Blick hinter die Zahlen #23 – Büroimmobilien Killt der Heimarbeitsplatz den Büro-Immobilienmarkt?

In der Coronakrise hat sich gezeigt, dass viele das Homeoffice als Alternative zum Büro schätzen. Killt das den Büro-Immobilienmarkt, in den viele Anleger ihr Geld stecken, wenn sie offene Immobilienfonds im Depot haben?

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Im Jahr 2020 gibt es nach Daten des Maklerhauses JLL in Deutschland insgesamt rund 390 Millionen Quadratmeter Bürofläche. Aber der unter Fachleuten „Remote Working“ genannte Schwenk zum Heimarbeitsplatz wird nach einer Umfrage von JLL stark zunehmen. „Die Corona-Krise wird signifikante Auswirkungen auf den Büroflächenbedarf haben“, fasst der Leiter des Research bei JLL, Helge Scheunemann, die Ergebnisse einer Befragung unter Büromietern, Investoren und Projektentwicklern vom April zusammen. Was macht den Büromarkt in Deutschland aus und was bedeutet es für Anleger, die etwa über offene Immobilienfonds in Bürogebäude investiert haben, wenn das Heim-Büro dauerhaft von vielen als attraktiver eingeschätzt würde als der Gang ins Büro?

Viele Branchen rechnen damit, dass die Bedeutung des Homeoffice stark steigen wird, insbesondere Branchen wie Industrie, aber auch Banken und EDV erwarten einen steigenden Trend zum Heimbüro, der entsprechend Folgen für ihren Flächenbedarf haben werde. Und das bedeutet zunächst: Künftig könnte weniger Mietfläche benötigt werden. Doch ob es wirklich so kommt, wie eine erste Befragung verheißt? Scheunemann vom Maklerhaus JLL Germany erwartet, dass die Unternehmen auch ihre Flächenkonzepte auf den Prüfstand stellen werden und statt Großraumbüros eher wieder Zellenbüros bevorzugen könnten. Das wiederum spräche dann vielleicht sogar für eine steigende Quadratmeterzahl pro Beschäftigten. In der Summe erwartet er allerdings, dass „der Flächenbedarf leicht zurückgehen wird, weil der Homeoffice-Trend die anderen Effekte überwiegt“.

Corona hat signifikante Auswirkung auf den Flächenbedarf

Die Lage an den Büro-Hotspots ist momentan sehr entspannt: Die Top-Bürostandorte in Deutschland sind nach einer Auswertung vom Maklerhaus JLL Berlin, München, Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf. Der Bürobestand hat sich in den vergangenen 20 Jahren an diesen Standorten entsprechend einem höheren Anteil der Dienstleistungen am deutschen Bruttosozialprodukt ordentlich erhöht. In München stieg der Bürobestand um 39 Prozent, in Berlin um 35 Prozent. Allerdings gab es den größten Anstieg bereits zwischen den Jahren 2000 und 2010. Danach entwickelt sich der Büroflächenbestand nur noch leicht aufwärts. Nach der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 hatte sich ein hoher Leerstand bei den Büroimmobilien aufgebaut. In Frankfurt, Düsseldorf und München standen damals zwischen 14 und 10 Prozent der Flächen leer.

Heute haben Düsseldorf und Frankfurt mit etwa sechs Prozent Leerstand die meisten freien Flächen, in Hamburg sind es drei und in Berlin und München um die zweieinhalb Prozent Büro-Leerstände. Das kommt einer Vollbesetzung der Büroflächen nahe, denn viele Flächen werden saniert, sind gar nicht mehr vermietbar. In einem Vergleich unter kleineren und größeren Städten Deutschlands liegt die Leerstandsrate im Schnitt unter fünf Prozent. Auch in Städten wie Freiburg, Ingolstadt, Münster und Tübingen waren es sogar weniger als zwei Prozent.

