus? Sucht man vergeblich. Früher wurden hier gelegentlich Filme oder TV-Produktionen gedreht, die ersten Folgen der Kultserie „Doctor Who“ etwa.

1983 entstand hier die BBC-Serie „The Fourth Arm“, ein Agententhriller, bei dem es um Spionage im Zweiten Weltkrieg ging. Das perfekte Thema für die Umgebung. Denn in der Nachbarschaft der Mine befand sich jahrelang ein 14 Hektar großer unterirdischer Atombunker aus der Zeit des Kalten Krieges, der die Regierung und 4000 Beamte schützen sollte. Auch der Premierminister, dessen offizieller Landsitz Chequers sich in der Nähe befindet, sollte hier Zuflucht finden.

Probieren der Tropfen ist verboten

Beim Streifzug durch den alten Stollen, der in neun verschiedene Einzelbereiche unterteilt und mit Zahlen und kryptischen Symbolen aus der Zeit seiner militärischen Nutzung versehen ist, kann man sich leicht verirren. Deshalb dürfen neue Mitarbeiter in den ersten vier Wochen nur in Begleitung eines erfahrenen Kollegen ins Lager absteigen. Aus Sicherheitsgründen wird abends der Strom ausgeschaltet, die kleine Transportbahn stillgelegt und weggesperrt. Das schreckt potenzielle Diebe ab, die sich mit ihrer schweren Beute zu Fuß die knapp 160 Stufen nach oben quälen müssten. Bisher hat es noch keiner versucht.

Die dunklen, verwinkelten Gänge bergen viele Geheimnisse: Wadsworth deutet auf zehn verwitterte, staubbedeckte Holzfässer, die aussehen, als seien sie vor Jahrhunderten von einem Piratenschiff gefallen: „Champagne Cognac“, sagt Wadsworth, „der Alkoholgehalt liegt bei 55 Prozent. Wir wissen nicht, wann der Cognac in die Fässer abgefüllt wurde.“

Dann sperrt er die Tür eines Metallkäfigs auf. In einem unauffälligen Regal liegt die älteste Flasche des Depots. Ein Sherry aus dem Jahr 1775, geschätzter Wert: 20.000 Dollar. Getrunken wird er vermutlich nie mehr. Ob er noch schmecken würde? Ausprobieren dürfte man es hier ohnehin nicht – Korkenzieher und Flaschenöffner sind streng verboten.

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