
Carsten Rodbertus ist keiner, der schnell aufgibt. Der ehemalige Chef und Gründer des Windparkbetreibers Prokon wollte sich trotz der Insolvenz seines Unternehmens die Zügel nicht aus der Hand nehmen lassen. Sein Plan: auf einer Gläubigerversammlung am 22. Juli wollte sich Rodbertus zum Interessenvertreter der Genussscheininhaber wählen lassen.
Dafür gründete Rodbertus extra die "Arbeitsgemeinschaft für eine lebenswerte Zukunft von PROKON". Diese soll die Zerschlagung Prokons verhindern. Auf der Homepage wirbt Rodbertus: " Wenn Sie die Zerschlagung [...] nicht wollen, sondern wie wir eine Sanierung [...] anstreben, kommen Sie am 22.07.2014 nach Hamburg oder übersenden Sie uns ihre Vollmacht".
Prokon: Die Sicht der Bafin
Frage: Warum ist die Bafin ihrem Auftrag im Fall Prokon nicht nachgekommen und hat ihre Spielräume vollständig ausgenutzt?
Bafin: Bei Prokon handelt es sich um ein nicht von der Bafin beaufsichtigtes Unternehmen. Gesetzliche "Spielräume" sind daher nicht vorhanden. Die Bafin hat lediglich dann Ermessensspielräume, wenn sie zum einen gesetzlich zur Aufsicht über ein Unternehmen befugt ist und dieses Gesetz zum anderen auch einen Ermessensspielraum einräumt.
Bafin: Die Bafin überprüft jedoch den Vermögensanlagenprospekt, der für jedes öffentliche Angebot von Vermögensanlagen (also auch von Genussrechten) notwendig ist. Sowohl für Wertpapiere als auch für Vermögensanlagen ist ein Prospekt zu erstellen, wenn diese Produkte öffentlich angeboten werden sollen - entweder für Wertpapiere nach dem Wertpapierprospektgesetz oder für Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagegesetz (bis zum 1. Juni 2012 Verkaufsprospektgesetz). Der Prospekt wird auf die Vollständigkeit, Verständlichkeit und innere Widerspruchsfreiheit, die so genannte Kohärenz, geprüft. Das bedeutet zum einen, dass Angaben zu allen Mindestinformationen über die jeweilige Anlage und den Emittenten dieser Anlage im Prospekt enthalten sein müssen, also der Prospekt vollständig sein muss.
Bafin: Diese Mindestinformationen sind im Gesetz näher festlegt. So muss der Emittent beispielsweise über wesentliche Risiken der Anlage informieren. Zudem müssen die Informationen im Prospekt für den Anleger verständlich sein. Außerdem müssen die Prospektangaben widerspruchsfrei sein. Eine inhaltliche Prüfung der Prospektangaben findet nicht statt. Darauf ist im Prospekt an herausgehobener Stelle auch hinzuweisen. Die BaFin billigt den Prospekt, nicht jedoch das Produkt als solches. Sie trifft auch keine Aussage über die Seriosität oder die Bonität des Emittenten bzw. des Anbieters.
Bafin: Für den hier gegenständlichen Prospekt der PROKON Regenerative Energien GmbH & Co. KG aus dem Jahr 2005 galt jedoch noch das VerkProspG. Dieses sah einen Prüfungsumfang in Bezug auf die Vollständigkeit der Mindestangaben vor. Der Prospekt vom 19.10.2005 war vollständig und daher zu billigen, weil alle gesetzlichen Vorschriften eingehalten wurden. Aus diesem Grund war das öffentliche Angebot von Genussrechten der PROKON Regenerative Energien GmbH & Co. KG auch zulässig und konnte nicht von der BaFin untersagt oder gestoppt werden, da es hierfür keine rechtliche Grundlage gab.
Bafin: Zum Nachtrag gilt, dass die BaFin einen Emittenten oder Anbieter nicht zur Erstellung eines Nachtrags zwingen kann. Die Verpflichtung des Anbieters einen Nachtrag zu veröffentlichen, ergibt sich aus § 11 VermAnlG bzw. aus § 11 VerkProspG für Altfälle (also vor dem 01. Juni 2012 hinterlegte Verkaufsprospekte). Diese Vorschrift enthält jedoch keine Ermächtigungsgrundlage für die BaFin, einen Nachtrag zu erzwingen, sondern lediglich eine Verpflichtung des Anbieters, deren Erfüllung diesem in eigener Verantwortung obliegt. Der Emittent muss die Wichtigkeit einer Veränderung oder einer etwaigen Unrichtigkeit im Hinblick auf die Vermögensanlage oder den Emittenten selbst beurteilen, auch die Festlegung des richtigen Zeitpunkts für einen Nachtrag liegt im Ermessen des Anbieters.
