Zertifikate Wenn schon hebeln, dann richtig

Auf den Marktverlauf der Börse wetten und dann noch mit einem Hebelprodukt - das kann ins Auge gehen. Stimmt. Aber es gibt auch sinnvolle Hebel. Wie Anleger die Börsenbeschleuniger richtig nutzen.

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Finanzprodukte: Mit dem richtigen Hebel sinnvoll absichern. Quelle: Getty Images

Sie gelten als Ursprung allen Zockertums: Derivate – Finanzinstrumente also, mit denen Anleger auf alle möglichen Marktentwicklungen bei Dax, Dollar oder Aktien wetten können.

Der Name hinterlässt Grusel. Derivate, das waren doch die Papiere, die die Lehman-Bank herausgab, die daran pleiteging und dadurch die Finanzkrise 2008 auslöste. Allein in Deutschland hatten 40.000 Anleger insgesamt bis zu einer Milliarde Euro mit Lehman-Papieren verloren. Der damalige Finanzminister Peer Steinbrück bezeichnete Derivate als „Dynamitstangen, die an beiden Seiten angezündet werden“. Sein voraussichtlicher Nachfolger als SPD-Kanzlerkandidat, Sigmar Gabriel, fordert mit Blick auf die Derivate-Banken, man müsse „den Spekulanten den Stecker rausziehen“. Die Warnungen verhallen nicht ungehört: Nach Lehman hat sich das in Zertifikaten – das sind verbriefte Derivate – angelegte Geld auf 70 Milliarden Euro halbiert. Ist das die neue Ordnung oder doch schiere Panik?

Nicht alle Finanzinstrumente, die den Namen Derivat tragen, sind Teufelszeug. Die WirtschaftsWoche stellt drei Strategien von professionellen Anlegern vor, die seit vielen Jahren Derivate nutzen. Auch engagierte Privatanleger können diese Strategien umsetzen. Vor allem in wackligen Börsenzeiten sollte sich das auszahlen.

Grundbegriffe für Einsteiger

Strategie 1: Der Hebel für die Absicherung

Bernd Flothmann, Asset-Manager der Vermögensberatung Independent Capital Management (ICM), setzt Derivate seit mehr als 20 Jahren ein. „Während im privaten Bereich Haftpflicht-, Auto- oder Hausratversicherungen üblich sind, besteht im Anlagebereich Nachholbedarf, sein Geld vor unvorhersehbaren Risiken zu schützen“, sagt er. Gefahren für die Börsen könnten in diesem Jahr etwa durch einen unerwarteten Ausgang der Wahlen in Frankreich oder Deutschland entstehen, durch den Zusammenbruch maroder Banken oder die Folgen der Zinspolitik der Europäischen Notenbank. „2017 könnte turbulenter werden, als sich Optimisten ausmalen“, sagt Flothmann. Sein Fazit: Eine Absicherung mithilfe von Derivaten sei keine Spekulation, sondern eine defensive Strategie. Vor jeder Depotabsicherung steht die Frage, wie viel Risiko Anleger auf sich nehmen wollen. Eine Komplettabsicherung gegen Kursrückschläge ist möglich, aber – wie eine Vollkasko fürs Auto – ziemlich teuer. Flothmann plädiert für eine Teilabsicherung, die etwa zwei Drittel der möglichen Kursrückgänge abfedert.

Als Absicherungsinstrumente kommen Verkaufsoptionen infrage, Puts genannt. Diese Derivate steigen umso deutlicher, je stärker und heftiger Rückschläge an der Börse ausfallen. Die Absicherung sollte mindestens bis in den Herbst 2017, die Laufzeit der Optionen also mindestens bis Oktober gehen. Als Basispreis der Puts wählt Flothmann 11.500 Punkte, er sichert sich damit etwa das aktuelle Niveau des Dax ab. Sinkt der Dax unter 11.500, steigt der Wert der Puts. Klettert der Dax über 11.500, verfallen die Puts – so, wie bei einer nicht genutzten Versicherung die Prämie.

Anlagestrategien mit Zertifikaten und Optionen

Eine solche Absicherungsstrategie hat mehrere Vorteile. Zunächst sind Anleger im Aufwärtstrend überhaupt dabei und können dank Absicherung die Aktienquote sogar höher ansetzen als ohne Absicherung. Sollte es dennoch zu Rückschlägen kommen, gleichen die realisierten Kursgewinne aus den Puts die größten Verluste der Aktien aus.

Strategie 2: Anlagefavoriten mit Netz

Derivate stehen nicht in Konkurrenz zu klassischen Wertpapieren. Im Gegenteil: Mit ihnen lassen sich Investments in Aktien oder Anleihen verbessern. Eine Aktie wie Daimler ist wegen Rekordverkäufen bei Autos, starker Position im Wachstumsmarkt China und forcierter Digitalisierung vielversprechend, käme aber bei einer Marktkorrektur sicher nicht ungeschoren davon. Diese Gefahr lässt sich mit Finanzinstrumenten minimieren.

Christine Romar, Derivateexpertin der amerikanischen Citigroup, setzt in diesem Fall auf eine Kombination aus Zertifikaten und Verkaufsoptionen und beschreibt damit den zweiten Ansatz, Derivate einzusetzen, ohne gleich als Zocker verschrien zu werden. „Mit einer solchen Strategie können Anleger fast wie mit einem Direktinvestment profitieren, haben andererseits aber ein wesentlich geringeres Kursrisiko.“

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