Zschabers Börsenblick
Quelle: dpa

Der Stoff, auf den Anleger bauen können

Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist kein ausschließlich deutsches Problem, sollte aber ein Thema auch für deutsche Börsianer sein.

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Nicht zuletzt die politische Debatte und die Schärfe, mit der sie geführt wird, zeigen es deutlich: Der Bedarf an Wohnraum ist enorm, Wohnungsnot ist eines der drängendsten Themen unserer Zeit. Wenn Vertreter verschiedener Parteien über Enteignungen nachdenken, wenn der Juso-Chef die Forderung stellt, dass jeder nur die Immobilie besitzen dürfe, in der er wohne, und wenn das Justizministerium eine höhere Besteuerung der Vermietungsplattform Airbnb für eine ideale Lösung hält, dann wird deutlich: Die Politik ist hilflos. Und die Verbissenheit, mit der die Seiten ihre Argumente austauschen, macht auch noch einmal klar: Die Lage ist ernst.

Kein rein deutsches Phänomen

Nun ist geteiltes Leid in diesem Fall nicht wirklich halbes Leid, aber das Problem eines zu geringen Bestands an bezahlbarem Wohnraum ist keines, das auf Deutschland beschränkt wäre. Auch Länder wie Spanien haben damit zu tun, und auch wenn es nicht das oberste Anliegen der „Gelbwesten“ ist: In Frankreich ist bezahlbarer Wohnraum ebenfalls ein wichtiges Thema. In Deutschland ist das Problem womöglich gar nicht am größten. In einer UBS-Umfrage vom Ende vergangenen Jahres war unter den 14 teuersten europäischen Hauptstädten Berlin noch nicht einmal vertreten.

Grundsätzlich ist die Nachfrage nach Wohnungen in zahlreichen europäischen Metropolen deutlich größer als das Angebot. Laut der Europäischen Bürgerinitiative „Housing for All“ sind in Europa rund 82 Millionen Menschen mit Wohnkosten überbelastet; das entspricht immerhin der ungefähren Einwohnerzahl der Bundesrepublik Deutschland.

Ob es nun die Verfehlungen der Politik des jeweiligen Landes oder die Auswüchse der Zinspolitik der europäischen Zentralbank EZB sind, die die Entwicklung verantworten – im Zweifel trifft beides zu. Klar scheint, dass etwas getan werden muss. Gemäß dem Mechanismus der Marktwirtschaft, wonach Nachfrage und Angebot den Preis bestimmen, kann es nur bedeuten, das Angebot drastisch zu vergrößern; am Interesse an urbanem Leben und damit an der Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum dürfte sich schließlich vorerst nichts ändern. Das heißt nichts anderes als: bauen, bauen, bauen. Und um die Not zu lindern, wird bereits kräftig in den Wohnungsbau investiert. Es ist bezeichnend, dass der Bauboom hierzulande einen entscheidenden Beitrag dazu leistet, dass Deutschland nicht in die Rezession rutscht.

Nach dem Boom ist vor dem Boom

Als Börsianer, der die Chancen am Aktienmarkt sucht, ist dieses Umfeld ein interessantes. Denn wer sonst sollte von umfangreichen Baumaßnahmen profitieren, wenn nicht Bauunternehmen, Baustoffhersteller und Anbieter von Konstruktionsmaschinen?

Der Stoxx 600 Construction & Materials Index bildet die Entwicklung der wichtigsten in diesem Bereich tätigen Unternehmen ab und hat sich bereits in den vergangenen Monaten besser entwickelt als der EuroStoxx 50. Mithilfe eines ETFs kann der Anleger mit breiter Streuung in diesen Bereich investieren – aus Deutschland sind etwa Hochtief und HeidelbergCement vertreten.

Diese Diversifikation ist spätestens dann von Vorteil, wenn das eintritt, wofür es laut einigen kritischen Beobachtern bereits erste Vorboten gibt: eine Abschwächung in einzelnen Segmenten in Deutschland, etwa im Hochbau. Dann profitiert man als Anleger eben von anderen ambitionierten Infrastrukturprojekten: Da wären umfangreiche Baumaßnahmen, die die allseits geforderte Verkehrswende mit sich bringen wird, da wären internationale Mega-Projekte wie Chinas neue Seidenstraße – zu tun gibt es in jedem Fall genug für die Branche, und das schafft Kursfantasie gerade auch unter langfristigen Gesichtspunkten.

So kann der Anleger vom Boom der Branche profitieren, während sich die Politik noch die Köpfe heißredet und gegenseitig Kampfbegriffe um die Ohren schleudert.

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