Mal wieder im Minus mit dem Konto? Gerade zum Jahresbeginn kann das leicht passieren. Kaum sind die Ausgaben für Weihnachtsgeschenke und Winterurlaub abgebucht, landen im Januar zahlreiche Rechnungen für Versicherungen, Strom- und Heizkosten und allerlei weitere Jahresausgaben im Haus. Da rutscht ein Girokonto ohne großen Puffer leicht ins Minus.
Steht ein Konto in den roten Zahlen, kann sich die Bank freuen. Denn anders als für Guthaben auf dem Girokonto, für das die Banken aktuell kaum mehr als ein Viertelprozent Verzinsung bieten, liegt der Zinssatz für die Bankschulden häufig im zweistelligen Prozentbereich. „Für die Banken ist das schön, denn es handelt sich für sie um ein reines Mengengeschäft“, sagt Bankenexperte Wolfgang Gerke vom Bayerischen Finanz Zentrum. Der Verein sieht sich als unabhängige Plattform für innovative Projekte im Finanzsektor. „Im allgemeinen ist das Geschäft mit der Kontoüberziehung hoch profitabel – mit geringen Risiken und Schwankungen“, so der emeritierte Professor.
Was die Kreditinstitute freut, wird für den in Geldnot geratenen Kunden aber leicht zur Schuldenfalle, das Minus auf dem Kontoauszug schnell eine teure Angelegenheit. Dem Verbraucherportal biallo.de zufolge, verlangen die Banken für den eingeräumten Dispositionskredit derzeit 10,97 Prozent Zinsen. Zwar ist er damit seit Ausbruch der Finanzkrise in den vergangenen sechs Jahren von damals knapp 12,9 Prozent langsam gesunken. Der Rückgang fällt allerdings deutlich geringer aus, als beispielsweise die Guthabenzinsen auf Tagesgeldkonten. Die sind nach Analysen der FMH Finanzberatung (fmh.de) im gleichen Zeitraum von rund 3,4 Prozent auf heute nur noch 0,7 Prozent gesunken. Der Abstand zum Guthabenzins ist damit gestiegen.
Richtig teuer wird, wenn das Konto über den Disporahmen hinaus überzogen wird. Dann werden Überziehungszinsen fällig. Die liegen derzeit bei durchschnittlich 15,5 Prozent. 2008 erreichten sie in der Spitze 17,6 Prozent und liegen somit 2,1 Prozentpunkte niedriger als vor sechs Jahren. Die Kosten für einen Ratenkredit sind im gleichen Zeitraum von 9,24 auf 5,86 Prozent gesunken – ein Rückgang von immerhin 3,38 Prozentpunkten. Kurz: Der Ratenkredit hat sich viel stärker verbilligt, als der Dispo- und Überziehungskredit.
In Deutschland verfügen etwa 80 Prozent der Haushalte über einen Dispositionskredit. Überwiegend beträgt dieser zwei bis drei Haushaltsnettoeinkommen und wird von knapp dreißig Prozent der Haushalte auch genutzt – trotz der hohen Zinsbelastung.
„Die Spanne zwischen Dispo- und Überziehungskredit ist unakzeptabel hoch. Das ist ein kräftiges Zulangen der Banken“, konstatiert auch Gerke. „Bei dieser Spanne dürften zehn Prozent der Kredite ausfallen, ohne dass die Profitabilität des Geschäfts gefährdet wäre. So viele Schuldner fallen aber bei weitem nicht aus.“ Tatsächlich schätzen die Wirtschaftsforscher von ZEW und iff nach einer Untersuchung von 2012 im Auftrag des Bundesverbraucherministeriums die Ausfallquote auf lediglich 0,3 Prozent. Bei herkömmlichen Ratenkrediten erreicht sie hingegen einen Wert von 2,5 Prozent. Obwohl also die Risiken für die Kreditinstitute bei Ratenkrediten fast zehnmal so hoch sind, haben sich Ratenkredite um knapp 37 Prozent verbilligt, während Dispokredit nur um 15 Prozent günstiger wurden und Überziehungskredite sogar nur um zwölf Prozent im Preis sanken.
