Bundesgerichtshof Dauerhafte Sozialbindung von Wohnungen wohl unzulässig

Die Wohnungsgenossenschaft Gartenheim aus Hannover klagt gegen die dauerhafte Sozialbindung ihrer Wohnungen in Langenhagen. Quelle: dpa

Sozialwohnungen für Menschen, die sich keine hohe Miete leisten können, sind knapper geworden. Für den Bau gibt es finanzielle Anreize. Das verpflichtet - aber wohl nicht auf alle Ewigkeit.

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Immobilienunternehmen können wohl nicht daran gehindert werden, aus öffentlichen Mitteln geförderte Sozialwohnungen früher oder später auf dem freien Markt anzubieten. Zulässig ist nur eine zeitlich befristete Sozialbindung, etwa auf 20 oder 30 Jahre, wie sich in einer Verhandlung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe am Freitag abzeichnete. (Az. V ZR 176/17)

Geklagt hat die Wohnungsgenossenschaft Gartenheim aus Hannover. Sie will sich aus einer Vertragsvereinbarung mit der Stadt Langenhagen aus den 1990er Jahren lösen, die die dauerhafte Nutzung als Sozialwohnungen vorschreibt. „Ein unbefristetes Belegrecht ist ein ewiger ökonomischer Nachteil“, kritisierte Vorstand Günter Haese.

Wie die Senatsvorsitzende Christina Stresemann nach Vorberatungen andeutete, halten auch die Richter eine Bindung quasi für alle Ewigkeit nicht für zulässig. Die Frage sei nun, auf welche Laufzeit sich die Parteien geeinigt hätten, wenn das von vornherein klar gewesen wäre. Das Urteil soll am 8. Februar verkündet werden.

Sozialwohnungen mit niedriger Miete werden nur an Menschen vergeben, die wegen ihres geringen Einkommens einen Wohnberechtigungsschein haben. Wer die Wohnung bekommt, kann der Vermieter entscheiden.

Um den sozialen Wohnungsbau zu fördern, hatte die Stadt Langenhagen ihre Grundstücke unter Marktwert verkauft und zur Finanzierung des Bauprojekts zinsgünstige Darlehen gewährt. Für solche Fälle sah das bis einschließlich 2001 gültige Wohnungsbaugesetz vor, dass die Dauer der Zweckbestimmung mehr als 15 Jahre betragen kann. „Allerdings: Auch ein längerer Zeitraum endet irgendwann“, gab Stresemann zu bedenken. Kommunen, die die Kontrolle über die Nutzung nicht ganz aus der Hand geben wollten, empfahl sie, einen anderen Weg zu gehen und das Grundstück durch Erbbaurecht auf begrenzte Zeit zu verpachten.

„Die unbefristete Vereinbarung muss nun zeitlich gestutzt werden“, erläuterte der BGH-Anwalt der Stadt, Volkert Vorwerk, nach der Verhandlung. Er zeigte sich zufrieden mit dem Vorschlag des Senats, dafür die Laufzeit des Darlehens heranzuziehen, in diesem Fall 35 Jahre. Für die Genossenschaft plädierte BGH-Anwalt Thomas Winter dafür, alle Förderbedingungen in den Blick zu nehmen. Die Dauer eines Darlehensvertrags sage noch nichts über den ökonomischen Vorteil aus.

Heute liegen die Kompetenzen für den sozialen Wohnungsbau bei den Ländern, ihre Förderrichtlinien unterscheiden sich im Detail. Eine unbefristete Belegungsbindung ist nach Angaben von Experten sehr selten, Fristen von mehreren Jahrzehnten kommen aber vor.

Aus den Regierungsantworten auf mehrere parlamentarische Anfragen geht hervor, dass die Zahl der Sozialwohnungen zwischen 1989 und 2016 von 3,9 Millionen auf 1,27 Millionen zurückgegangen ist. Etwa 50.000 Sozialwohnungen verlieren im Jahr ihre Zweckbindung. 2016 wurden Fördermittel für 24.550 neue Wohnungen mit Sozialbindung gewährt. Die Bundesregierung sah damit die Trendwende geschafft, nachdem in den Jahren davor im Schnitt nur 11.500 Wohneinheiten gefördert worden waren.

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