Die Unternehmervereinigung IW erwartet einen drastischen Rückgang bei Büromieten in 2020

Die größten Mieter nach Branchen waren in den Top-5-Märkten gemäß JLL-Daten zuletzt Dienstleister mit 19 Prozent, Industrie mit 13 Prozent, Banken mit neun Prozent und IT-Unternehmen mit acht Prozent Anteil an den vermieteten Büroflächen. In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil der Dienstleister leicht gestiegen, der Bankanteil ging um drei Prozentpunkte zurück.

Die Durchschnittsmieten für Büros lagen vor 20 Jahren in den Top-5-Standorten im Schnitt bei 15,80 Euro pro Quadratmeter im Monat, 2010 waren sie als Folge der Finanzkrise auf 14,70 Euro gefallen und steigen bis zum ersten Quartal 2020 auf 21,10 Euro Monatsmiete für einen Quadratmeter. Inklusive aller Nebenräume und Flure kommt ein Mitarbeiter nach Annahmen der Deutschen Bank, die ebenfalls eine Studie zu Gewerbeimmobilien gemacht hat, auf 23 Quadratmeter, also im Schnitt 485 Euro Kosten pro Büroarbeitsplatz in den Metropolen. Über 127 größere Städte in Deutschland verteilt allerdings liegt der Durchschnitt der Büromiete nur bei etwa acht Euro pro Quadratmeter und Monat.

An den Top 5-Bürostandorten in Deutschland stieg die monatliche Büromiete in Top-Lagen in 10 Jahren um 43 Prozent

In den Großstädten („A-Cities“) dürfte der Kostendruck auf Unternehmen, ihre Büroflächen zu verkleinern, deutlich größer sein als abseits der Metropolen.

Die Deutsche Bank-Research erwartete in ihrem Germany Monitor vom 5. Mai, dass der Homeoffice-Trend langfristig keinen Einfluss auf die Büronachfrage haben wird. Die Experten begründen das mit dem bislang dynamischen Arbeitsplatzzuwachs. 270.000 Jobs wurden 2019 neu geschaffen, etwa 100.000 davon waren neue Büroarbeitsplätze. Wenn jeder Beschäftigte inklusive Flur, Lobby, Waschräumen etwa 23 Quadratmeter Fläche benötigt, müssten 2019 etwa 2,4 Millionen Quadratmeter neue Bürofläche angemietet worden sein. Je nachdem, wie dynamisch sich der Arbeitsmarkt nach Corona entwickelt, ist nicht damit zu rechnen, dass es viel neuen Leerstand geben wird. Außerdem spräche, so die Deutschbanker, vieles dafür, dass die Mitarbeiter weiterhin in einem Team kommunizieren werden und deshalb auch auf Zusammenkünfte in Büros angewiesen seien. Weitere Subventionen für Heimarbeit, etwa auch aus Klimaschutzgründen, könnten aber den Homeoffice-Trend verstärken. Zumal Deutschland im EU-Vergleich noch viel Nachholbedarf hat, etwa gegenüber dem Spitzenreiter Niederlande, wo schon vor Corona 36 Prozent der Beschäftigten ganz oder zeitweise von zuhause aus gearbeitet haben.

Anteil der Beschäftigten mit zeitweiser Heimarbeit in 2018

Das unternehmensnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln dagegen hat selbst Zahlen erhoben und bezweifelt, dass Vermieter ihre aktuellen Mietpreise künftig weiter durchsetzen können. Das IW rechnet damit, dass die Büromieten durch die Coronakrise in Deutschland und Europa „in Toplagen sinken“. „Wir rechnen mit einem gravierenden Abschwung auf dem Büromarkt“, meint IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. Unter den großen deutschen Städten wäre seiner Meinung nach der Rückgang in Berlin besonders hoch. Dort könnten Büromieten 2020 um ein Fünftel einbrechen, die Kaufpreise sogar um 35 Prozent. In Düsseldorf und München würden die Mieten wahrscheinlich um jeweils gut 15 Prozent sinken. In Stuttgart wird mit 9,5 Prozent der in Deutschland niedrigste Rückgang für die Büromieten erwartet, prognostiziert das IW.

