Wetten mit Junk-Bonds An den Fersen der Geier-Fonds

Goldman Sachs und Co. machen mit Anleihen von Pleitestaaten das große Geschäft. Das kann sich auch für Privatanleger lohnen – nicht nur in Venezuela.

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Goldman Sachs kauft Anleihen von PDVSA. Quelle: Bloomberg

Alfons Cortés mag keine Anleihen. Diese, so der Mitgründer der Vermögensverwaltung Unifinanz aus Liechtenstein, finanzierten nur das Glück der Schuldner. Hätten diese Erfolg, strichen sie den Gewinn ein und zahlten am Verfallstag kaufkraftreduziertes Geld zurück.

Hätten sie Pech, bekämen die Anleger bestenfalls eine Konkursdividende. So gesehen signalisieren die üppigen Renditen von Anleihen des staatlichen venezolanischen Ölkonzerns Petróleos de Venezuela (PDVSA), dass die Konkursdividende im Pleitefall ziemlich dürftig ausfallen dürfte.

Die US-Investmentbank Goldman Sachs sieht das differenzierter. Sie kaufte in der vorvergangenen Woche für 865 Millionen Dollar PDVSA-Anleihen mit einem Rückzahlungswert von 2,8 Milliarden Dollar, also mit 69 Prozent Abschlag. Goldman kaufte die Anleihen aus dem Bestand der Banco Central de Venezuela. Für die weltgrößte Investmentbank war das ein vorteilhafter Kauf. Eine vergleichbare PDVSA-Anleihe (ISIN USP7807 HAM71), die Privatanleger an der Stuttgarter Börse kaufen können, wird mit nur 40 Prozent Abschlag auf den Rückzahlungswert gehandelt. Geht die Wette auf, dann kassierte Goldman bis 2022 inklusive Zinsen 3,7 Milliarden Dollar. Gewinn: rund 330 Prozent.

PDVSA

Für Privatanleger wären mit der in Stuttgart gehandelten Anleihe immerhin gut 150 Prozent drin – wenn alles gut geht.

Sonderkonditionen wie für Goldman Sachs und andere Großanleger gibt es für Privatanleger nicht. Trotzdem kann es lukrativ sein, sich an die Fersen derer zu heften, die aus Anleihen von Staaten in Schieflage Profit schlagen – der Geier-Fonds. Berühmt gemacht hat den Begriff der New Yorker Hedgefonds Elliott. Dessen Geschäftsmodell ist einfach: billig Schulden aufkaufen, möglichst mit Profit verkaufen. Klappt das nicht, dann wird der Schuldner verklagt, die gesamte Summe auszuzahlen. Elliott sammelte im Mai für einen neuen Fonds binnen eines Tages fünf Milliarden Dollar unter Investoren ein, darunter auch von wohlhabenden Privatanlegern.

Seinen Ruf verdiente sich Elliott-Gründer Paul Singer, als er 1996 Anleihen des damals überschuldeten Peru knapp zur Hälfte ihres Rückzahlungswerts kaufte. Nach einer Serie von Prozessen vor internationalen Gerichten knickte Peru im September 2000 ein und zahlte die Anleihen zurück, einschließlich aufgelaufener Zinsen. Elliott machte mehr als 300 Prozent plus. Nach ähnlichem Muster schlug Elliott 2001 nach der Staatspleite in Argentinien zu. Während sich andere Gläubiger auf eine reduzierte Rückzahlung einließen, verklagte Elliott Argentinien und ließ weltweit Vermögenswerte beschlagnahmen. Nach 15 Jahren ging die Rechnung auf. Elliott presste mindestens das Zehnfache seines Einsatzes aus dem südamerikanischen Land heraus.

Ausfall der Venezuela-Bonds fast ausgeschlossen

Schneller ins Ziel brachten Investoren Gewinne mit Griechenland-Anleihen. Zur Erinnerung: Im März 2012 einigte sich Griechenland mit seinen privaten Gläubigern auf einen Schuldenschnitt. Ihre Ansprüche reduzierten sich um insgesamt rund drei Viertel. Das für Anleger katastrophale Umschuldungsverfahren betraf allerdings nur jene Anleihen im Volumen von 177 Milliarden Euro, die nach griechischem Recht begeben worden waren. Weitere Titel über 29 Milliarden Euro hatte Athen im Ausland emittiert, etwa in der Schweiz oder in Großbritannien.

