Weltspartag 30. Oktober Mehr Comics als Spardosen

Wie vermitteln Eltern ihren Kindern die Tugend des Sparens in Zeiten von Online-Banking, Niedrigzins und Null-Prozent-Finanzierung im Einzelhandel? Mit Kindern unterwegs am Weltspartag.

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Sparkasse Krefeld, Niederlassung Viersen

„Jaaa, ich will Schaukeln!“, ruft Carla. Beim Betreten der Volksbank-Filiale stürzt sie sich mit ihrer Freundin Emmy gleich auf das einzig Spielzeug weit und breit. Die Spardosen und Gläser mit Kleingeld in der Tasche sind fürs erste Vergessen, jetzt wird das Holzschaukelpferd bis an die Grenzen gebracht.

Es ist Weltspartag. Also bringen wir unsere Spargroschen – oder eher Sparcent – zur Bank, damit sich das Sparbuch füllt und als Belohnung ein kleines Geschenk winkt. Aber vergeblich suche ich nach Anzeichen des Weltspartags bei der Volksbank. Bankmitarbeiter weisen mich auf die in einer Ecke neben den Geldautomaten fest installierte Geldzählmaschine hin.

Kein Feiertag fürs Sparen

Der Weltspartag feiert seinen 90. Geburtstag - und ist entsprechend gealtert. In der Erinnerung war der Weltspartag früher ein Feiertag, ähnlich wie der 1. Mai oder Sankt Martin. Als Kind ging ich mit Oma in die Bank und bekam leuchtende Augen, wenn der Bankmitarbeiter meine Spardose öffnete, die Geldzählmaschine ratterte und schließlich verkündet wurde, wie viel ich gespart hatte. Dann gab es ein kleines Spielzeug und ein Malbuch zur Belohnung, und zuhause wurde stolz der Eintrag im Sparbuch herumgezeigt.

Mit diesen Geschenken werben Banken um Jungkunden
Trinkflasche Quelle: Fotolia
Knax-Tage der Sparkasse Krefeld in Viersen
Lose Quelle: Fotolia
Gesunde Skepsis gegenüber Banken? Für die Kleinen ist das Geld, das im Korb der Zählmaschine landet, erst einmal weg. Daran ändern auch Präsente der Banken zunächst nichts.
In den Filialen des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken finden unterschiedliche Aktionen anlässlich des Weltspartages statt. Alle Kinder, die ihr Erspartes bei den Volksbanken in der Lüneburger Heide einzahlen, bekommen kleine Geschenke sowie Luftballons und Süßigkeiten. Kontoinhaber des Taschengeldkontos "VR-Young" erhalten für jede Einzahlung am Weltspartag vier Extra-Punkte für ihr Sammelposter. Quelle: Fotolia
Besuch zum Weltspartag bei der Sparkasse Krefeld in Viersen: Malaktion, Stoffeule und Comics locken junge Sparer zu den "Knax"-Tagen. Die sind nicht nur am Weltspartag, sondern mehrmals im Jahr.
Waffeln Quelle: Fotolia

Außer dem Sparkassen- und Giroverband (DSGV), der Dachorganisation der deutschen Sparkassen, interessiert sich heute kaum jemand noch für den Weltspartag, nicht einmal bei den Sparkassen vor Ort spielt er eine herausragende Rolle. 1925 fand er erstmals statt, nachdem sich Sparkassenvertreter aus 28 Nationen im Jahr zuvor in Mailand auf dessen Einführung verständigt hatten. DSGV-Präsident Georg Fahrenschon zitierte in seiner diesjährigen Rede die damals formulierte Absicht: „Der Weltfeiertag der Sparkassen, wie er damals hieß, sollte nicht ein Tag des Müßiggangs sein, sondern ein Tag der Arbeit, an dem die Handlungen aller von dem Ideal der Sparsamkeit erfüllt sein sollen.“

Seitdem fand er bis auf wenige Ausnahmen traditionell am 30. Oktober statt. In den Siebziger- und Achtzigerjahren waren die Sparkassen noch voll mit Kindern und ihren Eltern oder Großeltern, auch in den Volksbanken und in den Filialen der großen Privatbanken gab es gut besuchte Aktionen zum Weltspartag. Aber diese Zeiten sind vorbei. Die Banken haben längst auf andere Kinder- und Jugendprogramme gesetzt, die nicht nur an einen Tag geknüpft sind.

