WirtschaftsWocheClub-Gespräch Geldanlage „Der Boom ging an vielen Aktien vorbei“

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„Jedes Unternehmen, das kurzfristig die Erwartungen die der Markt hat, nicht erfüllt, ist interessant für uns“

Was sind die interessanten Stories, aus denen sich an der Börse noch Honig saugen lässt?
Vasiljevic: Wir sehen in Japan viele gute Unternehmen, sie sind wenig verschuldet, halten viel Geld flüssig und können es ausschütten oder investieren. Sie arbeiten auch nicht an Kapazitätsgrenzen wie manche US-Unternehmen. Außerdem sehen wir bei Schwellenländern noch Aufholpotenzial. In den USA gibt es auch im IT-Segment bei Speicherplatzanbietern interessante Unternehmen. Speicherplatz war früher ein zyklisches Geschäft, heute steckt in jeder Küchenmaschine ein Speicher. Die Branche wird noch als zyklisch bewertet, ist es aber nicht mehr. Solche Veränderungen kann man am Aktienmarkt nutzen.

Herr Boydak, Sie können auch auf fallende Kurse wetten bei einem speziellen Fonds. Ist das ein Hedgefonds?
Boydak: Nein, nicht ganz. Es stimmt, dass wir bei dem Loys Global L/S – das steht für Long-Short, auch von fallenden Aktienkurse profitieren. Dies ist aber als eine dauerhafte Absicherung des Portfolios zu verstehen und ist keine Wette auf zukünftige Kursrückgänge. Im Gegensatz zu Hedgefonds der Einzelaktien leer verkauft (also eine Aktie verkauft, die er nicht besitzt, um sie nach dem Kursrückgang günstiger liefern zu können) nutzen wir Indexfutures auf einen breiten Index wie zum Beispiel den Dax. Dadurch haben wir kein Risiko auf das falsche Pferd zu setzen und sichern unser Aktienportfolio im LOYS Global L/S immer zu rund 2/3 ab. Ansonsten sind wir aber auch hier konservative Investoren und beteiligen uns langfristig an Aktien, die besser laufen sollen als der Markt.

Welche Unternehmen sind für Sie interessant?
Boydak: Jedes Unternehmen, das kurzfristig die Erwartungen die der Markt hat, nicht erfüllt, ist interessant für uns. Wir wissen, dass die Deutsche Bank Probleme hat, es gibt Zulieferer, die für die Bank IT implementieren. Aber mitunter wird das IT-Budget gekürzt. Zulieferern brechen die Umsätze weg, der Markt ist enttäuscht und die Aktien fallen um 20 Prozent. Etwa der US-Anbieter Luxoft oder die Stuttgarter GFT-Technologies leiden darunter. Die Unternehmen sind gut, aber in einem chaotischen Umfeld. Wenn sie neue Kunden gewinnen und die Banken wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen, dann können diese Unternehmen auch bei den Umsätzen stark zulegen und werden am Aktienmarkt wieder entdeckt. Solche temporären Effekte wirken so stark, weil viele Investoren nur kurzfristig orientiert sind.

Orthen: Wir halten die meisten Aktien länger als ein Jahr. Der Großteil sind Unternehmen, die auf attraktiven Endmärkten unterwegs sind. Also etwa Automobil-Zulieferer, die langfristig von strukturellen Trends wie Elektromobilität und autonomem Fahren profitieren. Wenn Marktanteil, Wettbewerbssituation und Kapitalausstattung passen, viele Investoren aber das Wachstum unterschätzen, ist das für uns interessant. Mitunter können solche Unternehmen in eine hohe Bewertung hereinwachsen. Aus dem Dax war das etwa bei Infineon der Fall, der Halbleiterhersteller ist im Automobilbereich sehr stark aufgestellt und hat von diesen Trends profitiert. Vieles, was heute schon das Autofahren komfortabler und sicherer mach geht über Halbleiter und dies wird in Zukunft noch zunehmen. Das Unternehmen ist gut geführt, vielen aber noch aus der Internetblase bekannt. Die Erwartungen von damals werden heute Realität. Über strukturelle Themen hinaus versuchen wir aber taktisch auch Chancen etwa bei Restrukturierungen von Unternehmen zu nutzen.

Fassen Sie deutsche Banken, Autos oder Versorger an?
Orthen: Wir schließen keine Branchen aus, aber setzen Schwerpunkte auf attraktive Branchen, das heißt wachsende Märkte und gutes Wettbewerbsumfeld. Wir sind bei Tech und Finanzwerten übergewichtet, bei letzteren aber vor allem in Versicherern und Börsenbetreibern. Bei Autos sind wir untergewichtet, bei Zulieferern dagegen übergewichtet. Die Autobauer benötigen riesige Investitionen, da bin ich zur Zeit lieber auf der Seite der Unternehmen positioniert, die von vielen Investitionen profitieren, also den gut positionierten Zulieferern, als bei den Autobauern selbst.

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