WiWo Coach Annika Peters „Zu mir kommen viele Frauen, die mit Ende 30 noch kein eigenes Konto haben“

Quelle: imago images

Als zertifizierte Finanzplanerin berät Annika Peters insbesondere Frauen zu den Themen Altersvorsorge und Vermögensaufbau. Im Live-Interview auf Instagram hat sie darüber gesprochen, warum eheliche Gemeinschaftskonten häufig keine gute Idee sind, wie eine sinnvolle Geldanlage für den Nachwuchs aussehen kann und wieso es keine besonderen Geldanlageprodukte für Frauen braucht.

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WirtschaftsWoche: Frau Peters, wir haben im Vorfeld jede Menge Fragen zu diesem Thema bekommen. Das widerlegt das Klischee, dass sich Frauen nicht für Geldanlage interessieren. Ansonsten gibt es ja auch noch einige andere Klischees, was die Geldanlage von Frauen betrifft, zum Beispiel, dass Frauen ganz anders anlegen würden als Männer. Haben Sie in Ihrer Praxis diese Erfahrung gemacht?
Annika Peters: Ja, die Erfahrung habe ich gemacht. Verschiedene Studien zeigen auch, dass Männer ihr Geld überwiegend in Wertpapiere anlegen, während Frauen häufiger auf sichere Anlagen wie Tagesgeld setzen. Studien vom Deutschen Aktien-Institut sagen etwa, dass jeder vierte Mann, aber nur jede achte Frau an der Börse investiert ist. Und das ist auch meine tägliche Erfahrung. Allerdings stelle ich fest: Wenn Frauen sich trauen zu investieren, dann sind sie häufig auch die besseren Anlegerinnen. Weil sie ruhiger sind, weil sie ihrer Strategie treu bleiben und nicht so viel hin und her handeln, wie Männer das manchmal tun. Sie setzen außerdem lieber auf breit diversifizierte Fonds und ETFs. Das ist vor allem auf lange Sicht die bessere Anlage als mit einzelnen Aktien zu handeln.

Heißt das denn auch, dass Frauen tendenziell gelassener bleiben, wenn es mal rund geht? Im Moment haben wir ja eine ziemlich wackelige Lage an den Märkten: Die Inflation, der Krieg… Bekommen Sie viele Anrufe von aufgeregten Frauen oder bleiben die alle ganz ruhig?
Ich merke schon, dass die Frauen entspannter bleiben, die schon länger an der Börse investiert sind und die jetzt innerhalb von zwei Jahren vielleicht auch schon den zweiten Abschwung mitgemacht haben. Neulinge an der Börse reagieren häufig noch emotional. Und gerade ist wirklich eine emotionale Phase – da heißt es dann: einen kühlen Kopf bewahren, rational denken, auch wenn es manchmal schwerfällt. Und investiert bleiben, vielleicht sogar nachkaufen. Es ist auch gut, sich über Geld auszutauschen. Denn wenn ich drüber rede, werde ich selbstsicherer und dementsprechend besser beim Anlegen – und gehe eben nicht raus. Das ist der größte Fehler, den man machen kann, wenn man in solchen Abschwungphasen seine Aktien verkauft.

„Frauen-Finanzen“. Das heißt ja leider relativ oft, dass irgendwo steht: „Liebe Frauen, statt noch eine Louis-Vuitton-Handtasche zu kaufen, kauft doch lieber mal eine Aktie von LVMH“, also der Holding hinter Louis Vuitton und anderen Marken. Hat Sie allen Ernstes schon mal eine Frau nach einer Handtasche als Investment gefragt?
Ja, das kam tatsächlich schon mal vor. Es gibt ein paar Frauen, die in Handtaschen investieren und die sagen, dass sie damit gute Erfahrungen gemacht haben und dass die Taschen jetzt viel mehr wert seien. Das höre ich auch immer wieder in verschiedenen Finanzpodcasts. Es ist natürlich ein bisschen Liebhaberei: Die einen kaufen sich Sneaker, die anderen Oldtimer oder Gemälde – und da kann vielleicht auch eine Handtasche eine gute Anlage sein. Allerdings muss ich mich da wirklich mit beschäftigen. Mit der langfristig guten, breit gestreuten Anlage hat das nichts zu tun. Da sollte ich lieber auf Fonds und ETFs setzen.


