Zinsmanipulation Was Anleger im Libor-Skandal tun können

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Ansätze für Schadensberechnungen

Wo das Geld jetzt sicher ist
Bargeld Quelle: Sebastian_Wolf
Goldbarren und -münzenDas Edelmetall ist die Notfallreserve außerhalb des Finanzsystems schlechthin. Wer mit dem Schlimmsten rechnet, hofft, dass er kleinere Goldmünzen gegen Lebensmittel oder Medikamente tauschen kann, wenn Banken ihn nicht mehr mit Bargeld versorgen. Verwahren Anleger ihr Gold allerdings im Bankschließfach, kann es nach einer Bankpleite dauern, bis sie Zugriff bekommen. In Krisenzeiten fällt der Goldpreis mitunter. Großanleger wie Hedgefonds müssen ihren Goldbestand verkaufen, um flüchtende Anleger auszuzahlen. Da in Panikphasen andere Anlagen wie Aktien oder Anleihen stark an Wert verlieren oder illiquide werden, ist Gold dann eine der wenigen Anlagen, die sie noch zu Geld machen können. Quelle: dpa
Spareinlagen: Sparkassen/VolksbankenIhren Kunden versprechen Sparkassen, Landesbanken sowie Genossenschaftsbanken, dass sie Pleiten der zu ihrer jeweiligen Gruppe gehörenden Institute im Vorfeld verhindern. Meist geschieht das über Fusionen von schwachen mit stärkeren Mitgliedern. Kommt es zu keiner Pleite, muss auch kein Geld gerettet werden. Dadurch sollen auch Zertifikate und Anleihen vor einem Totalverlust sicher sein. Das ist ein Unterschied zu anderen Einlagensicherungssystemen. Die Solidarität funktionierte bislang, könnte aber bei der Schieflage großer Institute überstrapaziert werden. Quelle: dpa
Fresenius Quelle: Pressebild
Deutsche Börse Quelle: dapd
Investmentfonds Quelle: Wolfgang - S - Fotolia
Sparschwein Quelle: Edel Rodriguez

Für mögliche Schadensberechnungen gibt es bisher kaum oder nur vage Ansätze. Die Analysten von Macquarie meinen, die Libor-Sätze im Jahr 2008 seien im Schnitt um 0,41 Prozentpunkte nach unten manipuliert gewesen. Sollte Ähnliches für den Euribor gelten, hätten Käufer, die zum Beispiel 50.000 Euro in variable Anleihen von Ericsson vom 27. Juni 2007 mit Endfälligkeit am 27. Juni 2013 investierten, rund 200 Euro pro Jahr zu wenig an Zinsen kassiert.

Nur: Gegen wen Klage erheben? Gegen das schwedische Unternehmen selbst jedenfalls nicht, da der Telekommunikationsausrüster ja den Zinssatz nicht selbst manipuliert hat. Nur in einem Teil der Fälle also gibt es für Anleger überhaupt eine Chance auf eine erfolgreiche Klage, und in noch weniger Fällen lohnt es sich ökonomisch, einen Prozess anzustrengen.

Welche Anlagen vom Libor-Skandal betroffen sind

Rechtlich relevant sind vier Fälle:

Fall 1

Die Bank, von dem der Anleger sein Produkt gekauft hat, hat den Libor oder Euribor nachweislich manipuliert. Sofern das Produkt an den Interbankenzins geknüpft ist, kann der Anleger das Investment rückabwickeln. „Dazu reicht es, dass die Bank nicht darüber aufgeklärt hat, dass der Libor beeinflussbar ist“, sagt Daniela Gutermuth, Anwältin bei der Berliner Kanzlei Kälberer & Tittel. Der Anleger kann dann argumentieren, er hätte, falls er von der Manipulierbarkeit gewusst hätte, das Investment niemals abgeschlossen. Überzeugt er die Richter, bekommt er seinen Einsatz plus Zinsen wieder.

Gutermuth ist davon überzeugt, dass die Banken frühzeitig von den Risiken einer Zinsmanipulation hätte wissen können. Schließlich hätten deutsche Banken bereits 2008 über eine mögliche Einflussnahme auf den Libor diskutiert.

Hat die Bank manipuliert, also vorsätzlich gehandelt, ergibt sich für Anleger ein Vorteil: Die Verjährungsfrist von drei Jahren nach Bürgerlichem Gesetzbuch gilt dann auch für Altfälle; und zwar vom Zeitpunkt an, von dem an der Anleger von der Manipulation Kenntnis hatte. Diese Konstellation hat den Nachteil, dass der Bank eine Manipulation tatsächlich nachgewiesen sein muss. Solange die Bank eine Manipulation bestreitet und der Gegenbeweis fehlt, macht eine Klage keinen Sinn.

Fall 2

Der Anleger hat in ein Produkt investiert, das an den Libor geknüpft ist, aber von einer Bank stammt, die nicht manipuliert hat oder der keine Manipulation nachzuweisen ist. Hat die Bank nicht manipuliert, gilt bei Altfällen bis zum 4. August 2009, also vor der Gesetzesänderung, grundsätzlich noch die Verjährungsfrist aus dem alten Wertpapierhandelsgesetz. Demnach verjähren Ansprüche schon drei Jahre nach Geschäftsabschluss. Ob oder wann der Bankkunde von seiner Schädigung durch die Bank Wind bekam, spielt bei dieser Verjährungsfrist keine Rolle. Schadensfälle, bei denen der Bank kein Vorsatz nachzuweisen ist, wären demnach unter Umständen verjährt.

Die Chancen für die Anleger, ihr Geld zurückzubekommen sind anders als im Fall 1 gleich null. Helfen könnte nur der Nachweis eines individuellen Beratungsfehlers. Nur dann könnte der Anleger das gesamte Geschäft rückgängig machen. „Das wäre beispielsweise der Fall, wenn die Bank den Kunden nicht darüber aufgeklärt hat, was der Libor ist und wie er ermittelt wird“, sagt Sascha Giller, Anwalt der Kanzlei PWB Rechtsanwälte in Jena. Die Alternative wäre, die Höhe des Schadens zu berechnen, den die Libor-Manipulation beim Anleger verursacht hat. „Dazu müsste der Anleger den alternativen Zinsverlauf rekonstruieren können, was sehr schwierig bis unmöglich sein dürfte, weil ihn die Banken zum Teil auch nicht kennen“, sagt Andreas Tilp, Anwalt aus Kirchentellinsfurt bei Tübingen.

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