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Corona-Virus: Das Depot sollte geimpft werden. Quelle: dpa

Coronavirus: Das Börsendepot sollte geimpft werden

Riskante Wette an den weltweiten Börsen: Die globalen Kapitalmärkte gehen aktuell von einem raschen und positiven Ausgang der Coronavirus-Epidemie aus. Doch was passiert, wenn sie sich alle irren?

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Seit Mitte Januar beherrscht ein in China neu aufgetretener Virus nicht nur Diskussionen in der Medizin sondern auch bei Ökonomen und Kapitalmarktexperten. Es handelt sich um das Coronavirus, von der Weltgesundheitsorganisation COVID-19 genannt. Die Aufmerksamkeit ist hoch, die Berichterstattung alarmistisch. Zum einen, weil vor 17 Jahren schon einmal ein neues Virus, damals SARS, vorwiegend in Hongkong aufgetreten, spürbare konjunkturelle Auswirkungen und Kapitalmarkteffekte hatte.

Zum anderen, weil mit China einer der Eckpfeiler der globalen wirtschaftlichen Dynamik vom Coronavirus getroffen ist. Hinzu kommt, dass die Beurteilung der Auswirkungen des Virus auf Ökonomie und Kapitalmärkte fließend ist, weil alle Beteiligten, Mediziner wie auch Kapitalmarktteilnehmer, erst lernen müssen, die genauen Eigenschaften und Folgewirkungen der Krankheit zu verstehen. So variiert die Einschätzung der Inkubationszeit meist zwischen drei und sieben Tagen, wird aber teilweise auch auf bis zu 26 Tage geschätzt. Zudem müssen sich die regionalen staatlichen Behörden abstimmen, wie sie einheitlich zählen und klassifizieren, was beispielsweise den Sprung der neu registrierten Fälle Anfang Februar auslöste.

Warum interessieren sich Kapitalmärkte so für ein neues Virus? Aufgabe von Kapitalmärkten ist ja nicht, menschliches Leid zu bewerten, sondern Werte für Kapitalanlagen zu ermitteln. Über 70.000 Fälle, über 1500 Tote sind natürlich für jeden, der davon betroffen ist, eine Tragödie. Zum Vergleich ein paar Zahlen zum zweiten Pfeiler der Weltwirtschaft, den USA, und der Grippewelle in der Saison 2019/2020: Im Januar 2020 gab es dort über 15 Millionen Infizierte mit mehr als 8000 Toten. Die Kapitalmärkte haben dies kaum zur Kenntnis genommen. Woher rührt also dieses hohe Interesse der Kapitalmärkte am Coronavirus?

Die Antwort ist geteilt: historischer Vergleich, Furcht und Ungewissheit. Im historischen Vergleich ist bekannt, dass SARS über ein Quartal eine nennenswerte wirtschaftliche Auswirkung und einen negativen Kapitalmarktimpuls hatte, der nur aufgeholt werden konnte, weil die Krankheit binnen weniger Monate besiegt war. Daneben gibt es die Furcht vor einer Krankheit, die zigfach tödlicher ist als Influenza, die zudem in der global arbeitsteiligen Welt die Werkbank China trifft und – je länger sie andauert – Lieferketten nachhaltig stören und unterbrechen könnte. Hinzu kommen wirtschaftliche Verluste, die durch eine geringere Ausgabeneigung entstehen. Tourismus und Gastronomie seien als potenziell sehr stark betroffene Branchen genannt. Furcht, Störung von Lieferketten, geringerer privater Verbrauch, all das birgt auch das Risiko des Anstoßens eines disinflationären Zyklus mit sich.

