„Jaaa, ich will Schaukeln!“, ruft Carla. Beim Betreten der Volksbank-Filiale stürzt sie sich mit ihrer Freundin Emmy gleich auf das einzig Spielzeug weit und breit. Die Spardosen und Gläser mit Kleingeld in der Tasche sind fürs erste Vergessen, jetzt wird das Holzschaukelpferd bis an die Grenzen gebracht.
Es ist Weltspartag. Also bringen wir unsere Spargroschen – oder eher Sparcent – zur Bank, damit sich das Sparbuch füllt und als Belohnung ein kleines Geschenk winkt. Aber vergeblich suche ich nach Anzeichen des Weltspartags bei der Volksbank. Bankmitarbeiter weisen mich auf die in einer Ecke neben den Geldautomaten fest installierte Geldzählmaschine hin.
Kein Feiertag fürs Sparen
Der Weltspartag feiert seinen 90. Geburtstag - und ist entsprechend gealtert. In der Erinnerung war der Weltspartag früher ein Feiertag, ähnlich wie der 1. Mai oder Sankt Martin. Als Kind ging ich mit Oma in die Bank und bekam leuchtende Augen, wenn der Bankmitarbeiter meine Spardose öffnete, die Geldzählmaschine ratterte und schließlich verkündet wurde, wie viel ich gespart hatte. Dann gab es ein kleines Spielzeug und ein Malbuch zur Belohnung, und zuhause wurde stolz der Eintrag im Sparbuch herumgezeigt.
Außer dem Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der Dachorganisation der deutschen Sparkassen, interessiert sich heute kaum jemand noch für den Weltspartag, nicht einmal bei den Sparkassen vor Ort spielt er eine herausragende Rolle. 1925 fand er erstmals statt, nachdem sich Sparkassenvertreter aus 28 Nationen im Jahr zuvor in Mailand auf dessen Einführung verständigt hatten. DSGV-Präsident Georg Fahrenschon zitierte in seiner diesjährigen Rede die damals formulierte Absicht: „Der Weltfeiertag der Sparkassen, wie er damals hieß, sollte nicht ein Tag des Müßiggangs sein, sondern ein Tag der Arbeit, an dem die Handlungen aller von dem Ideal der Sparsamkeit erfüllt sein sollen.“
Seitdem fand er bis auf wenige Ausnahmen traditionell am 30. Oktober statt. In den Siebziger- und Achtzigerjahren waren die Sparkassen noch voll mit Kindern und ihren Eltern oder Großeltern, auch in den Volksbanken und in den Filialen der großen Privatbanken gab es gut besuchte Aktionen zum Weltspartag. Aber diese Zeiten sind vorbei. Die Banken haben längst auf andere Kinder- und Jugendprogramme gesetzt, die nicht nur an einen Tag geknüpft sind.
Reste einer Tradition
Ein Besuch in der Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse Krefeld in Viersen: Carla und Emmy spurten gleich zum Maltisch neben dem Sonderschalter für die kleinen Kunden. „Dürfen wir auch Frösche anmalen?“, fragen sie den Bankberater unverdrossen. Schnell stehen zwei Keramik-Spardosen in Froschform, Pinsel und Farben neben ihnen.
Der Sonderschalter steht nicht wegen des Weltspartags dort, sondern wegen der sogenannten Knax-Tage. Dahinter verbirgt sich der Sparclub der Sparkassen für die Kleinsten. Sechsmal im Jahr erscheint ein Knax-Comic, es gibt für jedes Kind ein kleines Geschenk, wenn es etwas auf sein Sparbuch einzahlt. Verzinst wird das Guthaben mit 0,3 Prozent ab dem ersten Euro und in unbegrenzter Höhe. Außerdem gibt es ermäßigte Eintrittspreise für Kinderattraktionen der Umgebung
Tatsächlich hat sich am Geldzählautomat eine Schlange gebildet, in der Eltern mit ihren Kindern geduldig warten. Der Knax-Schalter und Geldzählmaschine sind gut besucht. In diesem Jahr gibt es als Präsent ein Stiftset, das einem beliebten Smartphone nachgebildet ist, oder eine Stoffeule. Die Stifte waren bereits vergriffen.
Sparen ist ein Dauerthema
„Eine eigene Aktion zum Weltspartag haben wir zwar nicht, aber wir haben die drei Knax-Tage bewusst in die Tage bis zum 30 Oktober gelegt“, sagt Filialleiterin Sevdiye Ucar. „Aber die Besuche der Kinder werden langsam weniger." 2016 bietet die Sparkasse-Krefeld deshalb die Knax-Tage nur zweimal statt wie bisher dreimal im Jahr an. Dann sollen sie sich aber statt über drei Tage gleich über eine ganze Woche erstrecken.
