Altersarmut Studie warnt: Deutschland wohnt sich arm

Eine neue Studie warnt vor Altersarmut - doch die Annahmen sind umstritten Quelle: dpa

Deutschlands führende Immobilienverbände haben eine Studie über die Zukunft des Eigentums herausgegeben. Darin warnen sie, dass immer mehr Deutsche sich im Alter arm wohnen – doch ihre Schlussfolgerungen sind umstritten.

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Die Gefahr droht im Jahr 2030, das wissen Wirtschaftsforscher, Rentenexperten und jetzt auch die deutsche Bauwirtschaft. Denn ab 2030 wird, rein statistisch, das Gros der Babyboomer in Rente gehen. Dann vollzieht sich das, was jetzt schon unter dem Etikett „Demografischer Wandel“ für Unruhe sorgt: Die Verhältnisse in Deutschland werden umgestülpt. Binnen kürzester Zeit verliert der Arbeitsmarkt Millionen aktiver Kräfte, die auf der anderen Seite nun als Rentenempfänger zur Belastung für die öffentlichen Kassen werden.

Auch eine am heutigen Mittwoch veröffentlichte Studie über Wohnungsbau schlägt nun Alarm. Erstellt wurde sie vom Hannoveraner Pestel-Institut, in Auftrag gegeben von sechs Dickschiffen der deutschen Immobilienverbände, darunter der Verband Privater Bauherren, die Architekten- und Ingenieurskammern sowie der Baustoff-Fachhandel. Diese Interessengemeinschaft fordert nun mehr Eigentumswohnungen statt Mietwohnungen.

Das Pestel-Institut hat erschreckende Zahlen errechnet: 40 Prozent der Babyboomer droht in ihrer Rente ab 2030 ein Leben mit weniger als 800 Euro im Monat aus der gesetzlichen Rente. Diese Situation wird dem selbsternannten „Verbändebündnis Wohneigentum“ zufolge noch verschärft, wenn sie zur Miete leben. Schließlich bleiben die Wohnkosten wie Miet-, Heiz- und Nebenkosten stabil, ja steigen oft sogar an – und drängten die Babyboomer-Senioren in die Armut.

Laut Studie sind 40 Prozent von Armut bedroht - doch in Realität sind es deutlich weniger

Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts warnt vor einer „konkreten Gefahr, sich arm zu wohnen“. Um die abzuwenden, brauche es einen „Wohnschutzschirm“: Eigentum, das mithilfe eines staatlichen Kreditprogramms und eines Freibetrags bei der Grunderwerbsteuer schon vor der Rente erworben werden kann. Zudem solle der Staat für 20 Prozent der Kreditsumme bürgen.

Mit dem von der Bundesregierung geplanten Baukindergeld gehen die Bauverbände hingegen hart ins Gericht: Das bewege nur diejenigen zum Hausbau oder -Kauf, die sich ohnehin Wohneigentum anschaffen wollten, und könne die Eigentumsquote selbst im besten Fall nur um 0,2 Prozent anheben. Ohnehin komme es zu spät für all jene, deren Kinder bereits aus dem Haus seien – etwa die Babyboomer.

Doch die Vorschläge der Bauwirtschaft sind nicht unumstritten. Schließlich will sie Menschen mit wenig Eigenkapital eine Immobilie ermöglichen. Verbraucherschützer kritisieren jedoch genau diesen Punkt schon heute: dass immer mehr Menschen mit kaum Eigenkapital zum Immobilienkauf verleitet werden. Für sie könne sich das Eigenheim leicht als Armutsfalle entpuppen.

Wie Finanzexperte Thomas Hentschel von der Verbraucherzentrale NRW erklärt, gibt es gleich mehrere Gefahren:
1. Wer ohne Eigenkapital finanziert, muss eine deutlich höhere Summe tilgen. „Aus unserer Sicht sollte eine selbstgenutzte Immobilie jedoch spätestens mit Eintritt in den Ruhestand getilgt sein“, sagt Hentschel. Je nach Alter müssten Hauskäufer also eine sehr hohe Tilgung vereinbaren – mit dem Risiko, bei unvorhergesehenen Ausgaben in Geldnot zu geraten.
2. Die Preise sind so stark gestiegen, dass sie bald wieder fallen könnten. Wer jetzt eine Immobilie kaufe, könne also ein Verlustgeschäft machen, warnt Hentschel.
3. Das Wohnen in einer selbstgenutzten Immobilie ist nicht umsonst, sondern in der Regel mit Kosten verbunden. Wer eine Wohnung besitzt, muss Hausgeld zahlen, wer ein Haus hat, Grundsteuer. Hinzu kommen Ausgaben für die Instandhaltung, etwa für neue Rohre, neue Fenster oder ein neues Dach, die schnell den Gegenwert mehrerer Jahresmieten erreichen.

Die Kaufpreise in deutschen Städten steigen noch viel stärker als die Mieten. Das Ergebnis ist eindeutig: Mieter sind vielerorts im Vorteil.
von Niklas Hoyer

Dennoch kann sich eine Immobilie als Altersvorsorge lohnen. Bei den Babyboomern, die noch kein Eigenheim haben, wird die Zeit bis zur Rente jedoch knappt: Sie müssen laut Hentschel mit Tilgungsraten von sieben bis acht Prozent rechnen. Wer sich das nicht leisten kann, aber dennoch bis 2030 seine Rentenlücke verkleinern will, der sollte privat vorsorgen, und zwar so schnell wie möglich. "Im Zweifelsfall sollte man schon jetzt seine eigene Konsumquote senken und das freiwerdende Geld in die Altersvorsorge stecken", rät Hentschel. Je nach Alter und persönlicher Risikoaffinität könnten sich eine Riesterrente, Betriebsrente oder ein ETF-Sparplan anbieten.

Ohnehin ist die Frage, wie viele der alarmierend klingenden 40 Prozent der Babyboomer tatsächlich von Altersarmut bedroht sind. Schließlich erhebt die Studie nur den gesetzlichen Rentenanspruch, viele sparen aber längst privat oder mit Hilfe ihres Arbeitgebers zusätzlich für den Ruhestand - und haben bereits eine Immobilie.

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