Anschlussfinanzierung So sparen Hauseigentümer Zehntausende Euro

Worauf beim Anschluss- und Forward-Darlehen zu achten ist. Quelle: imago images

Rechtzeitig vor Ende der ersten Finanzierungsrunde einer Immobilie muss eine Anschlussfinanzierung her. Die Verhandlungsbasis gegenüber Baufinanzierern ist jetzt besonders günstig. Worauf bei Anschluss- und Forward-Darlehen zu achten ist.

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Ich erinnere mich mit Freuden an unseren Hauskauf im Jahr 2010. Damals waren die Zinsen schon kräftig gefallen, die Immobilien aber bei weitem noch nicht so teuer wie heute. Damals hatte sich Nachwuchs angekündigt, die Mietwohnung wurde zu klein. Also machte ich mich gemeinsam mit meiner Frau auf die Suche nach Wohneigentum. Viel Eigenkapital hatten wir nicht, dafür ein gutes Einkommen. Und die Bauzinsen erschienen uns damals sensationell günstig. Denn ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater damals in den Neunzigerjahren nach zehn Jahren umschulden musste und statt bis dahin acht fortan elf Prozent Zinsen für sein Baudarlehen zahlen musste. Im Sommer 2010 lagen die Zinsen für Standardfinanzierungen eher bei drei bis vier Prozent. Also ergriffen wir die Gelegenheit und fanden nach einigem Suchen ein bezahlbares kleines Einfamilienhaus und eine Bank, die bis auf die Kaufnebenkosten das Häuschen am Niederrhein mit Einbindung eines KfW-Darlehens voll finanzierte.

Diesen Schritt haben wir nie bereut, im Gegenteil. Aber allmählich wurmen mich die damals vermeintlich niedrigen Zinsen. Denn wer wie ich vor ungefähr zehn Jahren die Gelegenheit nutzte, eine Immobilie zu finanzieren, bekam Haus oder Wohnung zwar noch zum relativ günstigen Preis, zahlt im Vergleich zu heute aber deutlich höhere Zinsen – und tilgt meist weniger als derzeit bei Neuabschlüssen üblich. Selbst wenn der Kreditvertrag noch keine volle zehn Jahre läuft – die Zinsbindung also noch fast zwei Jahre gilt –, kann sich eine Anschlussfinanzierung schon heute gleich doppelt lohnen. Zum einen können Eigentümer bei den Zinsen kräftig sparen, zum anderen lässt sich die Zeit bis zur vollständigen Rückzahlung verkürzen. Das erhöht die Planungssicherheit. Denn würde ich den Kredit zu heutigen Konditionen immer weiter so bedienen, würde es bis zur vollständigen Rückzahlung bis 2050 dauern. Dann wäre ich schon seit mehr als 15 Jahren im Ruhestand.

Mit einer Anschlussfinanzierung kann ich das ändern. Es ergeben sich gleich mehrere Vorteile, aber auch ein paar Fallstricke.

Die größten Finanzierungsfallen für Immobilienkäufer

Vorteil 1: Schnellere Tilgung

Im Jahr 2010 lagen die Hypothekenzinsen noch zwischen drei und vier Prozent, vor Ausbruch der weltweiten Finanzkrise im September 2008 lagen die Zinsen sogar noch um die fünf Prozent. Heute hingegen werden von den Baufinanzierern eher Zinssätze um die zwei Prozent oder sogar weniger aufgerufen. Zum Ende des vergangenen Jahrzehnts war auch meist der Tilgungssatz niedrig, zum Beispiel bei nur einem oder 1,5 Prozent, um die Monatsraten im Rahmen zu halten. Heute liegt die durchschnittliche Tilgung bei Neufinanzierungen bei knapp drei Prozent. Ich hatte mich für ein Prozent Tilgung entschieden. Bei gleichbleibenden Monatsraten verkürzt sich die Zeit bis zur vollständigen Rückzahlung eines Baudarlehens somit von damals 40 auf heute 27 Jahre bei drei Prozent Tilgung. Der Zeitpunkt, um die Kreditkosten zu senken und gleichzeitig die Tilgungsdauer zu verkürzen, ist somit besonders günstig.

Entscheidend für die Konditionen einer Anschlussfinanzierung sind zunächst die Höhe der Restschuld nach den ersten zehn Jahren sowie der dann taxierte Wert der Immobilie. Von diesen beiden Faktoren hängt der sogenannte Beleihungswert ab. Dieser gibt prozentual an, wie hoch die Kreditsumme im Verhältnis zum Immobilienwert ist. Muss die Bank etwa nur 50 Prozent des Immobilienwertes finanzieren, bietet sie wegen des geringeren Finanzierungsrisikos deutlich günstigere Konditionen als etwa bei einem Beleihungswert von 80 Prozent. Denn sollte der Kreditnehmer die Raten nicht mehr zahlen können, will die Bank die Immobilie verkaufen oder zwangsversteigern lassen, um die Restschuld aus dem Kreditvertrag zu begleichen. Dafür sichert sich die Bank eine erstrangige Grundschuld durch Eintrag in das Grundbuch.