Nicht zu unterschätzen ist die Ungewissheit. Die Frage „Wo stehen wir jetzt beim Coronavirus?“ muss beantwortet werden: Wir wissen es nicht. Die Zahlen deuten auf eine Plateaubildung der neu Erkrankten in China hin, ein gutes Zeichen. Die Anpassung der Definition der Kriterien gegen Ende vergangener Woche in der Provinz Hubei auf den chinesischen Standard erhöhte die Zahl der Krankheitsfälle an diesem einem Tag um ein Viertel und stellte die Verlässlichkeit der Zeitreihe in Frage. Ungereimtheiten bleiben, wie diese, dass in Europa schon jetzt mehr Fälle aufgetreten sind als in der ganzen SARS-Periode, dass aber in einigen bevölkerungsreichen asiatischen Regionen offiziell gar keine zu verzeichnen sind, während Vietnam erstmals eine Kleinstadt mit zehntausend Einwohnern unter Quarantäne stellte, als erstes Land außerhalb Chinas.

Die Antwort „Wir wissen es nicht“ gibt es für Kapitalmärkte nicht. Man muss entscheiden. Und die Märkte haben sich entschieden, sie setzen derzeit auf ein ähnliches Verlaufsmuster, wie das, das wir bei SARS gesehen hatten: Aufholen der wirtschaftlichen Einbußen des hauptbetroffenen Quartals in den Folgequartalen. Gleiches galt damals für die Kapitalmärkte. Das mag auch die moderaten Kursverluste derzeit erklären, denn wenn Märkte auf ein Replay von SARS setzen, dann wäre es ja absurd, erst die Panik von SARS mitzumachen und dann die Aufholjagd zu starten. Märkte haben sich also für einen „positiven“ Ausgang positioniert. Das Risiko besteht damit in einer negativen Überraschung.

Neben der Erwartung eines analogen Ablaufs zu SARS vertrauen Märkte derzeit auch auf den Medikamentencocktail, der ihnen von der Geldpolitik verabreicht wird. Ganz vorne stehen dabei die Statements und Maßnahmen der Doktoren von den Notenbanken. Die People‘s Bank of China hat Liquiditätszuführungen, Zinssenkungen und Senkungen von Mindestreserveanforderungen vorgenommen, um negativen konjunkturellen und Konfidenzeffekten entgegenzuwirken. EZB und Fed signalisieren durch ihre Statements, dass sie bereit wären, stärkeren konjunkturellen Negativimpulsen mit weiteren geldpolitischem Stimuli entgegenzuwirken.

Was bedeutet das für den Anleger? Sie müssen sich im Klaren sein, dass Märkte derzeit überwiegend auf ein bestimmtes Ergebnis setzen, ohne die Ursache, COVID-19, in den Folgen wirklich abschließend beurteilen zu können. Ein gewisses Maß an Spekulation auf einen guten Ausgang ist also vorhanden. Guter Ausgang bedeutet hierbei ein Verlaufsmuster analog zu SARS. Der CEO von Alibaba hat zurecht darauf hingewiesen, dass die Gefahr eines „Schwarzen Schwans“ nicht gebannt ist, womit er eine weltweite Pandemie meinte, die dann eine globale Rezession mit allen Negativkonsequenzen für die Märkte nach sich ziehen würde.



Was tun? Wenn ich spekulieren müsste, würde ich auf einen ähnlichen, zeitlich leicht verzögerten Verlauf wie bei SARS setzen. Aber ich will nicht spekulieren, ich muss das nicht. Es gibt gerade in einer solchen Situation, in der man den Ausgang ehrlicherweise nicht wissen kann, Möglichkeiten, ein unsicheres Ergebnis zu adressieren. Risikoreiche Assets mit einer Absicherung zu versehen, wäre eine solche Strategie. Um die einfachste als Beispiel zu nennen: das heißt, Aktien mit einer Put-Absicherung auszustatten. Die Prämie des Puts ist dann voraussichtlich verloren, die Absicherung kostet etwas, aber man wäre im Falle eines „Schwarzen Schwans“ gesichert. Oder die Kombination von eher risikoreicheren Assets, die von einer schnellen Erholung profitieren, in Kombination mit sogenannten „Safe Haven“-Staatsanleihen bester Bonität. Letztere würden in dem Falle, dass die Krise länger andauert oder schärfer ausfällt als erwartet, von ihrer Zufluchtsfunktion profitieren.

Es ist also besser, nicht alles auf eine Karte zu setzen und das Portfolio in Zeiten des Coronavirus robuster machen.

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