Reste einer Tradition

Ein Besuch in der Hauptgeschäftsstelle der Sparkasse Krefeld in Viersen: Carla und Emmy spurten gleich zum Maltisch neben dem Sonderschalter für die kleinen Kunden. „Dürfen wir auch Frösche anmalen?“, fragen sie den Bankberater unverdrossen. Schnell stehen zwei Keramik-Spardosen in Froschform, Pinsel und Farben neben ihnen.
Der Sonderschalter steht nicht wegen des Weltspartags dort, sondern wegen der sogenannten Knax-Tage. Dahinter verbirgt sich der Sparclub der Sparkassen für die Kleinsten. Sechsmal im Jahr erscheint ein Knax-Comic, es gibt für jedes Kind ein kleines Geschenk, wenn es etwas auf sein Sparbuch einzahlt. Verzinst wird das Guthaben mit 0,3 Prozent ab dem ersten Euro und in unbegrenzter Höhe. Außerdem gibt es ermäßigte Eintrittspreise für Kinderattraktionen der Umgebung

Tatsächlich hat sich am Geldzählautomat eine Schlange gebildet, in der Eltern mit ihren Kindern geduldig warten. Der Knax-Schalter und Geldzählmaschine sind gut besucht. In diesem Jahr gibt es als Präsent ein Stiftset, das einem beliebten Smartphone nachgebildet ist, oder eine Stoffeule. Die Stifte waren bereits vergriffen.

Sparen ist ein Dauerthema

„Eine eigene Aktion zum Weltspartag haben wir zwar nicht, aber wir haben die drei Knax-Tage bewusst in die Tage bis zum 30 Oktober gelegt“, sagt Filialleiterin Sevdiye Ucar. „Aber die Besuche der Kinder werden langsam weniger." 2016 bietet die Sparkasse-Krefeld deshalb die Knax-Tage nur zweimal statt wie bisher dreimal im Jahr an. Dann sollen sie sich aber statt über drei Tage gleich über eine ganze Woche erstrecken.

Ucar weiß, dass es weniger um tolle Angebote oder Zinsen geht, als vielmehr darum, den Kindern regelmäßiges Sparen beizubringen: Jeden Monat etwas Geld zur Seite zu legen, damit auch mal größere Anschaffungen oder Wünsche in Erfüllung gehen. Sie sieht den Grund für das nachlassende Interesse am Sparen für Kinder einerseits darin, dass vielen das Geld zum Sparen fehlt, oder aber so reichlich davon vorhanden ist, dass es kein Sparziel gibt, auf das die Kleinen hin sparen müssten.

Noch aber sind die Knax-Konten – ein klassisches Sparbuch mit eingedrucktem Guthaben – beliebt. Die Sparkasse Krefeld zählt 17.500 Knax-Clubmitglieder. Im Verhältnis zu den 289.000 Girokonten bei der Sparkasse ist das nicht unbedingt üppig, aber eine relevante Größe. Die Knax-Kinder sind schließlich die Kredit- und Baufinanzierungskunden von morgen.

So gehen die Deutschen mit Geld um
Die Deutschen gelten als fleißige Sparer. Doch die Statistik sagt etwas anderes. 30 Prozent der Deutschen haben gar nichts auf der hohen Kante. 19 Prozent wollten sich nicht dazu äußern. Elf Prozent besitzen bis zu 2.500 Euro. Nur ein Prozent besitzt mehr als 500.000 Euro an Geldvermögen.Quelle: Das Buch „Wie wir Deutschen ticken“, erschienen im Edel Verlag und basiert auf repräsentativen Umfragen des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Quelle: dpa
Die Einstellung der Deutschen zur Aktie ist bekanntlich eher skeptisch. 16 Prozent aller Männer und sieben Prozent aller Frauen besitzen Aktien. Zum Vergleich: In den USA legen 56 Prozent der Bevölkerung ihr Geld in Aktien an. Der Aktienbesitz ist auch von der Bildung und dem Einkommen abhängig: Wer mehr als 3.000 Euro im Monat verdient, hat eher Aktien (23 Prozent). Wer weniger als 3.000 Euro verdient kommt noch auf elf Prozent Aktien. Wer Abitur hat, besitzt auch öfter Aktien (18 Prozent) als ein Hauptschulabsolvent (sechs Prozent). Quelle: dpa
40 Prozent aller Deutschen besitzen kein nennenswertes Vermögen. Beliebtester Besitz ist mit 32 Prozent das Sparbuch, dahinter kommt mit 27 Prozent das Auto bzw. Möbel. 23 Prozent der Deutschen besitzen Immobilien und nur sechs Prozent verfügen über Gold. Quelle: dpa
Die Mehrheit der Deutschen scheint den Artikel aus dem Grundgesetz „Eigentum verpflichtet“ nicht zu mögen. 52 Prozent wünschen sich, dass ein Unternehmer mit seiner Firma tun kann, was er will. Beim geliebten Eigenheim ist dies noch deutlicher: 74 Prozent wollen, dass ein Grundstückseigentümer mit seinem Grundstück machen kann, was er will. Nur 33 Prozent äußerten sich für eine Zwangsvermietung einer leeren Immobilie durch den Staat. Quelle: dpa
Bei der Beziehung zum Geld sind die Deutschen innerlich gespalten. Die Moral und die Gier geben sich die Hand – wohl ohne, dass es die Befragten merkten. So sagten 75 Prozent der Deutschen: „Bei uns werden Menschen zu sehr über ihren Besitz definiert.“ Besitz wird also überbewertet. An anderer Stelle sagten jedoch 77 Prozent: „Es ist mir wichtig, einen gewissen Wohlstand zu haben.“ Sprich: Wenn die anderen Geld lieben, ist das schlecht. Wenn ich selbst Geld habe, dann ist es kein Problem. Quelle: dpa
Geld macht nicht glücklich, so lautet eine abgedroschene Lebensweisheit. Die Mehrheit der Deutschen schließt sich ihr an. „Nur“ 36 Prozent sagten, dass sie glücklicher wären, wenn sie mehr Geld hätten. Quelle: dpa
Beim Thema Geld sind die Deutschen sehr misstrauisch. Oder selbstbewusst. Oder beides. Jedenfalls gaben 76 Prozent an, dass sie sich bei finanziellen Entscheidungen auf ihr eigenes Wissen verlassen. Auf Platz zwei landen Freunde und Verwandte mit 28 Prozent, dicht gefolgt vom Bankberater mit 23 Prozent. Nur zehn Prozent vertrauen einem unabhängigen Finanzberater und neun Prozent den Finanztipps in der Presse. Quelle: gms

