Ist die Baubeschreibung jedoch wie in vielen Fällen lücken- oder fehlerhaft, greifen allgemeingültige Maßstäbe. Laut Gesetz liegt ein Baumangel vor, wenn ein Bauwerk nicht den vereinbarten Eigenschaften entspricht oder nach den Regeln der Technik und der handwerklichen Sorgfalt nicht die zu erwartenden Eigenschaften und Funktionen aufweist, wie sie bei Bauwerken gleicher Art üblich sind.
Diese Maßgabe gilt für ein Fertighaus ebenso wie für das Architektenhaus oder Einzelarbeiten wie das neue Badezimmer, die neuen Rollläden oder den neuen Fliesenboden.
Weigert sich der Bauunternehmer oder Handwerker hartnäckig, den Mangel anzuerkennen und seine Beseitigung zuzusagen, bleiben dem Bauherrn verschiedene Optionen.
Sachverständigen rufen
Sperrt sich der Bauunternehmer mit Sätzen wie „Das machen wir schon seit 20 Jahren so“, kann im ersten Schritt ein Gutachten durch einen Sachverständigen helfen. Daraus geht hervor, wo die Ursachen der Mängel liegen und wie viel ihre Beseitigung kostet. So ein privates Gutachten reicht in vielen Fällen aus, um den Bauunternehmer zum Einlenken zu bewegen.
„Vor allem große und seriöse Baufirmen lenken oft ein. Ungefähr 40 bis 50 Prozent meiner Mandate enden nicht vor Gericht“, berichtet Ralf Wortmann, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in Magdeburg. Nachteil: So ein Privatgutachten ist vor Gericht meist nicht verwendbar, weil es nur von einer Vertragspartei in Auftrag gegeben wurde.
Häufige Handwerkertricks
Die meisten Beschwerden über Handwerker erreichen Schiedsstellen und Verbraucherschützer wegen überhöhter Rechnungen, die deutlich über den Kostenvoranschlag hinaus gehen. Grundsätzlich ist ein Kostenvoranschlag aber unverbindlich – die Branche spricht auch von einem „freibleibenden Angebot“. Damit kann der Handwerker mit seiner Rechnung auch über den Kostenvoranschlag hinausgehen. Gerichte erkennen Preiserhöhungen von zehn bis 20 Prozent noch als vertretbar an. Der Handwerker ist nur dann an den Kostenvoranschlag gebunden, wenn explizit ein Festpreis, also ein verbindlicher Kostenvoranschlag, vereinbart wurde.
Das Angebot vieler Handwerker „ohne Rechnung wird es etwas billiger“ mag verlockend klingen, schließlich spart der Kunde so mindestens die Mehrwertsteuer. Der Haken: Wer Handwerker schwarz beschäftigt, hat auch keinen Gewährleistungsanspruch. Die Durchsetzung von Mängelbeseitigungen wird erschwert. Handwerker dürfen im Vertrag aber die Gewährleistung ausschließen. Prüfen Sie das Kleingedruckt und die AGB daraufhin. Wird dort etwa statt der sonst üblichen Gewährleistung nach Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) die Anwendung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauarbeiten (VOB/B) vereinbart, schränkt dies die Gewährleistung ebenfalls ein.
Wer aus Not nachts einen Installateur oder Schlüsseldienst kommen lässt, muss mit Zuschlägen für den Nacht- oder Wochenendeinsatz von 50 bis 70 Prozent auf den üblichen Stundenlohn leben. Mehr ist unüblich und zu beanstanden. Ein Zuschlag auf die Gesamtrechnung ist unzulässig. Und Handwerker, die mittags gerufen werden, aber erst nach der regulären Arbeitszeit auftauchen, dürfen auch keine Zuschläge verlangen.
Was tun, wenn statt eines erwarteten Handwerkers zwei vor der Tür stehen? Sicher, es gibt Arbeiten, für die vier Hände nötig sind. Aber zum einen muss der Auftraggeber das nur da, wo nötig, akzeptieren. Zum anderen sollte er darauf achten, dass die ungelernte Hilfskraft, die als Handlanger fungiert, auf der Rechnung nicht als teurer Facharbeiter auftaucht - mit deutlich höherem Stundensatz.
