Weltspartag im Zinstief In Deutschland wird klassisch gespart

In Deutschland wird nach wie vor eher klassisch gespart. Auch niedrige Zinsen haben schränken das Sparverhalten nicht unbedingt ein. Quelle: dpa

Steigende Gebühren, Negativzinsen, gekündigte Prämienverträge - Banken und Sparkassen locken ihre Kunden derzeit nicht unbedingt. Fürs Sparen wird dennoch tapfer geworben - aus guter Tradition.

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Sparen? Wozu noch? Die Zinsen auf Sparbuch und Tagesgeldkonten sind quasi abgeschafft, wer viel Geld bei der Bank bunkert, dem drohen sogar Negativzinsen. Dennoch werben Sparkassen und Volksbanken unverdrossen für eine Institution: den Weltspartag.

Die Sparkasse Pforzheim Calw beispielsweise lockt zur „Weltsparparty“ am 30. Oktober: „Komm mit Deinem Sparschwein vorbei, wähle ein Geschenk aus und feier mit.“ Vor allem Kinder soll der Weltspartag seit 1925 Jahr für Jahr dafür begeistern, Geld zurückzulegen - und es einfach auf dem Sparbuch für sich arbeiten zu lassen. Bei einer Yougov-Umfrage gaben 61 Prozent der Befragten an, der Tag sei nach wie vor wichtig, um Kindern die Bedeutung von Sparen beizubringen.

Doch die Zeiten lukrativer Guthabenzinsen sind lange vorbei. Banken bekommen frisches Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Nulltarif und sind nicht mehr darauf angewiesen, Spargelder von Kunden einzuwerben. Dazu kommt: Institute mit einem Einlagenüberhang müssen selbst Zinsen zahlen, wenn sie Gelder bei der EZB parken.

„Jahrzehntelang haben wir Deutschlands Kindern beigebracht, dass Sparen sinnvoll ist, weil man für schlechte Zeiten in Krisen vorsorgen muss. Sie schleifen diese Kultur“, kritisierte Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis im Sommer 2019 in einem offenen Brief an den scheidenden EZB-Präsidenten Mario Draghi.

Für die Sparkassen selbst wird mancher Altvertrag zur Last: Immer mehr Institute kündigen sogenannte Prämiensparverträge, bei denen Sparer je nach Laufzeit jährliche Prämien erhalten. Jüngst sorgte die Sparkasse München für Aufsehen, weil sie auf einen Schlag 28.000 solcher Verträge kündigte. Die nach Bilanzsumme fünfgrößte deutsche Sparkasse reihte sich damit ein in eine immer länger werdende Liste von Instituten, die mit drastischen Maßnahmen versuchen, die Auswirkungen der Nullzinspolitik abzumildern.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diese Praxis im Mai grundsätzlich gebilligt. Nach dem Urteil der obersten Zivilrichter müssen langjährige Prämiensparer die Kündigung attraktiver Altverträge hinnehmen, wenn sie die einmal vereinbarte Bonusstaffel ausgeschöpft haben. Danach sei das Vorgehen der Geldhäuser in der anhaltenden Niedrigzinsphase gerechtfertigt, urteilte der BGH (Az. XI ZR 345/18).

Verbraucherschützer Frank Christian Pauli kritisiert: „Die Institute müssen sich fragen lassen, wie sie geschäftspolitisch dastehen, wenn sie Verträge kündigen, die Verbraucher im Vertrauen auf langfristiges Sparen abgeschlossen haben.“ Zudem prüfen Verbraucherzentralen, ob alle vertraglich zugesicherten Zinsen korrekt bezahlt wurden. „Es gibt hier teilweise Probleme“, sagt Pauli.

Die Deutschen, die als Sparweltmeister gelten, mühen sich tapfer weiter, ihre Scherflein zu mehren. Weil viele Anleger aus Angst vor Verlusten um Aktien einen weiten Bogen machen, kompensieren sie das Renditetief dadurch, dass sie immer mehr Geld zur Seite legen. Seit 2014 ist die Sparquote in Deutschland stetig gestiegen, 2018 lag sie nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes bei 11 Prozent. Von 100 Euro verfügbarem Einkommen werden 11 Euro auf die hohe Kante gelegt.

„Der Wunsch, jederzeit auf das Ersparte zugreifen zu können, ist auch in diesem Jahr offenbar höher als der Wunsch nach Rendite“, berichtet der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis. Der Verband hatte etwa 8500 Menschen unter anderem nach ihrem Anlageverhalten befragt.

Nahezu die Hälfte gab demnach an, aufgrund der niedrigen Zinsen in andere Anlageprodukte investieren zu wollen, oder dies bereits getan zu haben. Doch die Spareinlagen bei den Sparkassen in Deutschland seien in den ersten acht Monaten dieses Jahres lediglich um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen, sagte Schleweis. Die Summe der sogenannten täglich fälligen Gelder, also das Geld, das auf privaten Girokonten zur täglichen Verfügung steht, sei im selben Zeitraum sogar um 6,1 Prozent gestiegen. 480 Milliarden Euro würden bei den Sparkassen auf diese Weise verwaltet.

„Sparen und Zinsen haben entgegen der landläufigen Meinung relativ wenig miteinander zu tun. Fragen Sie sich selbst, ob Sie Ihr Sparen wegen niedriger Zinsen eingeschränkt haben: sehr wahrscheinlich nicht“, stellte der Chemnitzer Hochschullehrer Friedrich Thießen, Professor für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, in einem Interview im Juni 2018 fest. „Nützlich kann es jedoch sein, bei niedrigen Zinsen besser darüber nachzudenken, wie man spart.“

Gespart wird in Deutschland trotz mickriger Zinsen vor allem klassisch. Auch jüngere Menschen bevorzugen Spar- und Festgeldkonten (43 Prozent), wie eine kürzlich veröffentlichte Umfrage der Commerzbank-Tochter Comdirect unter 16- bis 25-Jährigen ergab. Gerade einmal 9 Prozent der Befragten haben demnach ein Wertpapierdepot.

Gleichwohl erwarten viele Sparer einer aktuellen Postbank-Umfrage zufolge üppige Renditen von durchschnittlich 4,6 Prozent - und überschätzen damit die Ertragskraft ihrer konservativen Anlage maßlos. Dazu kommt: Für Einlagen von 100.000 Euro an verlangen immer mehr Banken und Sparkassen Negativzinsen. Wer viel spart, wird also bestraft: Das Guthaben bei der Bank wird weniger.

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