Vorteil 2: Niedrigere Beleihung – weniger Zinsen und neue Kreditspielräume

Die Bank kann also niedrigere Zinsen bieten. Alternativ dazu eröffnet die niedrigere Beleihung aber auch neue Kreditspielräume, etwa für Modernisierungen oder Umbauten. Banken stehen dem in der Regel offen gegenüber, wenn sich dadurch der Wert der Immobilie erhöht. Denkbar sind etwa barrierefreie Umbauten, Wohnraumerweiterungen oder Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz.

Grundsätzlich dürfen Darlehensnehmer einen Baukredit nach Ablauf von zehn Jahren jederzeit mit sechsmonatiger Kündigungsfrist kündigen, auch wenn der Vertrag samt Zinsbindung eigentlich noch viele Jahre läuft. Sie müssen ihn dann zwar auf einen Schlag zurückzahlen, allerdings darf die Bank dann keine Extrakosten oder -gebühren wie etwa eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, das ist gesetzlich geregelt (§ 489 BGB).

Anschlussfinanzierung per Prolongation

Nach nunmehr achteinhalb Jahren in unserem Einfamilienhaus wittere ich die Chance, unser Haus viel billiger zu finanzieren. Zwar haben wir für das erste Darlehen eine Laufzeit von 15 Jahren vereinbart, aber Mitte 2020 (nach zehn Jahren plus sechs Monaten Kündigungsfrist) könnten wir in ein deutlich günstigeres Darlehen wechseln. Mit einem Forward-Darlehen könnten wir uns die derzeit noch sehr günstigen Konditionen sichern. Noch sind keine Zinserhöhungen absehbar und viele Experten glauben, dass die Europäische Zentralbank (EZB) erst 2020 oder noch später vom Nullzins für Banken abrückt. Aber nach der Zinswende in den USA steht auch fest, dass die EZB auf eine Gelegenheit wartet, nach mehr als einem Jahrzehnt die Zinsen wieder zu erhöhen.

Vorteil 3: Gute Verhandlungsposition im umkämpften Baufinanzierungsgeschäft

Für die Anschlussfinanzierung gibt es zum einen die Möglichkeit, beim bisherigen Baufinanzierer zu bleiben und den alten Kredit auf neue Konditionen umzustellen. Banken sprechen dann von einer sogenannten Prolongation. Alternativ kann sich der Kreditnehmer aber auch eine andere Bank mit günstigeren Konditionen suchen, seinen alten Kredit kündigen und so umschulden. Um sich über die Möglichkeiten einer Anschlussfinanzierung zu informieren, vereinbare ich deshalb zunächst einen Termin mit dem Baufinanzierungsberater unserer Sparkasse, die seinerzeit die Finanzierung übernommen hat.

Der Bankberater kennt das Szenario aus dem Effeff. „Damit ich Ihnen ein gutes Angebot machen kann, muss ich zunächst die Immobilie neu bewerten. Schließlich sind die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren ganz ordentlich gestiegen“, sagt er. Ich soll ihm eine Liste der erfolgten Umbauten und Modernisierungen erstellen, die den Wert der Immobilie seit der ersten Finanzierungsrunde zusätzlich erhöht haben könnten. „Bei der Erstfinanzierung orientiert sich die Immobilienbewertung in der Regel am Kaufpreis. Bei einer Anschlussfinanzierung können wir heute viele weitere Faktoren besser berücksichtigen“, gibt mein Bankberater zu.

Innerlich freue ich mich schon: In den vergangenen acht Jahren haben wir das Dach neu isoliert, Böden und Rollläden erneuert sowie das Achtzigerjahre-Badezimmer komplett modernisiert – barrierefrei, mit Fußbodenheizung und begehbarer Dusche. Außerdem haben wir bereits im Jahr nach unserem Einzug die Heizung modernisiert und sparen so im Vergleich zur alten Anlage rund 30 Prozent Energie. Der Wert unseres Häuschens dürfte so grob geschätzt zusammen mit der Erhöhung der Immobilienpreise vor Ort um mindestens 20, eher wohl 30 Prozent gestiegen sein.

Die Restschuld entspräche damit nur noch einer Beleihung von 69 Prozent gegenüber den 100 Prozent der ersten Finanzierungsrunde. Wegen des geringeren Risikos können Baufinanzierer dafür einen deutlich günstigeren Zinssatz bieten. Ich vergleiche die Konditionen über diverse Finanzierungsrechner im Internet. Bei einer Finanzierung über 15 Jahre mit drei Prozent Tilgung macht der niedrige Beleihungswert beim Zins schnell einen Unterschied von 0,5 Prozentpunkten aus.

Chancen eines Bankwechsels prüfen

Sofern mein Bankberater mir nach der Neubewertung ein konkurrenzfähiges Angebot machen kann, würde ich die Prolongation bevorzugen. Ein Verbleib beim bisherigen Finanzierer hat nämlich den Vorteil, dass die Grundschuld im Grundbuch noch eingetragen ist und wir bis zu dieser Höhe den Kredit auch noch aufstocken könnten, etwa für den Anbau einer Photovoltaikanlage oder eines Wintergartens.

