Zinsmanipulation Was Anleger im Libor-Skandal tun können

Seite 4/4

Gefährlicher Geldmarkt

Die Testamente der Banken
Logo von JP Morgan Chase Quelle: dpa
Bank of America Die Bank of America bleibt im öffentlichen Teil ihres Testaments ähnlich vage wie die übrigen Institute. Sie spricht unter anderem von unbestimmten Käufern (darunter „nationale, internationale und regionale Finanzinstitute“), die im Falle einer Pleite Teile der Bank übernehmen würden. Der Steuerzahler müsse nicht zur Hilfe kommen. Quelle: REUTERS
CitigroupDie Bank unter Firmenchef Vikram Pandit beteuert, im Fall einer Pleite abgewickelt werden zu können. Und zwar in einer Weise, die kein systemisches Risiko berge, die die Finanzmärkte nicht in Aufruhr bringe und keine Milliarden von den Steuerzahlern notwendig mache. Quelle: dpa
Goldman Sachs Laut dem Notfallplan würde die Investmentbank „rasch“ Geschäftsteile oder Vermögenswerte verkaufen und damit eine Liquidation vermeiden. Der Branchenprimus nutzt derweil sein Testament auch, um die ganze Übung indirekt als sinnlos zu bezeichnen. „Die Umstände, die zu einem Kollaps einer für das System wichtigen Institution führen, werden wahrscheinlich andere sein als in diesen Annahmen vorgegeben“. Quelle: REUTERS
Logo von Morgan Stanley Quelle: dpa
BarclaysDie britische Großbank kommt für das Szenario ihres Untergangs im öffentlichen Teil des Testaments mit einer halben Seite aus. Darin heißt es unter anderem, die Notfallpläne seien so ausgeklügelt, dass im Falle einer Pleite eine Katastrophe auf den Finanzmärkten nicht zu erwarten sei. Quelle: REUTERS
Deutsche BankDie Deutsche Bank deutet an, dass die US-Regulierer im Erstfall die deutsche Bankenaufsicht BaFin umgestört operieren lassen sollten. Dann sei die im Notfall zu gründende Überbrückungsbank in der Lage, die US-Firmenteile mit Liquidität zu versorgen. Quelle: dpa

Vor allem bei Geldmarkt- und sogenannten Absolute-Return-Fonds sind Anleger betroffen. Denn hier führt ein zu niedriger Libor- oder Euribor-Kurs auch zu einer niedrigeren Wertentwicklung der Fonds.

Da sämtliche Aktien- und Rentenfonds einen Teil ihres Geldes immer kurzfristig verzinst anlegen, spielen auch hier die Libor- und Euribor-Sätze eine Rolle. Über den Daumen gepeilt sind etwa fünf Prozent des gesamten bei heimischen Fondsgesellschaften angelegten Geldes liquide geparkt – das wären rund 95 Milliarden Euro, die wegen der Manipulationen zu niedrig verzinst wurden. Für die Jahre 2008 und 2009 wären Anlegern in den zwei Jahren insgesamt 742 Millionen Euro entgangen – gemessen an den Schätzungen von Macquarie zur Manipulationshöhe des Dollar-Libor.

Profitiert haben mitunter die Fondsgesellschaften selbst. Viele kassieren eine Erfolgsprämie, sobald ein Fonds einen Leitindex übertrifft. Und als Leitmaßstab dient bei vielen Fonds der Libor- oder Euribor-Satz. Nach einer Auswertung der Berliner Ratingagentur Scope nutzen 70 Absolute-Return-Fonds Libor-Sätze als Maßstab für ihre Erfolgsgebühren.

Libor-Skandal: Chancen von Klagen wegen Zinsmanipulation

Auch Zertifikate wären von Abweichungen des Euribor betroffen. Vor allem solche, die sich direkt auf den Zins beziehen. An der Börse werden derzeit mehr als 700 Zertifikate und Hebelpapiere gehandelt, die den Euribor direkt im Namen tragen. Dazu kommen mehrere Hundert Papiere, die als Geldmarktanleihe, Inflationsschutzzertifikat oder variable Anleihe (Floater) ebenfalls vom Euribor abhängen.

Einen Schnaps mehr

Wie sich ein abweichender Euribor konkret niederschlagen kann, zeigt eine Beispielrechnung anhand eines Zertifikats der Deutschen Bank, das direkt auf Privatanleger zugeschnitten ist: eine Zwölf-Monats-Euribor-Floater-Anleihe, herausgegeben im Dezember 2009 (ISIN: DE000DB2KS76). Das Papier bietet bis Laufzeitende im Dezember 2013 einen Zinskupon, der an die Höhe des Euribor gebunden ist.

Allerdings, fast alle Floater dieser Art bieten unabhängig vom Euribor eine Mindestverzinsung, in diesem Fall 1,5 Prozent pro Jahr. Zum ersten Stichtag am 15. Dezember 2010 notierte der Euribor bei 1,531 Prozent. Damit gab es einen Schnaps mehr als den Mindestzins. Am 15. Dezember 2011 stand der Euribor dann bei 2,001 Prozent. Würde man für den Euribor in den Jahren 2010 und 2011 theoretisch nun 0,4 Prozentpunkte mehr ansetzen, ergäben sich Zinssätze von 1,931 Prozent und 2,401 Prozent.

Würde man das theoretisch maximale Emissionsvolumen des Zertifikats von einer Milliarde Euro zugrunde legen, wären in zwei Jahren 80.000 Euro zu wenig an Zinsen an alle Anleger geflossen. Bei einer angenommenen Investition von 10.000 Euro eines einzelnen Investors fehlten ihm binnen zwei Jahren 80 Euro. Angesichts der auch ohne Manipulation rekordtiefen Zinsen wäre das mehr als nur ein völlig zu vernachlässigender Depotverlust.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%