Banken verteidigen ihre Geschäftspolitik
Seit Jahren treten deshalb Verbraucherschützer dafür ein, die Zinsen für Kontoüberziehungen und Dispokredit nach oben zu begrenzen. Auch die ehemalige Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner forderte im Herbst 2012 eine Begrenzung und eine einheitliche Richtgröße für die verlangten Zinssätze, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung ist nur noch davon die Rede, dass die Banken verpflichtet werden sollen, „beim Übergang in einen Dispositionskredit einen Warnhinweis zu geben“. Nur wenn der Kunde den Dispo ständig und in erheblichem Umfang die Möglichkeit der Kontoüberziehung nutzt, soll er von der Bank zu alternativen Kreditformen beraten werden.
Während Politik und Verbraucherschützer die verlangten Zinsen für überhöht halten und Handlungsbedarf sehen, verteidigen die Banken ihre Geschäftspolitik. Die Deutsche Kreditwirtschaft, ein bundesweiter Dachverband der Banken mit Kreditgeschäft, betont die besondere Flexibilität von Dispokrediten und den damit einhergehenden hohen Aufwand. „Die Vorhaltung und Überwachung von Dispokrediten ist für die Kreditinstitute aufwändiger als bei anderen Kreditarten“, so Verbandssprecherin Cornelia Schulz. „Der größte Anteil der Dispozinsen ist auf unterschiedlich hohe Kostenbestandteile wie beispielsweise Refinanzierungskosten, Eigenkapitalkosten, Risikoprämie und die Kosten des operativen Geschäfts zurückzuführen. Zudem refinanzieren sich viele Banken in erster Linie über das Kundengeschäft; der Anteil der Refinanzierung über die Europäische Zentralbank nimmt in diesem Zusammenhang meist nur einen einstelligen Prozentanteil ein.“ Tatsächlich hatte die jüngste Zinssenkung der EZB von 0,5 auf 0,25 Prozent keinen signifikanten Einfluss auf die Höhe der Dispozinsen. Sie blieben ebenso wie die Überziehungszinsen unverändert.
Wolfgang Gerke hält von einer Obergrenze für Dispo- und Überziehungszinsen nicht viel. „Das Ziel ist schön und gut, aber wenn der Dispozins zum Beispiel an die Leitzinsen gekoppelt würde, könnte das auch dazu führen, dass das Zinsniveau insgesamt steigt“, so Gerke. Zudem enthielte das Bankengesetz ohnehin schon einen Wucherzinsparagraf, der wie eine Obergrenze wirke. „Der greift aber erst sehr sehr spät. Ich würde schlicht mehr Aufklärung der Kunden und mehr Vergleichbarkeit bei den Konditionen begrüßen.“ Der mündige Kunde könnte so leichter die Bank mit den fairsten Konditionen wählen.
Der Blick auf die verschiedenen Zinssätze für Raten-, Dispo- und Überziehungskredite scheint zu bestätigen, was viele Verbraucher denken: Wer Geldnot geraten ist, wird kräftig zur Kasse gebeten oder ist als Kunde unerwünscht. Wer das Geld aber nicht zwingend benötigt, bekommt es günstig hinterhergeworfen. Denn wer länger seinen Disporahmen ausschöpft oder sein Konto sogar darüber hinaus belastet, läuft Gefahr, dass die Bank den bis dahin kundenfreundlichen Kreditrahmen mit sofortiger Wirkung streicht und um den umgehenden Ausgleich seines Kontos ersucht – fälliger Zinsen inklusive. Wer aber zahlungskräftig ist und solide Finanzen vorzuweisen hat, wird von Banken regelrecht mit Werbung für günstige Konsumkredite bombardiert.