Wie könnte denn gerade ein gut und solide aufgebautes Portfolio aussehen – ohne Handtasche?
Es sollte verschiedene Anlageklassen enthalten. Da muss ich mir die einzelnen Anlageklassen erst mal anschauen. Ganz grundsätzlich können wir unterscheiden zwischen Geldwerten und Sachwerten. Zu den Geldwerten zählen zum Beispiel das Tagesgeldkonto und festverzinsliche Wertpapiere, also Anleihen. Zu den Sachwerten gehören ganz klar Immobilien, Rohstoffe und Aktien. Häufig höre ich, dass ETF eine Anlageklasse sind. Das ist nicht der Fall. Also hier muss man ganz klar unterscheiden: ETF sind eine Anlagelösung, über die ich in verschiedene Anlageklassen, zum Beispiel Aktien, investieren kann. Ich bin der Meinung, heutzutage sollte man kein Anlageportfolio mehr haben, in dem Aktien fehlen. Denn es ist die einzige Möglichkeit, über die man heute noch breit gestreut Rendite erzielen kann. Das geht mit dem Tagesgeldkonto oder Bundesanleihen nicht mehr. Und deswegen gehören Aktien in eine Anlagestrategie mit rein. Immer so, dass es zu meinen Anlagezielen, zu meinem Anlagehorizont und zu meiner Risikobereitschaft passt.

Das ist jetzt aber ein Portfolio, das man genauso auch jedem Mann empfehlen könnte, oder?
Man braucht keine speziellen Produkte für Frauen. Auch ETFs, die explizit in Unternehmen mit Frauen investieren, sind ein Markt, der auf dieses Thema abzielen soll. Aber eigentlich braucht es das nicht. Wir brauchen keine anderen Anlageprodukte, wir brauchen vielleicht eine andere Ansprache. Wir tauschen uns anders über Geldanlagen aus und für uns sind andere Themen wichtig. Meine Erfahrung zeigt auch, dass das Thema „nachhaltig investieren“ für Frauen meistens deutlich interessanter und wichtiger ist als für Männer. Aber andere Produkte braucht es nicht.


Frauen gehen deutlich häufiger und auch länger in Elternzeit. Das hat natürlich gewisse Folgen, vor allem fürs Alter, da man nicht so hohe Rentenansprüche erarbeitet. Kann man das irgendwie über die Geldanlage ausgleichen?
Ja, das sollte man unbedingt ausgleichen. Wir Frauen haben ein paar Nachteile: Im Durchschnitt verdienen wir leider immer noch weniger als Männer und wir leben auch deutlich länger. Allein deswegen brauchen wir schon mehr Vermögen. Und wenn wir dann noch Auszeiten haben, die sich negativ auf die Rente auswirken, müssen wir einen Ausgleich schaffen.
Für die Altersvorsorge sind Aktien besonders gut geeignet, weil man in der Regel noch einen relativ langen Anlagehorizont hat und eine gewisse Rendite erzielen kann. Das Wichtigste ist: Ich muss darüber mit meinem Partner sprechen und das klar machen. Ich muss unterschiedliche Rentenansprüche analysieren und mir dann Lösungen suchen: Für die einen passt vielleicht wirklich der ETF-Sparplan. Aber es gibt auch noch Lösungen in Form von Rentenversicherungen oder von geförderten Altersvorsorge-Verträgen.
Ich bin ein großer Fan der Rürup-Rente, weil man sie mit ETFs kombiniert. Auch das kann als Baby-Ausgleichsrente durchaus geeignet sein. Aber dazu sollte man sich individuell beraten lassen.

„Bausparverträge sind nicht mehr geeignet“


Als Frau will man ja oft nicht nur für sich selber vorsorgen, sondern auch für die eigenen Kinder. Was kann man tun, um für sein Kind Geld anzulegen, damit es später einen Vermögensgrundstock hat?
Ein ETF-Sparplan ist eine super Lösung. Ich mache das für meine zwei kleinen Neffen. Die haben sofort mit der Geburt einen kleinen Sparplan gekriegt. Mit Abschluss der Ausbildung gibt es ja oft noch ein paar Träume, die sich die Kinder erfüllen wollen. Der Anlagehorizont ist länger als zehn Jahre, und somit sind Aktienfonds oder ETFs sehr, sehr gut geeignet dafür. Ganz wichtig finde ich aber, zuerst die eigene Altersvorsorge zu regeln und erst danach an das Kind zu denken.

Der Klassiker wäre ja eigentlich der Bausparvertrag oder das Sparbuch von Tante Hilda…
Bausparverträge sind nicht mehr geeignet. Auch das Sparbuch bringt überhaupt keine Rendite mehr.

