Abschwung „Minus fünf Prozent Umsatz ist aus unserer Sicht ok“

Während der Langzeit-Krise zwischen 1995 und 2009 hat die deutsche Bauwirtschaft die Zahl ihrer Beschäftigten von 1,4 Millionen auf 700.000 halbiert. Quelle: imago images

Wie tief stürzt die Bauwirtschaft in die Krise? Olaf Demuth, bei der aufstrebenden Zech-Group in Bremen zuständig für drei Milliarden Euro Umsatz, warnt: „Im Gas-Lockdown hört der Bau sofort auf zu funktionieren“.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

WirtschaftsWoche: Herr Demuth, während der Langzeit-Krise zwischen 1995 und 2009 hat die deutsche Bauwirtschaft die Zahl ihrer Beschäftigten von 1,4 Millionen auf 700.000 halbiert. Der Anteil der Bau-Beschäftigten an der Zahl aller Erwerbstätigen sank von 4,1 Prozent auf 1,9 Prozent. Droht angesichts des derzeitigen Rezessions- und Krisen-Szenarios nun ein ähnlich massiver Einbruch?
Olaf Demuth: Die Lage ist fundamental anders als bei dem knallharten Niedergang nach dem Strohfeuer der Wiedervereinigungseuphorie. Mit dem personellen Aderlass hat die Branche damals Überkapazitäten abgebaut. Die gibt es heute nicht. Trotz des Aufschwungs über 15 Jahre hat die Branche nur langsam wieder Personal aufgebaut auf nun gut 900.000 Beschäftigte. Diese Zahl wird nicht erheblich sinken. Denn alle in der Branche stecken in einem Wettbewerb um die klugen Köpfe. Jeder will seine Leute halten. Dass uns Entlassungen bevorstehen wie Mitte der Neunziger-Jahre glaube ich also nicht. Es sei denn, im Winter fehlt der Industrie wirklich Gas und wir kommen in einen Gas-Lockdown. 

Der sich wie auswirkt?
Dann hört der Bau sofort auf zu funktionieren. Viele Baustoffhersteller können ohne Gas nicht produzieren, und auf den Baustellen geht nichts mehr. Anbieter etwa von Dachpfannen reduzieren angesichts der aktuellen Energiepreise ja bereits die Produktion.

Schaltet die Baubranche nicht bereits in den Krisen-Modus um? Ihr Spitzenverband sieht „keine guten Vorzeichen für das kommende Jahr“ und prognostiziert für 2022 unterm Strich einen realen, also preisbereinigten Umsatzrückgang von fünf Prozent. Ist das in der Zech Group nicht so?
Nominal planen wir in der Zech Group tendenziell eine Stagnation, eine Seitwärtsbewegung des Geschäftsvolumens. Preisbereinigt ergibt das auch bei uns ein Minus von fünf Prozent. Das deckt sich mit der Prognose des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie.

Zur Person

Beim Auftragseingang konstatiert der Verband ein preisbereinigtes Minus von fünf Prozent insgesamt und von 15 Prozent im August gegenüber dem Vorjahresmonat. Klingt dramatisch.
Das ist bei uns nicht so. Wir haben 70 Prozent der für 2023 geplanten Aufträge eingebucht. Diese Zahl liegt genau im Durchschnitt der letzten Jahre. Insgesamt haben wir anderthalb Jahresleistungen in den Büchern. Selbst zwölf Monate statt 18 wären noch gut.

Zech meldet also: keine Krise?
Nicht wirklich. Minus fünf Prozent ist aus unserer Sicht ok, weil wir das Unternehmen seit Jahren auf Überlast fahren. Das merkt man den Belegschaften auch an. Es wird gut sein, wenn der Druck etwas nachlässt..

Andere Unternehmen sagen uns, sie haben für 2023 noch keinen einzigen Auftrag sicher.
Man muss natürlich differenzieren. Einerseits ist vieles im Immobilienbereich getrieben von der Finanzierungswirtschaft, die riesige Vermögen investiert. Andererseits gibt es Geschäftsmodelle im Baubereich, die extrem leiden, weil sie schwerpunktmäßig von schwächelnden Segmenten abhängen.