Diese Anleihen wurden nach dem Recht der jeweiligen Länder begeben, was einen Forderungsverzicht gegen den Willen der Gläubiger nahezu ausschließt. Wer sich damals also an klagefreudige Großspekulanten in diesen Anleihen orientierte, konnte prächtig verdienen (WirtschaftsWoche 12/2012). Eine nach Schweizer Recht begebene Anleihe, deren Kurs auf 25 Prozent des Rückzahlungswertes gesunken war, wurde im Mai 2013 komplett zurückbezahlt.

Als Griechenland im Juni 2015 erneut vor dem Bankrott stand, notierte eine Anleihe, die Griechenland im April 2014 nach der Rückkehr an den Kapitalmarkt platzierte, bei 45 Prozent. Wer, wie zahlreiche angelsächsische Hedgefonds, einstieg, kann heute gut 100 Prozent Gewinn vereinnahmen. Die Anleihe wurde nach britischem Recht begeben. Natürlich wussten die Käufer, dass Griechenland aus eigener Kraft weder Zinsen noch Schulden tilgen kann. Aber der europäische Steuerzahler würde die Rechnung schon bezahlen, so die Logik.

Doch wer zahlt die Rechnung in Venezuela? Goldman Sachs habe „wie ein Pfandleiher, der weiß, dass er Diebesgut annimmt, 865 Millionen Dollar an ein illegitimes und diktatorisches Regime geliefert“, sagt Russ Dallen, Chef der Investmentbank Caracas Capital Markets. Dabei ist die Logik hinter dem Deal einfach: Die Regierung des linksnationalistischen Staatschefs Nicolás Maduro braucht dringend Liquidität. Fast alle Deviseneinnahmen erzielt Venezuela aus dem Export von Erdöl. Außer seinen Goldreserven, die offiziell noch mit gut sechs Millionen Unzen angegeben werden, verfügt das Land kaum noch über Währungsreserven.

Und auch vom Staatsgold dürfte das meiste bereits an Investmentbanken verpfändet worden sein. Bisher setzte die Regierung des im Ausland mit geschätzt 180 Milliarden Dollar verschuldeten Landes die knappen Devisenreserven ein und bediente die Schulden fristgerecht. Dafür wurden allerdings die Importausgaben reduziert, selbst Lebensmittel werden knapp. Die konservative Opposition kämpft für eine Amtsenthebung Maduros, der für Krise und Versorgungsengpässe verantwortlich gemacht wird. Das Land versinkt im Chaos. Drei Gründe aber sprechen dafür, dass die Wette mit PDVSA-Anleihen aufgehen kann:

1. Sollte Maduro durch eine marktwirtschaftlich orientierte Regierung ersetzt werden, dürfte allein die Aussicht auf Reformen und Investitionen ausländischer Konzerne in die marode Ölinfrastruktur die Anleihekurse nach oben treiben.

2. Weder die aktuelle noch eine neue Regierung wird sich den Zugang zum Kapitalmarkt verbauen. Bei einem Zahlungsausfall droht die Ölproduktion zum Erliegen zu kommen, etwa durch Beschlagnahmungen und Liefersperren. Die wichtigste Einnahmequelle versiegte.

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von Thorsten Polleit

3. Die USA könnten helfen. Sie sind wichtigster Abnehmer des Öls, und PDVSA gehört der US-Ölkonzern Citgo, der in den USA drei Raffinerien, neun Pipelines, 48 Terminals und eine Tankstellenkette betreibt. Sollte PDVSA pleitegehen, fielen 49,9 Prozent von Citgo an den staatlichen russischen Ölkonzern Rosneft. Das Paket hatte PDVSA den Russen für einen Kredit verpfändet. Dass Teile der US-Energieinfrastruktur vom Kreml kontrolliert werden, dürfte kaum im Interesse der USA sein, zumal vor dem Hintergrund der fragwürdigen Rolle Russlands im US-Wahlkampf und der Beziehungen von Mitgliedern der US-Regierung zum Kreml.

Besonders pikant: Citgo hat die Antrittsparty von US-Präsident Donald Trump mit 500.000 Dollar gesponsert. Selbst eine Amtsenthebung des US-Präsidenten scheint deshalb wahrscheinlicher als ein Ausfall der Venezuela-Bonds.

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