Auf der anderen Seite ist das Baufinanzierungsgeschäft so umkämpft, dass es gut möglich ist, bei einer anderen Bank einen günstigeren Zins zu bekommen. Selbst mein Bankberater hat eingeräumt, dass so viele neue Baufinanzierer mit Kampfkonditionen im Markt seien, dass es für kleinere, regionale Banken immer schwieriger wird, wettbewerbsfähige Angebote zu machen. Der Nachteil: Die im Grundbuch eingetragene Grundschuld muss abgetreten oder aber gleich gelöscht und für die neue Bank neu eingetragen werden. Die Gebühren richten sich nach der Höhe der Grundschuld, die in der Regel den Restschulden entspricht. Für Notar und Grundbuchgebühren werden bei einer Abtretung einige hunderte Euro fällig, für Löschung und Neueintrag sind es ein paar hundert Euro mehr. Laut Faustregel lohnt sich ein Bankenwechsel, wenn die Zinsen für den Baukredit mehr als 0,2 Prozentpunkte unter dem Angebot der Hausbank liegen. Es lohnt sich also, genau zu rechnen.

Zehntausende Euro sparen und schneller schuldenfrei sein

Durch die heute deutlich niedrigeren Zinsen könnte ich bis zur vollständigen Rückzahlung Zehntausende Euro sparen. Das Verbraucherportal Verivox hat ein Beispiel berechnet. Wer Anfang 2008 einen Baukredit über 200.000 Euro aufgenommen hat, bekam bei 20 Jahren Zinsbindung einen Zinssatz von 4,88 Prozent. Zahlte er 1000 Euro monatlich, sind nach zehn Jahren noch Restschulden von rund 166.000 Euro übrig. Für eine Anschlussfinanzierung würde der Kreditnehmer heute beim günstigsten Anbieter nur noch 1,4 Prozent Zinsen zahlen. Bis zur Abbezahlung des Kredits könnte er durch die Umschuldung rund 50.000 Euro an Zinsen sparen. Viel Geld, das der Immobilieneigentümer besser in die Kredittilgung stecken kann. Auch ich möchte so viel Geld nicht liegen lassen.

Wie groß der Hebel bei einer günstigen Anschlussfinanzierung im Vergleich zu den Kreditkonditionen von 2010 ist, kann ich bei meinen Modellrechnungen auch an der Restschuld ablesen. Ausgehend davon, dass ich die jährliche Summe der Kreditraten damals wie heute auf fünf Prozent der Darlehenssumme beschränke, zeigt sich der große Hebel einer höheren Tilgungsrate. Wer etwa 2010 mit vier Prozent Effektivzins und einem Prozent Tilgung 200.000 Euro über 15 Jahre finanziert hat, muss spätestens 2025 eine Restschuld von knapp 159.000 Euro in einen neuen Kredit überführen. Bei einem heute üblichen Zinssatz von zwei Prozent und drei Prozent Tilgung zum Finanzierungsbeginn sinkt die Restschuld nach 15 Jahren bereits auf gut 95.000 Euro. Die also zusätzlich getilgten 66.000 Euro verkürzen nicht nur die Zeit bis zur vollständigen Rückzahlung, sondern erleichtern auch deutlich die Anschlussfinanzierung. Es empfiehlt sich also bei einer Anschlussfinanzierung, die Monatsrate nicht zu senken und die niedrigen Zinsen für eine höhere Tilgung einzusetzen.

Womöglich bietet sich auch gleich ein Volltilger-Darlehen an, dass bis zum Ende der Kreditlaufzeit vollständig zurückgezahlt ist. Viele Banken belohnen die Planungssicherheit mit einem zusätzlichen Zinsrabatt von ein oder zwei Zehntel-Prozentpunkten.

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Timing mit Forward-Darlehen – je früher, desto teurer

Selbst wenn ich mir schon heute – also nicht ganz zwei Jahre von Ablauf der ersten zehn Jahre – die aktuell günstigen Kreditkonditionen für eine Anschlussfinanzierung Mitte 2021 mit einem Forward-Darlehen sichern will und dafür einen Zinsaufschlag hinnehmen muss, würde sich das im Vergleich zum alten Darlehen bezahlt machen. Ein Konditionenvergleich über den Vergleichsrechner der WirtschaftsWoche weist für den günstigsten Anbieten einen nur um 0,18 Prozentpunkte höheren Zinssatz für das Forward-Darlehen aus. Bei teureren Anbietern steigt dieser auf bis zu 0,45 Prozentpunkte. Dafür gibt es aber einen günstigen Kredit zwei Jahre im Voraus.

Aber ich werde noch etwas warten. Zumindest für die nächsten sechs Monate sieht es nicht nach Zinserhöhungen aus. So kann ich in Ruhe die Unterlagen für die Immobilienbewertung sammeln und weitere Modernisierungen planen. Und je kürzer ein Forward-Darlehen bis zur Auszahlung braucht, umso günstiger wird es – und umso höher kann der Wert unseres Häuschens klettern. Ich werde das im Blick behalten.

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