Gibt es klassische Fehler, falsche Denkmuster oder Vorstellungen bei der Geldanlage, die Sie immer wieder zurechtrücken müssen?
Ja, die gibt es ganz, ganz stark bei Frauen. Viele sagen: „Geld ist mir nicht so wichtig, das macht mein Mann. Ich bin schon gut fürs Alter vorgesorgt.“ Das kann man sich fast nicht vorstellen. Aber in der Praxis kommt es tatsächlich vor, dass Frauen mit Ende 30 bei mir sitzen, kein eigenes Konto haben und das Gehalt auf das Konto des Mannes geht. Oder dass Eheverträge unterschrieben wurden, in denen ganz extreme Dinge drin stehen, die für die Frauen sehr von Nachteil sind, weil sie sich eben nie um das Thema gekümmert haben.


Viele Paare haben einfach nur ein Gemeinschaftskonto.
Ich bin der Meinung, dass eine Frau immer ein eigenes Konto braucht. Bei einem Gemeinschaftskonto ist immer die Gefahr da, dass das einer leerräumt. Und häufig ist es so, dass die Frauen nur denken, es sei ein Gemeinschaftskonto – es läuft aber auf den Namen des Mannes, die Frau hat nur eine Vollmacht und eine Vollmacht kann jederzeit widerrufen werden. Dann stehe ich als Frau ohne Geld da, habe vielleicht kleine Kinder, bin gerade in Elternzeit, muss eine neue Wohnung suchen, brauche einen Anwalt, um meinen Unterhalt einzuklagen… All das haben wir schon erlebt. Und deswegen ist es ganz wichtig, immer ein eigenes Konto zu behalten. Rücklagen zu haben, die ich nur für mich habe. Die mein Risikopuffer sind, wenn mal im Leben was nicht so läuft wie ich es geplant habe.

Wie hoch sollten die Rücklagen sein? Gibt es da irgendwie eine Faustregel?
Zwei bis fünf Nettogehälter, also so ganz grob 10.000 Euro, die nicht in Wertpapiere investiert sind, sondern ganz langweilig auf dem Tagesgeldkonto liegen. Als absolute Sicherheit. Viele sagen immer: „Wenn die Waschmaschine kaputt geht, dann habe ich das Geld.“ Aber es ist eben auch die finanzielle Unabhängigkeit, so dass ich sagen kann: „Ich gehe jetzt“ oder „Ich kündige.“

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Sie hatten ja gesagt, dass Frauen risikoscheu wären und mehr Sicherheit bei der Geldanlage wollten. Wie kann man denn ein Portfolio absichern oder relativ sicher anlegen?
Ist Sicherheit, das Geld auf dem Girokonto oder Tagesgeldkonto zu haben und keinen Wert zu verlieren – also, dass das Geld nicht weniger wird? Das ist eigentlich keine Sicherheit, denn es wird ja immer weniger wert durch die Inflation. Oder ist Sicherheit eine Rendite in Mindesthöhe der Inflation nach Kosten und Steuern? Das ist heutzutage die eigentliche Herausforderung, und deswegen würde ich erstmal herausarbeiten: Was ist denn für Sie Sicherheit? Mit wie viel Schwankung könnten Sie umgehen? Darauf basierend muss ich dann ein Portfolio aufstellen, das eine gewisse Aktienquote hat. Wenn ich sage: Ich bin risikobereit, ich habe einen langfristigen Anlagehorizont, dann kann ich wirklich in Aktien investieren, auch zu 100 Prozent, gerade für Sparpläne. Wenn ich aber sage: Ich brauche das Geld in drei bis fünf Jahren, ich möchte dann vielleicht eine Immobilie kaufen, umziehen oder ein Sabbatical machen, dann würde ich eine Aktienquote von 30 bis 35 Prozent empfehlen. Dann muss ich in solchen Marktphasen wie jetzt mit Schwankungen von maximal 15 Prozent rechnen, kann aber noch eine Rendite von zwei bis drei Prozent erwirtschaften – besser als das Tagesgeldkonto. Und danach muss ich die Anlagestrategie bestimmen: Danach, wie lang ist der Anlagehorizont ist. Nicht danach, was die gefühlte Sicherheit ist.

Das Gespräch wurde am 27. April 2022 live auf Instagram geführt und im Nachhinein verschriftlicht. Das Original-Video können Sie sich hier ansehen.

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