WirtschaftsWocheClub-Gespräch Geldanlage „Der Boom ging an vielen Aktien vorbei“

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„Man lernt bei der Geldanlage wie beim Tennis mehr, wenn man verliert, als wenn man gewinnt“

Herr Vasiljevic, Lingohr&Partner ist dafür bekannt, dass sie auf Substanzwerte, so genannte Value-Aktien, setzen. Die waren aber lange nicht besonders populär. Jetzt läuft es bei ihren Fonds wieder gut. Woran liegt es?
Vasiljevic: Man lernt bei der Geldanlage wie beim Tennis mehr, wenn man verliert, als wenn man gewinnt. Man muss schauen, was lief falsch, was wir  besser machen müssen. Wir haben Modellanpassungen vorgenommen mit einem stärkeren Fokus auf die Bilanzstärke und die Cash-Reserven und das hat zur guten Performance beigetragen.

Herr Boydak, ihr Partner, Christoph Bruns hat seinen Sitz in den USA. Was hören Sie von ihm zum Markt dort?
Boydak: Die Amerikaner haben eine bessere Aktienkultur und sind näher am Kapitalmarkt, die US-Aktien sind deshalb auch tendenziell teurer. Wir sind in Europa Spielball der Amerikaner, weil sie schnell Geld aus Europa abziehen. Die USA aber laufen, auch die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Steuerreform hat einen Impuls gegeben. Uns finden sie nicht bei Netflix oder Tesla, wir sind eher in der dritten Reihe, wo die Scheinwerfer nicht leuchten. Weil wir bei Loys antizyklisch investieren, gehen wir lieber dorthin, wo die Rücksetzer höher sind und deshalb sind wir eher in Europa übergewichtet. Ein Wert den wir länger gehalten haben, jetzt aber gerade verkauft haben, ist der größter Eierhersteller in den USA, Cal-Main Foods. Wenn die Vogelgrippe ausbricht, steigen die Eierpreise. Eier können kaum im Essen ersetzt werden und daher ist der Effekt groß. Kürzlich haben wir ein Unternehmen getroffen, Maple Leaf, ein kanadischer Hersteller für Frühstücksspeck und Aufschnitt, er hat gerade Probleme, beliefert aber Märkte in denen der Verzehr von Schweinefleisch noch steigt.

WiWo-Club: Leser nahmen ebenfalls am Fondsmanager-Roundtable teil. Quelle: Bert Bostelmann für WirtschaftsWoche

Erwarten Sie eine Fusion zwischen Deutscher Bank und Commerzbank?
Boydak: Wir meiden Banken, weil die Gewinne ans Management gehen, aber die Eigentümer bleiben auf Schäden sitzen, da gibt es zu viele Asymetrien. Man könnte Argumente für einen Zusammenschluss von Deutscher und Commerzbank finden, aber ob das kulturell passt? Jeder der mal bei der Deutschen gearbeitet hat, hat ein Feindbild gehabt, das war die Commerzbank. Und das ist dann schwierig zu integrieren. Für den Regulierer wäre es gut, das Investmentbanking in den USA wäre dann weg, er wäre ein internationaler Unternehmsfinanzierer für die deutsche Wirtschaft.

Orthen: Ich investiere nicht auf Übernahmephantasien hin. Es ist für uns kein Investmentkriterium zu hoffen, dass eine Konsolidierungswelle im Bankensektor stattfindet.

Vasiljevic: Wir hatten im März 2016 ein Bankenübergewicht in Fonds mit vielen skandinavischen Banken, weil die es geschafft haben, neue Umsatzkanäle zu finden. Mittlerweile haben wird die Positionen abgebaut und stärker auf Versicherer und börsennotierte Vermögensverwalter gesetzt wie Azimut in Italien oder die Private-Equity-Gesellschaft 3i in Großbritannien. Banken sind bei uns mittlerweile leicht untergewichtet.

Was könnten die Performancesieger bis zum Jahresende sein?
Boydak: US-Technologieaktien haben momentan eine komfortable Führung. Kurzfristig sollte diese übers Ziel gebracht werden können.

Orthen: Ich habe den Blick eher auf den deutschen Markt gerichtet und erwarte hier weiter ein gutes Umfeld für strukturelle Trends und Aktien, die dort stark positioniert sind. Ich tippe daher auf den Techsektor und TecDAX.

Vasiljevic: Japan ist der attraktivste Markt, Tech-USA von der Nasdaq wird der Verlierer sein, weil er bis jetzt der beste war und die Bewertungen zu schnell angestiegen sind. Also eine sehr antizyklische Meinung.

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