Vielleicht haben Sie das schon erlebt, als Sie mir Ihrem Auto zur Inspektion in eine Werkstatt fuhren: Anstatt sich auf den fälligen Ölwechsel und Filteraustausch zu beschränken, eröffnet Ihnen der Mechaniker, die Stoßdämpfer seien angeschlagen und sollten getauscht werden. Für einen Laien ist das schwer zu überprüfen. Wer aber einen zweiten, vertrauensvollen Automechaniker um Überprüfung bittet, erfährt mitunter, dass es die Stoßdämpfer noch tun und erst getauscht werden sollten, wenn sie tatsächlich die Funktion verweigern. Über Schlüsseldienste zum Beispiel gibt es immer wieder Beschwerden, sie würden unnötigerweise bei der Öffnung einer Tür auch das Schloss beschädigen und unnötigen Ersatz verkaufen und installieren. Ist die Waschmaschine defekt, genügt manchmal ein Stück Schlauch für die Reparatur, der Handwerker baut aber gleich eine neue Pumpe ein. Eine zweite Meinung kann auch hier helfen, viel Geld zu sparen.
Gerade bei Bauarbeiten ist dem fertigen Werk aber nicht unbedingt anzusehen, welche Materialien darin verarbeitet wurden. Kritiker von Baupfusch beklagen immer wieder, dass Arbeiten nicht gemäß der Bauvorschriften durchgeführt wurden und zum Beispiel zu wenig Isoliermaterial Anwendung fand. Eine Prüfung der Dekra ergab, dass es im Hausbau durchschnittlich 32 Mängel gibt. Auf der Abrechnung sieht es dann aber so aus, als entspräche alles den Bauvorschriften.
Grundsätzlich gibt es Materialien, bei denen auch mit Verschnitt gerechnet werden muss, zum Beispiel bei Bodenbelägen oder Wandfliesen. Zuviel sollte es aber nicht sein. Die Versuchung ist groß, deutlich zu viel Material zu berechnen, als tatsächlich benötigt. Vor allem da, wo es von außen nicht sofort ersichtlich ist. Handwerker sollten in der Lage sein, zu erklären wo und wie viel sie von dem Material verwendet haben.
In der Regel sollten Handwerker nicht mehr als 15 Minuten Autofahrt berechnen. Muss der Handwerker nochmal zurück zum Betrieb um fehlende Ersatzteile oder Werkzeug zu holen, muss der Kunde das nicht zahlen. Es ist das Versäumnis des Handwerkers. Für die Zeit der Abwesenheit kann natürlich auch kein Stundenlohn verlangt werden. Schlüsseldienst fielen Verbraucherschützer oft negativ auf, weil sie in den Gelben Seiten mit lokalen Rufnummern werben, aber letztlich ein Callcenter die Anfragen entgegen nimmt und Handwerker mit langer Anfahrt zum Kunden schickt.
Wer unsicher ist, ob ein privates Gutachten ausreicht, um den Bauunternehmer von seiner Gewährleistungspflicht zu überzeugen, sollte einen Anwalt konsultieren. „Zum Anwalt gehen die Bauherren, wenn sie merken, dass sie mit ihren Forderungen beim Bauunternehmer nicht weiter kommen, oder wenn ein baubegleitender Sachverständiger einen schwerwiegenden Mangel feststellt“, weiß Wortmann aus Erfahrung. „Das passiert in jeder Bauphase, manchmal auch erst nach Abnahme des Baus.“
Beweise für späteren Rechtsstreit sichern
Mit Hilfe eines Anwalts können Bauherren dann auch ein gerichtliches Beweissicherungsverfahren erwirken, ohne dass es deswegen zur Klage und zum Prozess kommen muss. Dazu wird ein Gutachter vom Gericht bestellt, der das Haus auf Baumängel und ihre Ursachen untersucht. Dessen Beurteilung überzeugt viele Handwerksbetriebe, weil sie auch in einem möglichen Prozess vom Gericht anerkannt wird.
Kommt es zum Prozess und der Bauunternehmer wird verurteilt, muss dieser auch die Gutachterkosten des Beweissicherungsverfahrens tragen. Gegenüber einem privaten Gutachten hat dieser Weg jedoch den Nachteil, dass auch mal ein halbes Jahr dauern kann, bis das Gutachten vorliegt.
