Bausparkassen kündigen Alt-Verträge Wie sich Sparer wehren können

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Juristisch umstritten

Das Landgericht Mainz folgte 2014 in einem Urteil (LG Mainz Az. 5 O 1/14) dieser Auffassung und bestätigte die Kündigung durch die Bausparkasse im verhandelten Fall. Anwälte und Verbraucherschützer sehen die Rechtslage anders. Vor allem kritisieren sie den Ansatz des Gerichts, dass der Vertragszweck  - die Erlangung eines Bauspardarlehens – bereits mit der Zuteilungsreife erreicht sei.

Solange das Sparguthaben kleiner als die Bausparsumme ist, besteht jedoch weiter ein Anspruch auf das Bauspardarlehen – auch wenn diese noch so klein wäre. „Das ist voraussichtlich das wichtigste Argument, um sich erfolgreich gegen einen Kündigung des Bausparvertrages zu wehren“, sagt Anwalt Lang.

Nicht das Darlehen stehe im Fokus, sondern vielmehr das Erreichen der Bausparsumme. An ihr bemisst sich die Gebühr bei Vertragsabschluss, argumentieren die Bausparkassengegner. Zudem seien viele Bausparverträge weniger mit der Aussicht auf einen günstigen Baukredit, sondern vielmehr mit ihrer hohen Rendite beworben worden. Auch sehr junge Sparer wurden in die Verträge mit dem Argument verkauft, ein Bausparvertrag diene dem Vermögensaufbau, der Baukredit sei lediglich eine Option. Hätten die jungen Sparer nur zehn Jahre Zeit, das Darlehen abzurufen, stünde dieser Vertragszweck generell in Frage, argumentiert etwa die Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg.

Solange also noch eine Differenz zwischen Sparguthaben und Bausparsumme bleibt, die der Bausparer als Kredit abrufen kann, sei der Vertragszweck noch nicht erfüllt. Schützenhilfe haben die Kritiker des Mainzer Urteils vom Oberlandesgericht in Stuttgart erhalten. In einem anderen Fall urteilte das OLG Stuttgart nämlich (Az. 9 U 151/11),  dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparer den Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht. Ergo dürfe der Sparer weiter in den Vertrag einzahlen, bis die Bausparsumme erreicht ist – und für die Ersparnisse weiter die zugesicherten Zinsen einstreichen.

Auch die Oberlandesgerichte in Hannover und Celle kamen zu dieser Einschätzung und untersagten die Kündigung durch die Bausparkasse, solange der Kunde die Bausparsumme nicht vollständig erreicht hat.

Voll angespart, voll verzinst

Demzufolge ändert sich die Rechtslage, wenn die Bausparsumme bereits voll angespart wurde. Denn dann besteht  - bis auf Sonderfälle, in denen das Bauspardarlehen unabhängig vom angesparten Guthaben gewährt wird – kein Anspruch mehr auf ein Darlehen. Dass OLG Stuttgart sah in dem verhandelten Fall in dem Sparguthaben nichts anderes als ein Darlehen des Sparers an die Bausparkasse, verbunden mit dem Anspruch auf Rückzahlung. Sofern – wie in den meisten Fällen - keine Frist für die Rückzahlung dieses Darlehens bestimmt ist, gälte das Kündigungsrecht nach §488 BGB mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist. In diesem Fall ist es daher nicht ratsam, einen kostspieligen Rechtsstreit mit der Bausparkasse zu riskieren. 

Einen Ausweg könnten Verträge bieten, die die nachträgliche Erhöhung der Bausparsumme vorsehen. Geschieht dies rechtzeitig vor Erreichen der Bausparsumme, bleibt der Darlehensanspruch bestehen und die Chancen eines erfolgreichen Widerspruchs gegen die Kündigung steigen. Ob eine Kündigung durch die Bausparkasse vertragsgemäß ist, muss dann im Zweifel ein Gericht im Einzelfall beurteilen.

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