Sparen gilt als eine typisch deutsche Tugend. Selbst seit der Finanzkrise hat sich das Sparverhalten der Bevölkerung nicht wesentlich verändert. Das Vermögensbarometer der Sparkassen, eine jährliche Studie des DSGV, die anlässlich des Weltspartages veröffentlicht wird, stellt sogar trotz rekordtiefer Zinsen einen leichten Anstieg der Sparquote fest. 9,5 Prozent des Einkommens legte der Durchschnittsdeutsche 2014 auf die hohe Kante

Weil die Banken und Sparkassen die Sparer von morgen brauchen, haben viele spezielle Angebote für Kinder. Die Volksbank in Viersen etwa setzt auf ein Programm namens VR-Primax. Es gibt eine monatliche Kinderzeitschrift mit Comics und ein Bonusheft für ein spezielles Kinderkonto, dass sich dem Alter entsprechend anpasst und sparen belohnt. Im Bonusheft können die Kleinen Sparpunkte sammeln und diese gegen Prämien wie Hörspiel-CDs, einen Rucksack oder einen Kinder-Atlas eintauschen. Für Geburtstag oder Einschulung gibt es Extrapunkte. Bis 1500 Euro Guthaben gibt es auf dem Konto 0,4 Prozent Zinsen – immerhin achtmal so viel, wie auf einem normalen Girokonto.

Die Kinder können jederzeit in die Filiale kommen, um sich ihre Sparpunkte in das Bonusheft eintragen zu lassen. „Wir haben uns schon vor Jahren entschieden, einen dauerhaften Anreiz zum Sparen zu schaffen“, erklärt Günter Neumann, Filialleiter bei der Volksbank Viersen, die Abkehr von Anlässen wie dem Weltspartag. Schließlich sei der richtige Umgang mit Geld ein Dauerthema. Schon im Alter von zehn bis zwölf Jahren erhielten die jungen Sparer eine Bankkarte, mit denen sie am Automaten Geld abheben könnten – genau wie die „Großen“. Alles auf Guthabenbasis, das Konto kann nicht überzogen werden. Eltern können auch festlegen, wie viel Geld ihre Sprösslinge monatlich abheben dürfen.

Privatbanken richten sich anders als Volkbanken und Sparkassen vorrangig an Eltern und Verwandte, die längerfristig für das Kind sparen wollen. Ihnen werden langlaufende Sparpläne, Fondssparen oder Bausparverträge angeboten. „Fondssparen ist gerade bei den Großeltern und Eltern beliebt", bestätigt auch Volksbank-Filialleiter Neumann. Weil die damit langfristig sparen, bliebe auch genügend Zeit, Schwankungen an der Börse auszuhalten. Dafür seien die Renditechancen auch wesentlich besser. "Wir unterscheiden bei der Beratung den Aspekt 'langfristige Geldanlage' und 'Vertrautmachen mit dem Umgang eines Kontos'.“, sagt Neumann. Auch die Volksbanken würden daher Eltern aktiv zu attraktiveren Anlageformen wie dem Fondssparen beraten.

Bei Carla und Emmy ist der Sinn des Banksparens jedoch noch nicht so recht vorgedrungen. Carla fischt die großen Münzen wieder aus dem Korb der Geldzählmaschine. „Die sind die wertvollsten, die will ich nicht abgeben“, sagt sie. So wandern etliche Ein- und Zwei-Euro-Münzen zurück in die Tasche, nur Kupfer- und Messingmünzen werden gezählt und dem Kinderkonto gutgeschrieben. Für Kinder und Jugendliche steht eben doch der Konsum im Vordergrund. Mit den Präsenten ausstaffiert nehmen die beiden Fünfjährigen nämlich gleich das nächste Projekt ins Visier. „Jetzt wollen wir ein Eis.“

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