Wann die Dispofalle droht
Damit tun die Banken aber nichts Unlauteres. „Die spontane Kündigung des Dispos durch eine Bank ist legitim, aber für den Kunden natürlich unbefriedigend“, so Bankenexperte Gerke. Dabei haben die meisten Kunden, die ihr Konto überstrapazieren, gar kein Problem mit der Rückzahlung – sie gleichen ihr Konto in kurzer Zeit wieder aus. Sie nutzen die Überziehung des Kontos nur für kurzfristige Engpässe, zum Beispiel weil der Wagen in die Werkstatt muss oder die Waschmaschine den Geist aufgegeben hat. Wer aber seinen Dispokreditrahmen ausschöpft, um etwa bei vorübergehender Arbeitslosigkeit liquide zu bleiben, geht ein hohes Risiko ein. Banken werden schnell nervös, wenn die regelmäßigen Einnahmen plötzlich ausbleiben und das Konto in den roten Zahlen verharrt.
Dann aber droht die Dispofalle: Wer es nicht schafft, den kurzfristig verfügbaren Kredit zügig zurückzuzahlen, dem droht neben der Kündigung des Dispokreditrahmens durch die Bank auch ein weiteres Absacken in die roten Zahlen. Dann spricht die Bank von einer geduldeten Kontoüberziehung, für die die nochmals rund vier Prozentpunkte teureren Überziehungszinsen fällig werden. Die jeweils gültigen Zinssätze stehen auf den Kontoauszügen der Bank sowie in deren Preis- und Leistungsverzeichnung. Der hohe Überziehungszins wird dabei für den Kreditbetrag berechnet, der über das Dispolimit hinaus geht.
Das Adjektiv „geduldet“ ist dabei irreführend. Denn geduldet hat die Bank zunächst nur die Abbuchungen vom Konto über den Dispokredit hinaus. Dann aber endet die Geduld meist jäh: Banken fordern die Kunden zum Gespräch auf oder mahnen direkt den Ausgleich des Kontos an.
Für Kunden gibt es dann nur wenige Optionen. Gerke vom Bayerischen Finanz Zentrum rät Betroffenen dringend, rasch das Gespräch mit der Bank zu suchen – möglichst bevor die Bank dazu auffordert. „Das wird viel zu wenig gemacht“, sagt Bankenkenner Gerke. „Zwar haben die Bankmitarbeiter meist keine großen Spielräume bei den Konditionen, aber sie können eine Umfinanzierung in andere Kreditformen anbieten, etwa in einen Ratenkredit.“ Eine Umfinanzierung hat gleich mehrere Vorteile: Durch die Raten lernen die Kunden, ihre Ausgaben zu zügeln. Außerdem gibt es einen Ratenkredit in der Regel zu deutlich besseren Konditionen.
Alternativ zum Ratenkredit können klamme Bankkunden auch einen Abrufkredit nutzen. Dabei wird mit der Bank ein Kreditrahmen vereinbart, der vom Kunden flexibel abgerufen werden kann. Die günstigsten Banken verlangen dafür zurzeit einen Zins um die 6,7 Prozent - und damit deutlich weniger als für einen Dispokredit.
Wem die Geschäftsbedingungen der Banken nicht gefallen, kann darüber hinaus darüber nachdenken, die Bank zu wechseln. Im Rahmen von Produktevergleichen zum Girokonto lassen sich über die einschlägigen Vergleichsportale auch die verlangten Dispo- und Überziehungszinsen vergleichen – die Spanne reicht derzeit von 7,9 bis 12,9 Prozent. Die günstigsten Konditionen bieten regelmäßig die Online- und Direktbanken.
Wer also weiß, dass er immer wieder den Dispokredit nutzen wird, ist gut beraten, die Höhe der Dispozinssätze bei der Entscheidung für eine neue Bank zu berücksichtigen. Denn immerhin jeder sechste Haushalt, der einen Disporahmen eingeräumt bekommen hat, nutzt ihn regelmäßig. Und die Zinsen dafür berechnet die Bank tagesgenau. Nur wer schnell das Konto wieder ausgleicht, zahlt dann noch überschaubare Beträge – und kann dennoch mit einer günstigen Bank viel Geld sparen.