Wer es eilig hat - etwa, weil der neue Wohnraum dringend benötigt wird oder das Budget keine weiteren Verzögerungen erlaubt -, kann zunächst mit einbehaltenen Abschlagszahlungen, Privatgutachten und Schreiben vom Anwalt den Druck auf die Baufirma erhöhen.
Vor Gericht ziehen
Ist eine Einigung mit diesen Mitteln nicht möglich, bleiben der Weg zum Anwalt und die Klageerhebung. Ein Gerichtsverfahren ist allerdings für beide Vertragspartner riskant, oftmals langwierig und teuer. Viele Gerichtsverfahren enden daher mit einem außergerichtlichen Vergleich. Nicht selten ermuntern die Richter selbst dazu.
Den Rechtsstreit vor Gericht zu entscheiden, lohnt sich ohnehin frühestens ab einer Schadensumme von etwa 5000 Euro. Das Gros der Verfahren dreht sich um mindestens fünfstellige Beträge. Das Anwaltshonorar muss der klagende Bauherr zudem vorstrecken, weil sich fast alle Rechtsschutzversicherungen aus den schwer kalkulierbaren und oft kostspieligen baurechtlichen Streitereien raushalten.
Nach einer Auswertung von 1800 Mandaten durch den Bauherren-Schutzbund beträgt der durchschnittliche Streitwert bei Rechtstreitigkeiten im Baurecht bei 42.000 Euro. Vor Gericht ist dabei mit durchschnittlich 8000 Euro an Gerichts- und Anwaltskosten zu rechnen. Gelingt eine außergerichtliche Einigung, sind dafür 4000 Euro zu veranschlagen, für ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren sind im Mittel 7000 Euro fällig.
Typische Gutachterkosten liegen bei 3000 Euro, als Faustformel sollte der Hausbesitzer dafür ein bis zwei Prozent der Baukosten einplanen - je nach Größe des Objekts und Aufwand. Für die oft finanziell strapazierten Häuslebauer ist ein Rechtsstreit insgesamt oft zu teuer. Zudem verschlingen die Gerichtsverfahren viel Zeit.
Vor Gericht gewonnen und trotzdem verloren
Hinzu kommt, dass selbst ein Urteil zu Gunsten des Bauherrn diesem nicht immer weiterhilft. Verbreitet können kleine Handwerksbetriebe hohe Schadenersatzzahlungen und Gerichtskosten gar nicht zahlen und gehen pleite. Dann kann der Bauherr nur hoffen, dass er zumindest teilweise entschädigt wird.
Baurechtsexperte Wortmann berichtet von einem besonders eklatanten Fall. „Im vergangenen Jahr schloss ich den Fall einer mangelhaften Bodenplatte bei einem Einfamilienhaus ab. Statt der vom Statiker vorgeschriebenen Stahlbetonbewehrung hatte der Baubetrieb den Beton nur mit nicht zugelassenen Stahlfasern versetzt. Später bildeten sich Risse in den Wänden“, erinnert sich Wortmann. „Das Gericht verurteilte den Unternehmer zu 230.000 Euro Schadenersatz, denn ohne Abriss und Neubau war der Mangel nicht zu beheben.“ Auch die hohen Verfahrenskosten sollte der Handwerker tragen.
Der verurteilte Bauunternehmer meldete daraufhin Insolvenz an. „Die Kläger sind leider auf einem Großteil ihrer Prozesskosten sitzen geblieben“, erinnert sich Wortmann. Nun leben die Kläger in dem schadhaften Haus - mit einem mulmigen Gefühl. „Mit einer baubegleitenden Qualitätskontrolle durch einen unabhängigen Sachverständigen hätte dieser Mangel schon in der Bauphase frühzeitig verhindert werden können“, ist sich Wortmann sicher.
Auch Architekten können für Baumängel schadenersatzpflichtig sein, wenn sie fehlerhaft geplant haben oder bei der Bauüberwachung nachlässig waren. „Wenn solche Fehler tatsächlich nachweisbar sind, lohnt sich eine Klage gegen Architekten fast immer, denn es gibt kein Insolvenzrisiko, da jeder Architekt über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügen muss“, sagt Fachanwalt Wortmann.