Lesen Sie auch: „Immobilien können momentan nur noch wenige Investoren kaufen“

Von welchen zum Beispiel?
Shoppingimmobilien werden nicht prosperieren, bei Büroimmobilien gibt es Fragezeichen wie in jeder Rezession und weil nicht klar ist, wie der Trend zum Homeoffice sich langfristig auswirkt. Die Kommunen schreiben kaum noch Bauaufträge aus, weil ihre Etats es nicht hergeben. Für Unternehmen also, die Nebenstraßen erneuern und Kanäle sanieren, ist das fatal. 

Massiv eingebrochen ist der Wohnungsbau: minus 24 Prozent beim Auftragseingang im August. 
Aber der Bund wird aus politischen Gründen nicht zulassen, dass der Wohnungsbau auf längere Sicht so einbricht. Allein durch die notwendige Zuwanderung werden mehr Wohnungen gebraucht. 

Welche Baubereiche haben weiter gute Aussichten?
Das Bauen für große Infrastrukturmaßen auf Bundesebene nicht weniger – auch durch wichtige Vorhaben wie die neuen LNG-Terminals, den Umbau der Energieversorgungsstrukturen, die riesigen Investitionen ins Schienennetz oder die Sanierung von Brücken. Im privaten Bereich wird etwa im Industriebau ohne Ende investiert. Bei der Ausrüstung komplexer neuer Fabriken etwa für Batterieproduktion oder neue Automotive-Konzepte oder für die Chipherstellung sind Bauunternehmen ja nur Mittel zum Zweck. Ihr Anteil an der Gesamtinvestition ist da trotz der gestiegenen Preisen nicht entscheidend. 

Trotzdem gab es im Frühjahr Anzeichen einer Stornowelle.
…die im privaten Sektor aber ausblieb – außer im Wohnungsbau. Da haben wir auch Stornos erlebt. Aber in der Regel einigen wir uns gütlich. Die meisten, die bei einem Projekt plötzlich auf die Bremse treten, kommen später wieder mit einem angepassten Projektplan und neuer Finanzierung. 

Wie wirkt sich die vielschichtige Gemengelage auf die Zech Group aus? Sie haben 500 Stellen ausgeschrieben. Treten Sie da demnächst erst einmal auf die Bremse?
Nein, wir haben und wir planen keinen Einstellungsstopp. Jedes Jahr verlassen 11.000 bis 13.000 fertige Bauingenieurinnen und -ingenieure, Architektinnen und Architekten die deutschen Unis. Die können sich aussuchen, wo sie hingehen. Wir haben einen Arbeitnehmer-Markt. Unsere Rekrutierungsabteilung wächst deshalb enorm. Manche der 500 Stellen werden wir trotzdem nie besetzen. Das bremst uns in der Leistungssteigerung – ebenso wie die gestörten Lieferketten. Wir können Termine nicht sicher zusagen, weil wir etwa Chips für die Steuerung von Lüftungsanlagen warten. Nach 35 Berufsjahren ist das für mich eine ganz neue Erfahrung. Weil ein winziges Teil fehlt, das ein Zulieferer braucht, kriegen wir das Belüftungssystem eines Gebäudes und dadurch das ganze Haus nicht fertig. Auch das bremst die geschäftliche Entwicklung.

Agrarkonzern Was wirklich hinter dem Machtkampf bei der BayWa steckt

Nach dem Abgang des BayWa-Regenten Klaus Lutz räumt sein Nachfolger auf. Es war wohl höchste Zeit: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten streicht BayWa jetzt sogar die Dividende.

Villeroy & Boch „Buttermesser werden immer weniger nachgefragt“

Gabi Schupp muss Villeroy & Boch durch die Krise führen – und eine große Übernahme stemmen.

Standort Deutschland Wenn der Aufschwung nicht kommt, dürfte es eng werden für Habeck

Robert Habeck wollte den Aufbruch – und kämpft gegen den Abstieg der deutschen Wirtschaft. Längst geht es auch um seine politische Karriere.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Zech ist trotzdem neben Goldbeck inzwischen das größte Bauunternehmen in deutschem Besitz. Inhaber Kurt Zech hat für 2025 das Ziel von fünf Milliarden Euro Umsatz vorgegeben. Bleibt es dabei?
Das wird ja schon inflationsbedingt klappen. Im Ernst: Vielleicht müssen wir uns neue Ziele setzen.

Lesen Sie auch: Das Geheimnis zukunftsfester Immobilien

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%