
WirtschaftsWoche: Der Eigentümerverband Haus und Grund hält viele Mietspiegel für nicht wasserfest. Kann das Urteil in Berlin Auswirkungen für die Immobilienmärkte in ganz Deutschland haben, insbesondere für stark wachsende Städte wie Leipzig?
Andreas Griebel: Grundsätzlich ergehen Urteile im Verhältnis der Streitparteien. Andere Berliner Mieter können sich also nicht auf das Urteil berufen. Das könnten sie nur dann, wenn der Mietspiegel in einem verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollverfahren überprüft würde. Es ist aber streitig, welche Rechtsnatur der Mietspiegel hat und ob er der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugänglich ist. Das lehnt die herrschende Auffassung meiner Kenntnis nach ab. Deshalb ergehen Urteile immer nur im Einzelfall. Das heißt, das Urteil hat keine Auswirkungen auf Bürger der Stadt Leipzig. Das mediale Interesse bei den Interessenvertretern ist aber groß. Daher werden Anwälte und Richter nicht umhinkönnen, die Entscheidung in ihrer Argumentation zu berücksichtigen.

In Berlin wird die mangelhafte Kategorisierung der Wohnlagen bemängelt. Wie genau werden solche Einstufungen denn vorgenommen, wie oft wird das überprüft?
Ein Mietspiegel muss, wenn er qualifiziert ist, alle zwei Jahre fortgeschrieben und alle vier Jahre neu erstellt werden. Dabei sind die festgestellten Werte einfach zu indexieren und so an die Steigerung des Verbraucherpreisindexes anzupassen. Nach vier Jahren müssen völlig neu Daten erhoben werden. Das macht die Mietspiegel für die Gemeinden so unattraktiv, weil man mit Kosten von 20.000 – 100.000 Euro rechnen muss, je nach Datenmenge und Auswertung.
Zur Person
Rechtsanwalt Andreas Griebel ist Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei Rödl & Partner in Nürnberg. Seine Schwerpunkte liegen in der Beratung von Unternehmen und der Öffentlichen Hand im Bereich Immobilienrecht, Mietrecht, Wohnungseigentumsrecht und Baurecht.
Gibt es ein gesetzliches Verfahren, wie die Einstufungen vorgenommen werden müssen?
Bisher leider nicht. Nach dem derzeitigen Koalitionsvertrag soll das noch im Laufe dieser Legislaturperiode gesetzlich festgeschrieben werden. Das würde die Rechtsfindung erleichtern. Genau das ist das Problem bei der Erstellung von Mietspiegeln.
Das Gesetz selbst gibt lediglich vor, dass eine Kategorisierung nach Art, Lage, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und energetischer Ausstattung stattzufinden hat. Es hat sich herausgestellt, dass hier verschiedene Cluster nach Größe und Alter eine sinnvolle Variante sind. Ob das aber wissenschaftliche Grundsätze sind, ist fraglich. Für das Gericht in Charlottenburg offensichtlich nicht.
Die neuen Regelungen bei der Mietpreisbremse
Die Mietpreisbremse greift bei neuen Mietverträgen in Städten mit „angespanntem Wohnungsmarkt“. In welchen Städten, entscheiden die Bundesländer. Sie läuft bis zu fünf Jahre und soll im ersten Halbjahr 2015 in Kraft treten.
Mieten für neu gebaute und umfassend sanierte Wohnungen in Neubauten dürfen auch mehr als zehn Prozent über dem Mietspiegel-Niveau liegen.
Mieten dürfen maximal zehn Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen. Was ortsüblich ist, gibt der Mietspiegel vor. Die zehn Prozent gelten auch für Verträge, die schrittweise Mieterhöhungen vorgeben (Staffelmieten).
Bei Mietern und Vermietern kommen Zweifel am Mietspiegel auf - bleibt er eine belastbare Grundlage für Mietverhandlungen?
Nur der qualifizierte Mietspiegel ist verlässlich. Der einfache Mietspiegel – der keinen wissenschaftlichen Grundsätzen folgt – ist vor Gericht nahezu wertlos. Deshalb sind die Zweifel berechtigt. Wenn eine Großstadt wie Berlin es nicht fertigbringt, einen nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellten Mietspiegel zu erstellen, wie sollen das dann kleinere Gemeinden leisten können?
Allerdings gibt es nur in wenigen Städten qualifizierte Mietspiegel. Nur etwa 20 Prozent der Städte bis zu 100.000 Einwohnern verfügen über einen Mietspiegel. Schon heute kann daher in 80 Prozent der Fälle nur mit Vergleichsmieten und den damit verbundenen Unzulänglichkeiten gearbeitet werden. Daran ändert das Urteil nichts.
Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die geplante Mietpreisbremse?
Problematisch ist die Beurteilung der Anwendung der „Mietpreisbremse“. Denn hier orientiert sich das neue Gesetz immer wieder an der ortsüblichen Vergleichsmiete. Wie aber sollen Mieter und Vermieter denn diese feststellen, wenn nicht einmal die Stadt Berlin hierzu in der Lage ist? Wie sollen Richter, die diese Fälle nun bearbeiten dürfen, entscheiden, wenn sie nicht wissen, wie die ortsübliche Vergleichsmiete festzustellen ist?
Es ist deshalb dringend nötig, dass bundesweit einheitliche Grundsätze für Mietspiegel aufgestellt werden. Die Datenerhebungen muss verlässlich sein, so dass sich alle Beteiligten darauf berufen können. Die rechtliche Unsicherheit für Vermieter und Mieter muss beseitigt werden.