TCI und Atticus Hedgefonds lassen Deutsche Börse in Ruhe

Umsatzflaute und neue Rivalen belasten die Deutsche Börse. Immerhin: Die Hedgefonds-Aktionäre machen keinen Ärger mehr. Vieles deutet darauf hin, dass sie ausgestiegen sind.

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Der Vorstandsvorsitzende der Quelle: dpa

Es ist eine Stunde des Triumphs – trotz 30 Prozent Kursverlust der Börsen-Aktie seit Jahresanfang, trotz bitterer Umsatzeinbußen der Terminbörsentochter Eurex, trotz neuer Attacken elektronischer Handelssysteme auf seinen Aktienhandel: Reto Francioni ist endlich Herr im eigenen Haus – und lässt denn auch gleich ein neues bauen, 90 Meter hoch, in Eschborn vor den Toren Frankfurts. Die Hedgefonds The Children’s Investment Fund (TCI) und Atticus, die Francionis Vorgänger Werner Seifert aus dem Amt kegelten und Francioni immer wieder mit Forderungen nach höheren Ausschüttungen und einer Zerschlagung der Börse nervten, sind ruhig – verdächtig ruhig. Der Börsenchef steht am Fenster seines provisorischen Konferenzraums, lässt den Blick über die Kräne schweifen und sagt über seine Hedgefonds-Aktionäre das, was er sagen muss: „Auch die Hedgefonds als Aktionäre der Deutsche Börse AG haben gesetzliche Meldepflichten zu beachten. Verkäufe wurden bisher nicht gemeldet. Solange sich das nicht ändert, sind sie unsere Miteigentümer, mit allen Rechten und Pflichten.“

Glaubt er das wirklich? „Kein Kommentar.“

Aus dem Aufsichtsrat verlautet, seit Monaten habe die Börse nichts mehr von TCI und Atticus gehört. Der Grund: Die Fonds sollen einen großen Teil ihres Aktienrisikos bereits im vergangenen Jahr über Finanzinstrumente abgegeben und wirtschaftlich gesehen nur noch eine kleine Beteiligung an der Deutschen Börse halten – so heißt es übereinstimmend in Frankfurter und Londoner Finanzkreisen. TCI und Atticus wollten das nicht kommentieren: Man äußere sich gewöhnlich nicht zu einzelnen Portfolio-Positionen. Als die WirtschaftsWoche TCI-Gründer Chris Hohn um ein Interview zum Thema Deutsche Börse bat, lehnte er mit der Begründung ab: „Wir halten nur eine kleine Position.“

Diese Begründung erstaunt: Offiziell halten die Hedgefonds seit dem 8. September gemeinsam 19,3 Prozent der Börsen-Aktien, beileibe keine „kleine Position“. Die Auflösung des Widerspruchs: Die Hedgefonds könnten einen Trick genutzt haben, der schon Porsche das Heranschleichen an Volkswagen und Schaeffler das Anpirschen an Continental ermöglichte – nur eben andersherum: Statt sich heimlich anzuschleichen, könnten sie sich heimlich davongeschlichen haben.

Heimlich davongeschlichen

Das Beste daran: Eine solche Aktion ist ganz legal. TCI und Atticus könnten durch Derivategeschäfte ihr Deutsche-Börse-Aktienrisiko abgegeben haben, ohne dies bei der Finanzaufsicht BaFin zu melden, sagen drei hochrangige Frankfurter Investmentbanker, die die WirtschaftsWoche unabhängig voneinander befragte. „Dass sich ein Unternehmen wirtschaftlich mittels Cash Settled Swaps die Möglichkeit offenhält, Stimmrechte abzugeben, ist für die Mitteilungspflichten grundsätzlich irrelevant, zumindest so lange, wie Stimmrechte nicht tatsächlich übertragen werden“, teilte die BaFin mit.

Dass es bei TCI Streit über die Absicherung von Aktienpositionen gab, zeigt ein E-Mail-Wechsel mit TCI-Mitbegründer Patrick Degorce, der Ende des vergangenen Jahres kündigte. Am 8. März 2008 schrieb Hohn an Degorce: „Ich fühle mich schlecht, dass wir (unsere Risiken) nicht ordentlich abgesichert haben... Vielleicht hätten wir einen Strategen anstellen sollen, um uns zu helfen. Vielleicht sollten wir das immer noch tun.“ Degorce will den Vorgang nicht kommentieren. Angeblich hatte sich allerdings Hohn gegen teure Absicherungsgeschäfte gesträubt, als es gut lief.

Monatliches Aktien-Handelsvolumen im Vergleich

Das deutsche Wertpapiergesetz verlangt eine öffentliche Bekanntmachung, wenn ein Aktionär die Schwelle von 3, 5, 10, 15, 30, 50 und 70 Prozent der stimmberechtigten Aktien eines Unternehmens über- oder unterschreitet. Bei speziellen Derivategeschäften („Cash Settled Swaps“) sichern sich die Akteure aber offiziell nur das Recht, Aktienpakete zu einem bestimmten Kurs zu kaufen oder zu verkaufen. Ihr Kursrisiko geben sie an Banken ab, die sich ihrerseits über Finanzinstrumente absichern. Weil nach einer bestimmten Laufzeit das Geschäft entweder in Aktien oder in bar ausgeglichen werden kann, gilt der Deal nicht als Veränderung der Stimmrechte – und nur die wären meldepflichtig. Politische Bemühungen, diese Lücke zu schließen, gingen ins Leere – in der Finanzkrise hat man in Berlin andere Sorgen. „Ich wage die Prognose, dass wir in dieser Legislaturperiode keine Verschärfung der Offenlegungspflichten mehr sehen werden. Seit der Lehman-Pleite glauben die Fraktionen, Wichtigeres zu tun zu haben“, sagt Hartmut Krause, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Allen & Overy, der Schaeffler bei der Übernahme von Continental beraten hat.

Dank des Einsatzes von Finanzinstrumenten haben die Hedgefonds wirtschaftlich betrachtet nur noch eine kleine Position an der Deutschen Börse, obwohl es rechtlich gesehen keine meldepflichtige Veränderung bei ihren Stimmrechten gab, heißt es in Finanzkreisen. Die 19,3 Prozent meldeten die Hedgefonds am 8. September 2008, als sie ihre Anteile zusammenlegten. Dieser Schritt könnte der Vorbereitung des Finanzdeals gedient haben.

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