Bafin: In den Anwendungsbereich des erst im Jahr 2013 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) fallen auch bestimmte Unternehmen, die Anlegergelder einwerben. Die BaFin hat auf dieser gesetzlichen Grundlage vor der Stellung des Insolvenzantrags im Januar 2014 eine Prüfung eingeleitet, ob die Firma Prokon mit ihrem Geschäftsmodell den verschärften Anforderungen des KAGB entsprechen muss.
Frage: Wie konkret setzen Sie die neuen Vorgaben des BMF bei der Aufsicht von Graumarkt-Unternehmen um?
Bafin: Zur Verfolgung eines risikoorientierten Ansatzes hat die BaFin Unternehmen, die aufgrund ihrer bisherigen Geschäftsmodelle unter das KAGB fallen könnten, die aber bisher noch nicht an die BaFin im Hinblick auf eine Anpassung an das KAGB herangetreten sind, angeschrieben, mit der Aufforderung zu erläutern, welche Maßnahmen zur Umstellung auf das KAGB eingeleitet wurden/werden.
Frage: Wie möchte Ihre Behörde in Zukunft Fälle wie Prokon verhindern?
Bafin: Etwaige regulatorische Schlüsse sind auf Ebene des Gesetzgebers zu ziehen, so dass ich Ihnen hierzu keine Informationen geben kann.
Anlegervertreter wie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) oder die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) halten das für Absurd. Schließlich habe Rodbertus das Unternehmen selber in die Insolvenz geführt - das passt nicht recht zum Amt eines Interessenvertreters der Anleger. Prokon musste im Januar einen Insolvenzantrag stellen. Rodbertus hatte viele Anleger mit dem Versprechen auf hohe Renditen und Investitionen in eine umweltgerechte Energieversorgung für sich gewonnen. Die versprochenen Renditen konnte Prokon aber nicht erwirtschaften; das Unternehmen ist zahlungsunfähig und überschuldet.
Einstweilige Verfügung
Auf dem Weg zu seinem angestrebten Amt als Lobbyist der Genussrechteinhaber muss Rodbertus nun allerdings eine Niederlage in Kauf nehmen. Denn das Landgericht Hamburg erließ eine einstweilige Verfügung gegen Rodbertus und drei seiner Mitstreiter. Beantragt worden war die Verfügung, welche WirtschaftsWoche Online vorliegt, vom Prokon-Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin.
Damit ist es Rodbertus und seinen Kollegen untersagt, die Bezeichnung "Prokon AG" oder "Prokon Arbeitsgemeinschaft" zu verwenden. Zuvor hatte er mit seiner Arbeitsgemeinschaft den Eindruck erweckt, auch diese gehöre zur Prokon Unternehmensgruppe. Diese Irreführung der Anleger soll damit unterbunden werden. Im Antrag auf einstweilige Verfügung heißt es: "Die Antragsgegner präsentieren sich als Hilfesteller der Genussrechtsinhaber der Schuldnerin
in den laufenden Insolvenzverfahren". Dort würden unter anderem Aussagen über die finanzielle Situation von Prokon getroffen. Außerdem ähnele das Erscheinungsbild der Homepage dem von Prokon erheblich. Ursprünglich war Rodbertus' Arbeitsgemeinschaft unter der Internetadresse www.prokon-ag.de zu finden, mittlerweile ist sie umgezogen auf www.rodbertus.com.
Zudem richtet sich der Antrag auf Unterlassung gegen die Werbemaßnahmen, die Rodbertus und seine Kollegen gegenüber den Genussrechteinhabern anwenden. Dies sei in der Öffentlichkeit sehr präsent, zudem würden Rodbertus und seine Mitstreiter zum Ausdruck bringen, dass sie "Maßnahmen und Ziele des Antragstellers (Insolvenzverwalter Penzlin, d. Red.) für nicht tragbar halten", heißt es in dem Schreiben.