Zschabers Börsenblick
Quelle: dpa

Große Probleme, riesige Chancen

Indien steht aktuell verstärkt im Blickpunkt: als Sorgenkind in Bezug auf Corona, als Hoffnungsträger internationaler Politik. Auch Anleger sollten sich das Land genauer anschauen.

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Die Daten, die Indien derzeit im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie liefert, sind auf den ersten Blick erschreckend: In der vergangenen Woche erreichte dort die Zahl der Neuinfektionen pro Tag erstmals die Marke von 200.000. Dass jüngst während eines wichtigen Hindu-Festes hunderttausende Inder im Ganges badeten und zudem vor dem Hintergrund diverser Wahlen Menschen zu mehreren Großkundgebungen zusammenkamen, dürfte das Infektionsgeschehen deutlich beschleunigt haben.

An Brisanz verlieren die Zahlen allerdings ein wenig, wenn man sie in Relation setzt. Natürlich ist die im Vergleich mit Deutschland sechsfache Anzahl an Neuinfektionen horrend – allerdings hat das asiatische Land auch rund 16-mal so viele Einwohner. Der Inzidenzwert liegt in Indien aktuell bei rund 80 – das ist weniger als in den meisten deutschen Kreisen. Das alles soll wohlgemerkt die Situation nicht verharmlosen. Es zeigt nur, dass der zweite Blick oftmals der genauere ist. Das gilt speziell auch an der Börse.
Im Zuge eines solchen genaueren Blicks hat die Bank of America (BoA) kürzlich die Dimension errechnet, in welcher die Corona-Krise Indien unter ökonomischen Gesichtspunkten zurückwirft. Das Ergebnis: Erst im Jahr 2031 wird Indien Platz drei der weltweiten Rangliste der Volkswirtschaften belegen, nachdem es Deutschland und Japan überholt haben wird – zuvor war die BoA davon ausgegangen, dass Indien dies schon 2028 geschafft haben würde. Basis der Prognose der Bank ist im Übrigen, dass das Land bis dahin ein jährliches BIP-Wachstum von neun Prozent erreichen werde.

Überhaupt zeigt Corona gerade die verschiedenen Gesichter Indiens. Auf der einen Seite ist es eben diese schiere Masse an Menschen und die teilweise dicht besiedelten Städte, die dem Covid-19-Virus seine Verbreitung erst ermöglichen. Auf der anderen Seite offenbart die Pandemie aber auch die Stärken Indiens: Bei der Impfstoffproduktion ist das Land dank eigener auf diesem Gebiet tätiger Unternehmen enorm weit vorne, unter anderem auch deswegen sind bereits mehr als 110 Millionen Inder geimpft worden.

Und selbst wenn einige Wirtschaftssektoren wie der Tourismus noch enorm unter der Krise leiden – die Digitalisierung, die in Indien schon extrem weit fortgeschritten ist und nicht erst wegen Corona zum Ziel ausgerufen wurde, kann die Ökonomie des Landes nach der Pandemie schnell wieder hochfahren lassen. Hinzukommt – und das gerade auch auf längere Sicht –, dass die Demographie zuversichtlich stimmt: Die Mittelschicht wächst und was das in einem Riesenland bedeuten kann, hat in den vergangenen Jahren der Nachbar China gezeigt.

Apropos China: Die politische Komponente ist etwas, was Indien deutlich vom Reich der Mitte unterscheidet. So gibt es aktuell ein großes internationales Interesse an einer politischen Partnerschaft mit Indien; die USA und die EU suchten zuletzt öffentlichkeitswirksam die Nähe zu Indien: Vergangenen Monat besuchte der neue US-Verteidigungsminister Austin seinen indischen Amtskollegen sowie Indiens Ministerpräsidenten Modi in Delhi. Und in der letzten Woche machte die Nachricht die Runde, dass die EU sich eine Stärkung der Partnerschaft mit Indien wünsche. Die Motivation der westlichen Welt ist klar. Man sucht ein Gegengewicht zum vermeintlich nicht nur in Asien übermächtigen China.

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Dass Indien auf internationaler Bühne derart umgarnt wird, dürfte dem Land alles andere als schaden. Zwar reicht Indien in punkto Wachstum nicht an das Niveau von China heran. Als Emerging-Markets-Beimischung in einem ausgewogenen Portfolio sollte das Land dennoch nicht fehlen, zumal der Subkontinent auf dem politischen Parkett nicht so polarisiert wie das Reich der Mitte. Indische Einzeltitel empfehlen sich zwar für Privatanleger weniger, aber mit einem ETF etwa auf den Leitindex Sensex stellen Börsianer dessen Potenzial bei entsprechender Risikostreuung ebenfalls gut dar.

Mehr zum Thema: Australien ist vergleichsweise gut durch die Coronakrise gekommen. Das spiegelt sich auch in der aktuellen wirtschaftlichen Verfassung des Kontinents wider.

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