Branche im Umbruch Immobilien-Unternehmen müssen innovativer werden

Mit Deutsche Wohnen und Vonovia sind nun zwei Immobilien-Unternehmen im Dax vertreten. Quelle: dpa

Mit Vonovia und Deutsche Wohnen sind nun zwei Immobilien-Unternehmen im Dax vertreten. Einige Beobachter sehen darin ein Sinnbild für die Innovationsarmut des Standorts Deutschland. Gastautorin Daria Saharova sieht es als Ansporn und Chance für die Immobilien-Branche, Verantwortung zu übernehmen und Innovation in Sachen Digitalisierung und Klima voranzutreiben.

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Die Immobilien- und Baubranche ist schon heute eng mit den wichtigsten Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung verbunden. Sie ist für rund 40 Prozent aller CO2-Emissionen direkt und indirekt verantwortlich, vor allem durch Stromerzeugung und Wärme, aber auch zum Beispiel durch die Produktion von Baustoffen und ineffizienten Bauprozessen. Gleichzeitig rechnen die Vereinten Nationen mit rund 10 Milliarden Menschen auf unserer Erde bis 2050 und gehen von einem anhaltenden Trend zur Urbanisierung aus. Damit neue Städte entstehen können und verwaltbar sind, sind neue nachhaltige und intelligente Konzepte – von der Planung bis zur Nutzung – notwendig. Zudem ist die konsequente Modernisierung des Bestands unverzichtbar.

Bei den beiden Megatrends drängt die Zeit und so nimmt die Bedeutung der Immobilienbranche stetig zu. Anders als noch vor ein paar Jahren herrscht dabei kein totaler Stillstand. Die Dringlichkeit der oben genannten Herausforderung ist erkannt, Lösungen von Start-ups werden vom Top-Management großer Immobilienunternehmen wahrgenommen. Aber – das haben uns andere Branchen gezeigt – die Erkenntnis der Notwendigkeit in der Chefetage ist der wichtige aber nicht der einzige Schritt auf dem Weg der digitalen Transformation. Entscheidend ist es, Strukturen zu etablieren, die Innovation ins Kerngeschäft bringen und die notwendige Kultur zu schaffen.

Start-ups arbeiten trotz Corona an Lösungen für die Zukunft

Entlang der ganzen Wertschöpfungskette der Bau- und Immobilienbranche arbeiten Start-ups an Lösungen für die Zukunft. Nehmen wir das Thema „Auftragsvergabe“. Viele Bauunternehmen wissen seit Langem, dass die Neukundengewinnung über Messen teuer und nicht für alle Projekte effizient ist. Dennoch ist das heute der Standard. Um diese Herausforderung anzugehen, wurde die Plattform Building Radar in München ins Leben gerufen, bei der man fast in Echtzeit neue Projekte für das eigene Unternehmen finden und einfach akquirieren kann. Insbesondere in Zeiten von Corona und seitdem viele wichtige Messen und Veranstaltungen abgesagt worden sind, spielen Tools wie von Building Radar eine signifikante Rolle.

Während der Bauphase können außerdem Start-ups wie BIM Systems oder Imerso dabei unterstützen, mithilfe von KI und Computer Vision sowohl den Prozess effizienter zu gestalten als auch grundsätzlich nachhaltiger zu bauen.

Auch die Energieversorgung von Häusern, Gebäudekomplexen bzw. kompletten Stadtviertel muss nachhaltig werden. Insbesondere jetzt, wo viele Menschen mehr Zeit zu Hause verbringen, könnten sogenannte Home-Energy-Management-Systeme, wie sie das Münchner Start-up gridx entwickelt, dabei helfen, den Stromverbrauch zu senken und so das Klima zu schützen. Außerdem wird die Versorgungssicherheit erhöht. Natürlich nicht nur beim Neubau, sondern auch beim Bestand muss eine energetische Sanierung und Nachrüstung stattfinden. Leider ist die breite Nutzung solcher Systeme noch eine Seltenheit.

Digitalisieren durch Kooperation – jetzt!

Es ist nicht fair zu sagen, dass die Bau- und Immobilienbranche bei der Digitalisierung tatenlos ist. Die vorgestellten Start-ups hätten keine Aufträge, wenn es keine Pioniere gäbe, die mit ihnen kooperieren. Dennoch muss dieses Engagement viel breiter werden.

Ein guter Ansatz hierzu ist der Venture-Client-Ansatz, den man bereits aus der Automobil- oder Telekommunikationsbranchen kennt. Unternehmen wie BMW mit ihrer Start-up-Garage, Telefonica mit WAYRA oder auch Plattformen wie Plug and Play verfolgen diesen seit Jahren. Das Unternehmen 27 Pilots aus München bietet diesen Service für Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen an. Dabei geht es um konkrete Pilotprojekte und den Aufbau langfristiger kommerzieller Partnerschaften: Das Start-up arbeitet direkt mit relevanten Abteilungen an konkreten Problemen. So werden auf einer Seite maßgeschneiderte Lösungen für die Corporates und auf der anderen Seite die ersten echten Aufträge für die Gründer möglich.

Ich denke, dass es an der Zeit ist, mehr Offenheit für solche Konzepte zu entwickeln. Jetzt ist dafür ein guter Zeitpunkt: Der Aufstieg von Deutsche Wohnen in den Dax zeigt die Bedeutung der Bau- und Immobilienbranche für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Er ist gleichzeitig die Chance, in dieser wichtigen Branche weltweit führend in Sachen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu werden.

Über die Autorin
Daria Saharova ist Partnerin des Wagniskapitalgebers Vito ONE, der in Start-ups aus den Wachstumsbereichen Immobilien- und Energietechnik investiert.

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