Maklerhäuser und Banken gehen von eher leichten bis gar keinen Rückgängen aus, die Lobbygruppe der Unternehmen sieht hingegen starke Mietpreisrückgänge. Vielleicht muss man sich in der Mitte treffen. Und es wird wie immer bei Immobilien auf die Lage und die Ausstattung ankommen.

Besonders attraktiv könnte das Homeoffice für Pendler sein. Allerdings hatte das Statistische Bundesamt (Destatis) für das Jahr 2016 ermittelt, dass etwa 81 Prozent der Pendler nur einen Weg von etwa 25 Kilometern über eine Kreisgrenze hinweg zurücklegen. Pendlerinnen und Pendler mit einem Pkw oder Motorrad benötigten weniger Zeit für ihren Arbeitsweg als diejenigen, die den Öffentlichen Personennahverkehr unterwegs waren. 89 Prozent der Autofahrer schafften den Arbeitsweg in weniger als einer halben Stunde, mit dem ÖPNV gelang das nur gut der Hälfte der Pendler. Wenn Städte die Parkplatzsituation verschärfen, würde es sicherlich viele Pendler eher ins Homeoffice treiben. Aber auch hier gilt: Längst nicht alle Pendler werden auf einen Büro-Arbeitsplatz verzichten wollen.

von Martin Gerth, Mareike Müller, Heike Schwerdtfeger

Die Neuordnung des Büromarktes könnte sich auch auf die bei Anlegern beliebten offenen Immobilienfonds auswirken: Die Sparkassen-Fondsgesellschaft und Sparkassen-Girozentrale Deka hat rund 4700 Mitarbeiter, die vor allem in Frankfurt angesiedelt sind. Die Deka geht davon aus, dass dauerhaft ein Drittel ihrer eigenen Mitarbeiter im Home-Office arbeiten werden. Deka ist aber auch der größte Anbieter von offenen Immobilienfonds hierzulande und damit auch einer der großen Büroimmobilienvermieter Deutschlands.

Millionen Anleger vertrauen auf offene Immobilienfonds im Depot. Solche Investments werden gerne als Betongold bezeichnet, weil sie sich grundsätzlich stabil entwickeln. Die Renditen sind nicht hoch, aber meist zuverlässig. Abhängig sind die Renditen der Anleger davon, dass die Fondsmanager die gekauften Gebäude gut vermieten und die Höhe der Mieten ist ein Faktor, der den Wert einer Immobilie ausmacht. Offene Immobilienfonds kaufen zumeist Gebäude in A-Lagen der Metropolen für mitunter sogar dreistellige Millionenbeträge.

Die Experten sind damit vertraut, dass sich Anforderungen an die Büroflächen ständig ändern. Früher waren repräsentative Einzelbüros gefragt. Inzwischen gibt es den Trend zu Großraumbüros – alte Bürogebäude waren nicht mehr zeitgemäß, ihr Wert ist mitunter gesunken. Das könnte sich wieder ändern, denn Großraumbüros voll zu belegen, das traut sich momentan noch kein Unternehmen.

von Konrad Fischer, Rüdiger Kiani-Kreß, Nora Schareika

Vermieter müssen ihre Büros ständig auf dem neuesten Stand halten und viel investieren, um auch die Miete erhöhen zu können. Aktuell rangiert bei Mietern das Thema Nachhaltigkeit weit oben auf der Wunschliste. Energiesparende Licht- und Luftsysteme, angenehmes Arbeitsumfeld mit guter Anbindung sind gefragt. Kommt es tatsächlich zu dem vom Institut der Deutschen Wirtschaft prognostizierten Rückgang von 35 Prozent bei der Büronachfrage, dann müssen sich vor allem die Vermieter nicht mehr ganz zeitgemäßer Büros auf Verluste einstellen. Große Fondsanbieter, die auch viel Geld flüssig haben, haben die Kapazitäten und das Know-how, ihren Bestand aktuell zu halten. Aber das kostet viel Geld. Die Renditen offener Immobilienfonds, so die Experten von Scope Research, werden nicht zuletzt wegen der Corona-Krise und dem Homeoffice-Trend mit zwei bis 2,5 Prozent künftig leicht unter dem Niveau der Vorjahre liegen.

Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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