Ucar weiß, dass es weniger um tolle Angebote oder Zinsen geht, als vielmehr darum, den Kindern regelmäßiges Sparen beizubringen: Jeden Monat etwas Geld zur Seite zu legen, damit auch mal größere Anschaffungen oder Wünsche in Erfüllung gehen. Sie sieht den Grund für das nachlassende Interesse am Sparen für Kinder einerseits darin, dass vielen das Geld zum Sparen fehlt, oder aber so reichlich davon vorhanden ist, dass es kein Sparziel gibt, auf das die Kleinen hin sparen müssten.
Noch aber sind die Knax-Konten – ein klassisches Sparbuch mit eingedrucktem Guthaben – beliebt. Die Sparkasse Krefeld zählt 17.500 Knax-Clubmitglieder. Im Verhältnis zu den 289.000 Girokonten bei der Sparkasse ist das nicht unbedingt üppig, aber eine relevante Größe. Die Knax-Kinder sind schließlich die Kredit- und Baufinanzierungskunden von morgen.
Sparen gilt als eine typisch deutsche Tugend. Selbst seit der Finanzkrise hat sich das Sparverhalten der Bevölkerung nicht wesentlich verändert. Das Vermögensbarometer der Sparkassen, eine jährliche Studie des DSGV, die anlässlich des Weltspartages veröffentlicht wird, stellt sogar trotz rekordtiefer Zinsen einen leichten Anstieg der Sparquote fest. 9,5 Prozent des Einkommens legte der Durchschnittsdeutsche 2014 auf die hohe Kante
Weil die Banken und Sparkassen die Sparer von morgen brauchen, haben viele spezielle Angebote für Kinder. Die Volksbank in Viersen etwa setzt auf ein Programm namens VR-Primax. Es gibt eine monatliche Kinderzeitschrift mit Comics und ein Bonusheft für ein spezielles Kinderkonto, dass sich dem Alter entsprechend anpasst und sparen belohnt. Im Bonusheft können die Kleinen Sparpunkte sammeln und diese gegen Prämien wie Hörspiel-CDs, einen Rucksack oder einen Kinder-Atlas eintauschen. Für Geburtstag oder Einschulung gibt es Extrapunkte. Bis 1500 Euro Guthaben gibt es auf dem Konto 0,4 Prozent Zinsen – immerhin achtmal so viel, wie auf einem normalen Girokonto.
Die Kinder können jederzeit in die Filiale kommen, um sich ihre Sparpunkte in das Bonusheft eintragen zu lassen. „Wir haben uns schon vor Jahren entschieden, einen dauerhaften Anreiz zum Sparen zu schaffen“, erklärt Günter Neumann, Filialleiter bei der Volksbank Viersen, die Abkehr von Anlässen wie dem Weltspartag. Schließlich sei der richtige Umgang mit Geld ein Dauerthema. Schon im Alter von zehn bis zwölf Jahren erhielten die jungen Sparer eine Bankkarte, mit denen sie am Automaten Geld abheben könnten – genau wie die „Großen“. Alles auf Guthabenbasis, das Konto kann nicht überzogen werden. Eltern können auch festlegen, wie viel Geld ihre Sprösslinge monatlich abheben dürfen.
Privatbanken richten sich anders als Volkbanken und Sparkassen vorrangig an Eltern und Verwandte, die längerfristig für das Kind sparen wollen. Ihnen werden langlaufende Sparpläne, Fondssparen oder Bausparverträge angeboten. „Fondssparen ist gerade bei den Großeltern und Eltern beliebt", bestätigt auch Volksbank-Filialleiter Neumann. Weil die damit langfristig sparen, bliebe auch genügend Zeit, Schwankungen an der Börse auszuhalten. Dafür seien die Renditechancen auch wesentlich besser. "Wir unterscheiden bei der Beratung den Aspekt 'langfristige Geldanlage' und 'Vertrautmachen mit dem Umgang eines Kontos'.“, sagt Neumann. Auch die Volksbanken würden daher Eltern aktiv zu attraktiveren Anlageformen wie dem Fondssparen beraten.
Bei Carla und Emmy ist der Sinn des Banksparens jedoch noch nicht so recht vorgedrungen. Carla fischt die großen Münzen wieder aus dem Korb der Geldzählmaschine. „Die sind die wertvollsten, die will ich nicht abgeben“, sagt sie. So wandern etliche Ein- und Zwei-Euro-Münzen zurück in die Tasche, nur Kupfer- und Messingmünzen werden gezählt und dem Kinderkonto gutgeschrieben. Für Kinder und Jugendliche steht eben doch der Konsum im Vordergrund. Mit den Präsenten ausstaffiert nehmen die beiden Fünfjährigen nämlich gleich das nächste Projekt ins Visier. „Jetzt wollen wir ein Eis.“