Betrüger in den USA Wie Menschen um ihr Haus gebracht werden

Nach der Finanzkrise droht noch immer vielen Hausbesitzern in den USA die Zwangsversteigerung. Das macht sie zu leichten Opfern von Betrügern. Statt der erhofften Rettung ist am Ende oft das Haus verloren.

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In den USA werden immer mehr Hausbesitzer Opfer von Betrugsmaschen. Quelle: dpa

New York Raymond Murray bekam den Anruf, als es ihm ganz schlecht ging. Sein Frau war gestorben, er war wegen mehrerer Unfälle arbeitsunfähig und sein letztes Geld hatte er für einen Anwalt zusammengekratzt, um die drohende Zwangsversteigerung für sein bescheidenes Häuschen in Brooklyn abzuwenden. Das Angebot des Mannes am Telefon erschien ihm wie ein Geschenk Gottes: Abwendung der Versteigerung, keine Anwaltskosten und eine Umschuldung mit niedrigeren Raten.

Wenig später saß Murray im Büro des Anrufers und machte den Deal perfekt, von dem er sich erhoffte, mit diesem in seinem Haus bleiben zu können. Doch es dauerte nicht lange, bis er merkte, dass er um seine Bleibe betrogen worden war.

In den USA werden immer mehr Hausbesitzer Opfer dieser oder ähnlicher Betrugsmaschen. Mit Lügen und falschen Versprechungen bringen Kriminelle verzweifelte, von der Zwangsvollstreckung bedrohte Hausbesitzer dazu, ihnen die Immobilien zu überschreiben. Am Ende steht die Obdachlosigkeit - oder zumindest ein jahrelanger Rechtsstreit.

„Die Betrüger sind nicht mehr damit zufrieden, 5000 Dollar zu stehlen. Sie wollen jetzt das ganze Haus“, sagt Dina Levy, die das Hausbesitzer-Schutzprogramm des New Yorker Generalstaatsanwalts leitet. Fälle gibt es aus dem ganzen Land. Doch nirgendwo ist das Problem so groß wie in den Wohngegenden von New York.

Das Büro des Sheriffs von New York hat 2014 die Federführung über die Fälle übernommen. Mehr als 1700 Beschwerden sind seitdem aufgelaufen, in Hunderten Fällen wird ermittelt. Bislang wurden bereits 32 Personen festgenommen. Sheriff Joseph Fucito kennt die Tricks der Betrüger. Da werde versucht, den Besitz leerstehender Immobilien mit gefälschten Dokumenten glaubhaft zu machen. Andere überschrieben das Haus eines unwissenden Familienmitglieds auf ihren Namen. Und dann seien da noch die vermeintlichen Helfer, die finanziell bedrängten Hausbesitzern die Rettung versprechen, um sich ihre Immobilie unter den Nagel zu reißen. „Du kannst aufwachen, und alles ist passiert - nur auf dem Papier“, sagt Fucito.

Murray kam 1989 aus Guyana in Südamerika nach New York. Er arbeitete als Telefontechniker und später als Verkehrspolizist. Mit seiner Frau Desrie, einer Lehrerin, lebte er zunächst bei Verwandten. Später mieteten sie sich ein Häuschen. Schließlich hatten sie genug gespart, um sich eine Immobilie zu kaufen: Ein bescheidenes zweistöckiges Ziegelhaus mit einem weißen Metalltor in einer ruhigen Allee in Brooklyn. Er war stolz - hatte das Gefühl, dass das der Lohn für seine Arbeit war. „Es war der amerikanische Traum“, sagt der 67-Jährige.


Plötzlich ist der vermeintliche Retter nicht mehr erreichbar

Nach zwei Arbeitsunfällen musste er sich pensionieren lassen. Das Geld wurde knapper. Dann starb seine Frau Anfang 2009 überraschend an Eierstockkrebs. Murray schränkte sich immer weiter ein, rationierte seine Lebensmittel, ließ das Licht aus, um Strom zu sparen. Doch die Ersparnisse wurden immer weniger. Er geriet in Zahlungsverzug. Dann kam die Androhung der Zwangsvollstreckung. Murray engagierte einen Anwalt und zahlte ihm 5000 Dollar, um eine Umschuldung der Hypothek zu erreichen. Dann kam im Januar 2014 jener verhängnisvolle Anruf.

Der Mann habe ihm die Rettung versprochen, ohne zusätzliche Kosten. Wegen seiner schlechten Kreditwürdigkeit müsse Murray das Haus allerdings für 90 Tage seiner Firma überschreiben, damit die Umschuldung vollzogen werden könne, hieß es.

Murray unterschrieb einen Stapel von Dokumenten. Erleichtert verließ er das Büro. Doch wenige Tage später rief ihn der Mann an und sagte ihm, dass die Umschuldung nicht genehmigt worden sei. Er bitte um etwas Geduld.

Murray wurde zunehmend besorgter und misstrauischer. Plötzlich war sein vermeintlicher Retter nicht mehr erreichbar. Dann traf er einen Mann auf seinem Grundstück, der Fotos machte und behauptete, dass ihm jetzt das Haus gehöre. Kurz darauf hing die Ankündigung der Zwangsräumung an seiner Tür. Da sei ihm endgültig klar gewesen: „Man hat mir mein Haus gestohlen.“

Murray fand Unterstützung von Anwälten eines Rechtshilfedienstes für ältere Menschen in Queens. Diese durchkämmten die Masse von Dokumenten, die nach Einschätzung der Juristen die Transaktion legal erscheinen lassen sollten. Murray glaubte zwar, er würde eine Umschuldung unterschreiben, doch war es eigentlich ein Verkaufsvertrag. Bislang ist das Verfahren noch nicht entschieden. Doch Murray durfte immerhin zunächst in dem Haus bleiben - obwohl es ihm auf dem Papier nicht mehr gehört.

Die Anwälte von Murrays vermeintlichem Helfer behaupteten laut Gerichtsakten zunächst, der 67-Jährige habe „einfach einen Plan ausgeheckt, um mietfrei zu wohnen“. Doch dann bekannte sich der Mann der Verschwörung zu einer Straftat schuldig. Das Urteil in dem Fall, in dem sechs weitere Menschen angeklagt sind, steht noch aus. Zwei von ihnen sind ebenfalls geständig. Eigentlich sei ihr Mandant „ein netter Kerl, der da in etwas hineingeraten“ sei, „vom übereifrigen Verkaufen in ein kriminelles Umfeld“, erklärt einer der Anwälte heute.

Murrays Anwälte kämpfen unterdessen dafür, dass er wieder offiziell Besitzer des Hauses wird. Der Geschädigte selbst sagt, ihm sei mittlerweile klar, warum er ins Visier der Kriminellen geraten sei. „Sie haben gemerkt, dass ich verzweifelt war und Hilfe brauchte“, sagt Murray. Zuversichtlich zeigt er sich trotzdem - er glaubt daran, dass die Gerechtigkeit in dem Fall noch kommt.

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